Lieferkettensorgfaltspflichten 2024: Arbeitsrechtliche Anforderungen an Großunternehmen

© Kalyakan/stock.adobe.com
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Spätestens jet­zt müssen Unternehmen mit über 1.000 Mitar­beit­ern ihre Liefer­ket­ten mit Blick auf Men­schen­rechte und Umweltschutz genau überwachen. Erfahren Sie in diesem Blog-Beitrag, welche Schutzgüter im Arbeit­srecht betrof­fen sind, wie sich das Gesetz auf indi­vidu­elle Arbeitsver­hält­nisse auswirkt und welche Rechte und Pflicht­en Wirtschaft­sauss­chuss und Betrieb­srat bekom­men.

Seit Anfang des Jahres gel­ten auch für deutsche Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeit­nehmern ver­stärk­te Verpflich­tun­gen hin­sichtlich der Überwachung ihrer Liefer­ket­ten im Hin­blick auf Men­schen­rechte und Umweltschutz. Diese Entwick­lung birgt auch arbeit­srechtliche Imp­lika­tio­nen, die Unternehmen und Per­son­alver­ant­wortlichen berück­sichti­gen müssen.

Das Liefer­ket­ten­sorgfalt­spflicht­enge­setz (LkSG), das wir – auch in seinen mit­tel­baren Auswirkun­gen auf kleinere Unternehmen – bere­its vorgestellt haben, schützt in § 2 Abs. 2 und 3 LkSG men­schen­rechtliche und umwelt­be­zo­gene Recht­spo­si­tio­nen, die sich unmit­tel­bar auf das Arbeit­sleben beziehen. Hierzu zählen das Ver­bot von Kinder- und Zwangsar­beit, Arbeitss­chutz, Koali­tions­frei­heit, Schutz vor Diskri­m­inierung und die Gewährleis­tung angemessen­er Bezahlung.

Die Auswirkun­gen des LkSG auf indi­vidu­elle Arbeitsver­hält­nisse sind begren­zt. Unternehmen müssen allerd­ings gemäß § 6 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 LkSG klare Erk­lärun­gen zu ihren Erwartun­gen an die Mitar­beit­er bezüglich Men­schen­recht­en und Umweltschutz abgeben.

Es ist dur­chaus sin­nvoll, Mitar­beit­er per­sön­lich zur Ein­hal­tung der LkSG-Vorschriften zu verpflicht­en. Allerd­ings muss dies nicht zwangsläu­fig in jedem einzel­nen Ver­trag mit den Mitar­beit­ern detail­liert fest­ge­hal­ten wer­den. Stattdessen kön­nten interne Unternehmen­srichtlin­ien, Hand­büch­er oder Leit­fä­den erstellt oder angepasst wer­den, um die rel­e­van­ten Bes­tim­mungen des LkSG zu kom­mu­nizieren. Eine solche Richtlin­ie kön­nte beispiel­sweise all­ge­meine Ver­hal­tens­grund­sätze enthal­ten, die das Unternehmen zur Ein­hal­tung der Men­schen­rechts­stan­dards und gegen Zwangsar­beit verpflicht­en.

 

Was der Wirtschaft­sauss­chuss jet­zt wis­sen muss

Auch im Bere­ich des Kollek­ti­var­beit­srechts hat das LkSG Auswirkun­gen. So ändert sich mit sein­er Ein­führung die Pflicht zur Infor­ma­tion des Wirtschaft­sauss­chuss­es. Die Vorschrift des § 106 Abs. 3 BetrVG wird um eine Nr. 5 lit. b) erweit­ert, zukün­ftig muss der Wirtschaft­sauss­chuss  nun auch über Fra­gen der unternehmerischen Sorgfalt­spflicht­en in den Liefer­ket­ten frühzeit­ig und umfassend informiert wer­den. Die Infor­ma­tion­sweit­er­gabe erfol­gt wie gewohnt durch Vor­lage der erforder­lichen Unter­la­gen (§ 106 Abs. 2 S. 2 BetrVG).

Der genaue Umfang und die Reich­weite dieser Infor­ma­tion­spflicht sind noch nicht ein­deutig gek­lärt. Zwar scheint der weit gefasste Wort­laut zunächst darauf hinzudeuten, dass alle Fra­gen im Zusam­men­hang mit der Umset­zung der Sorgfalt­spflicht­en (§§ 3 – 10 LkSG) erfasst wären. Vieles spricht aber dafür, den Anwen­dungs­bere­ich auf wirtschaftliche Angele­gen­heit­en zu beschränken, die mit den in § 106 Abs. 3 BetrVG genan­nten Beispie­len ver­gle­ich­bar sind. Außer­dem gilt die Infor­ma­tion­spflicht nur, wenn die Inter­essen der Arbeit­nehmer des betr­e­f­fend­en Unternehmens wesentlich betrof­fen sein kön­nen, nicht nur die Inter­essen der Liefer­an­ten (vgl. § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG).

