Kundenschutzvereinbarungen: Wirksamkeit und deren Grenzen

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Die Ausgangslage

 

Es dürfte für Freiberu­fler inter­es­sant und ent­muti­gend zugle­ich sein, dass wed­er Gerichte noch Anwälte sich darin einig zu sein scheinen, ob und wann eine zwis­chen Auf­tragge­ber und freiberu­flich tätigem Auf­trag­nehmer getrof­fene Kun­den­schutz­abrede rechtswirk­sam ist. Natür­lich gibt es keine Gen­er­al­lö­sung, vielmehr hängt let­ztlich alles von den Umstän­den des Einzelfalls ab, wobei Umfang und Dauer der Beauf­tra­gung im Hin­blick auf § 74 HGB eine entschei­dende Rolle spie­len. Obwohl sich ver­schiedene Autoren um Aufk­lärung bemühen (siehe auch Kran­nich, IT Free­lancer 1/2006, 40; Grunewald, IT Free­lancer 1/2005, 28), herrscht unter den Betrof­fe­nen zunehmende Recht­sun­sicher­heit.

 

Die Interessenlage

Die Mei­n­ungsver­schieden­heit­en sind indes nicht ver­wun­der­lich. Jede Kun­den­schutzvere­in­barung soll ein­seit­ige Inter­esse schützen, sie läuft den Inter­essen des Freiberu­flers also zwin­gend zuwider. Es geht meis­tens um viel Geld. Zudem wer­den Freiberu­fler, die sich auf eine Unwirk­samkeit des Wet­tbe­werb­sver­bots berufen, häu­fig mit dem Vor­wurf kon­fron­tiert, man habe zu hal­ten, was man in Aus­sicht der Auf­tragserteilung unter­schrieben habe. Pacta sunt ser­van­da. Auch von Richtern hört man das. Dies klingt auch in ver­schiede­nen Fach­beiträ­gen an, deren Autoren den Sub­un­ternehmer im „gemacht­en Nest“ sehen und ihm absprechen, etwas für den Auf­bau des Kun­den­stamms geleis­tet zu haben. Die Wirk­lichkeit sieht indes oft anders aus: es sind die Freiberu­fler, die durch ihre Leis­tung und ihren engen Kon­takt zum Kun­den dafür sor­gen, dass der Kunde auch Kunde bleibt. Sie sind der Erfol­gs­garant für Anschlus­saufträge. Ger­ade weil die Ver­mit­tler nach der Erstakquise ihre Tätigkeit häu­fig auf die der Rech­nungsstel­lung beschränken, wollen die Kun­den den Freiberu­fler und sein Know-How lieber direkt unter Ver­trag nehmen.

 

Um eines klarzustellen: wer sich auf die Unwirk­samkeit ein­er Klausel beruft, sei es wegen der Anwend­barkeit von § 74 HGB (Karen­zentschädi­gung) oder aus anderen Grün­den, der macht nur von der Möglichkeit Gebrauch, die ihm die Rechtssprechung (die sich wiederum nach dem Gesetz zu richt­en hat) eröffnet. Nie­mand ist verpflichtet, auch nicht moralisch, sich an Verträge zu hal­ten, denen Gesetz und Gerichte die Wirk­samkeit ver­sagen. Umgekehrt kann es aber moralisch vor­w­erf­bar sein, die Auf­tragserteilung an solche Bedin­gun­gen zu knüpfen, deren Unwirk­samkeit dem Auf­tragge­ber bewusst sein muss. Das Durch­set­zen solch­er Ver­tragsklauseln ist objek­tiv nur solange möglich, wie die Ver­mit­tler wegen der all­ge­mein eher dün­nen Auf­tragslage in der stärk­eren Posi­tion sitzen.

Zur Rechtssprechung der Instanzgerichte

Kaum wird in der Fach­presse über die Entschei­dung des LG München vom 08.03.2005 (Az. 3 O 14727/03) berichtet, ist ein weit­eres Urteil des­sel­ben Gerichts, gefällt aber von ein­er anderen Kam­mer, zu erläutern. Am 15.12.2005 hat das Landgericht der Hon­o­rark­lage eines Freiberu­flers vol­lum­fänglich stattgegeben, gegen dessen Vergü­tungsanspruch mit einem ver­meintlichen Ver­tragsstrafe­nanspruch aufgerech­net wor­den war. Das Ober­lan­des­gericht München hat die Beru­fung der Beklagten am 03.07.2006 zurück­gewiesen und das erstin­stan­zliche Urteil in allen Punk­ten bestätigt. Die Revi­sion zum BGH wurde nicht zuge­lassen.
Wesentlich­er Stre­it­punkt war auch hier die Frage, ob und inwieweit der Fall dem der BGH Entschei­dung vom 10.04.2003 (vgl. NJW 2003, 1864) zugrunde liegen­den Sachver­halt ver­gle­ich­bar war. Nach den Fest­stel­lun­gen des Gerichts lag der Fall sehr ähn­lich, ins­beson­dere war der Freiberu­fler schon im fün­ften Jahr für den Auf­tragge­ber tätig und durchge­hend beim sel­ben Kun­den einge­set­zt.
Das Gericht erk­lärte die ver­tragsstrafen­be­währte Kun­den­schutzvere­in­barung wegen Fehlens ein­er Karen­zentschädi­gung entsprechend § 74 HGB für unwirk­sam, denn dass nachver­tragliche Wet­tbe­werb­sver­bot war trotz zeitlich­er Ein­schränkung auf weniger als 1 Jahr und sein­er Beschränkung auf einen Kun­den von so „ein­schnei­den­der Bedeu­tung“, dass ein nur durch Karen­zentschädi­gung aus­gle­ich­bares Schutzbedürf­nis angenom­men wurde.
Dabei blieb außer Betra­cht, dass der Kläger Zeit und Ort sein­er Arbeit for­mal frei bes­tim­men kon­nte und stun­den­weise bezahlt wurde. Entschei­dend war, dass er durch seine Arbeit für den End­kun­den voll aus­ge­lastet war und somit keine Aufträge von Drit­ter Seite annehmen kon­nte. Das Gericht stellte fest, dass die wöchentliche Arbeit­szeit im Durch­schnitt weit über 40 Stun­den pro Woche betrug, ohne dass hier Urlaubs- und Krankheit­szeit­en Berück­sich­ti­gung gefun­den hät­ten. Fern­er wurde berück­sichtigt, dass der Freiberu­fler weit­ge­hend in die Betrieb­sorgan­i­sa­tion des End­kun­den einge­bun­den war. Dies machte das Gericht ins­beson­dere daran fest, dass der Freiberu­fler die Arbeit­en in den Räu­men des End­kun­den aus­führte und somit die dort üblichen Arbeit­szeit­en zu berück­sichti­gen hat­te.

 

Fern­er stellte das Gericht auf­grund der langjähri­gen Tätigkeit in ein und dem sel­ben Fach­bere­ich einen hohen Spezial­isierungs­grad fest, der sein wesentlich­es wirtschaftlich­es Poten­tial aus­machte. Auch darin sah das Gericht ein Indiz dafür, dass der Kläger bei Sper­rung dieses Kun­den auf dem freien Markt nicht die sel­ben Chan­cen haben würde, wie solche Kol­le­gen, die über die Jahre für ver­schiedene Kun­den arbeit­en kön­nen.
Die Beklagte hat­te ins­beson­dere einge­wandt, der Kläger sei auf­grund seines rel­a­tiv hohen Einkom­mens nicht sozial schutzbedürftig. Diesem Argu­ment hat das Gericht eine deut­liche Absage erteilt. Das Einkom­men sei kein „auss­chlaggeben­des Kri­teri­um für die wirtschaftliche Abhängigkeit“. Der Ver­di­enst sei unter anderem Folge des hohen Spezial­isierungs­grad des Klägers, der ihn für den Kun­den ger­ade uner­set­zbar mache und eine hohe Vergü­tung recht­fer­tige. Dieses spezielle know-how ließe sich jedoch ger­ade nicht immer auf andere Kun­den über­tra­gen. Zudem nahm das Gericht Rück­sicht darauf, dass sich das Einkom­men eines freien Mitar­beit­ers nicht 1:1 mit dem eines Angestell­ten ver­gle­ichen lässt; daran fehlt es an ein­er Lohn­fortzahlung im Krankheits- oder Urlaub­s­fall, fehlen­der Absicherung gegen Arbeit­slosigkeit, Schä­den, Erwerb­sun­fähigkeit etc., die selb­st ver­sichert wer­den müssen. Hinzu kommt das Risiko des Auf­tragsaus­falls, dem ein Freiberu­fler im Gegen­satz zum Angestell­ten ungle­ich stärk­er aus­ge­set­zt ist.

Fazit

Die Diskus­sion bleibt lebendig. Gle­ich­wohl kann gesagt wer­den, dass das Urteil des BGH aus 2003 dahin gehend Klarheit gebracht hat, dass eine wirtschaftliche Abhängigkeit auf­grund der Beschäf­ti­gungs­dauer und des Spezial­isierungs­grades angenom­men wer­den kann, wenn nicht gar muss.

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