Daher sollte der Wirtschaft­sauss­chuss ins­beson­dere über geplante Investi­tio­nen informiert wer­den. Dazu zählen beispiel­sweise vorge­se­hene Aus­gaben für Schu­lun­gen der Mitar­beit­er zum LkSG oder die Ein­führung eines inter­nen Beschw­erde­v­er­fahrens mit speziellen IT-Lösun­gen. Zudem soll­ten Infor­ma­tio­nen zur konkreten Umset­zung und zu bedarfs­be­zo­ge­nen Aktu­al­isierun­gen bezüglich des Risiko­man­age­ments (§ 4 LkSG), der regelmäßi­gen Risiko­analy­sen (§ 5 LkSG), der Präven­tion­s­maß­nah­men (§ 6 LkSG) und der Abhil­fe­maß­nah­men (§ 7 LkSG) zur Ver­fü­gung gestellt wer­den.

 

Mitbes­tim­mungsrechte des Betrieb­srats

Das LkSG führt keine neuen Mitbes­tim­mungsrechte für den Betrieb­srat ein. Den­noch kön­nen dessen  all­ge­meine Mitbes­tim­mungsrechte bei der Umset­zung der LkSG-Vor­gaben rel­e­vant sein. Arbeit­ge­ber soll­ten vorhan­dene Mitbes­tim­mungsrechte beacht­en, da je nach Sorgfalt­spflicht­en ver­schiedene Rechte des Betrieb­srats rel­e­vant wer­den kön­nen.

Der Betrieb­srat muss frühzeit­ig und umfassend über geplante Maß­nah­men informiert wer­den, die sich auf die Umset­zung der LkSG-Sorgfalt­spflicht­en auswirken. Das soll es ihm ermöglichen, die Ein­hal­tung gel­tender Geset­ze zum Vorteil der Arbeit­nehmer zu überwachen (vgl. § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).

Unternehmen müssen indi­vidu­ell an die Anforderun­gen herange­hen, da die Umset­zung dieser Vor­gaben stark von den Möglichkeit­en des jew­eili­gen Betriebs abhängt. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Regelun­gen in der Prax­is bewähren und inwieweit sie zur Ver­mei­dung von Men­schen­rechtsver­let­zun­gen beitra­gen.

 

Arbeit­srechtliche Umset­zung der Grund­satzerk­lärung

Die Real­isierung der im Ein­klang mit § 6 Abs. 2 LkSG zu erstel­len­den Grund­satzerk­lärung zur Men­schen­rechtsstrate­gie sowie der darin enthal­te­nen Ver­hal­tenser­wartun­gen an die Beschäftigten erfol­gt nicht durch den Pflicht­enkat­a­log des Liefer­ket­tenge­set­zes selb­st. Wesentlich ist dabei, dass der Adres­sat des LkSG nicht die Arbeit­nehmer des Unternehmens sind, son­dern vielmehr das Unternehmen selb­st.

§ 6 Abs. 2 LKSG legt fest, dass die Grund­satzerk­lärung wesentliche Bestandteile enthal­ten muss:

1. Ver­fahrens­beschrei­bung für die Pflichtein­hal­tung:

Die Erk­lärung muss klare Angaben dazu enthal­ten, wie das Unternehmen sich­er­stellt, dass die geset­zlichen Pflicht­en einge­hal­ten wer­den. Hierzu gehört ein Überblick über imple­men­tierte Mech­a­nis­men und Prozesse zu ihrer Ein­hal­tung.

2. Fest­gestellte Risiken im Unternehmen:

Ein wesentlich­er Bestandteil ist die Iden­ti­fizierung und Beschrei­bung der Risiken im Zusam­men­hang mit den Geschäft­stätigkeit­en. Hier­bei geht es um eine trans­par­ente Darstel­lung der poten­ziellen Men­schen­rechtsver­let­zun­gen und Umweltauswirkun­gen.

3. Erwartun­gen des Unternehmens:

Die Erk­lärung muss auch die Erwartun­gen und Ziele des Unternehmens in Bezug auf die Men­schen­rechtsstrate­gie klar for­mulieren. Dies umfasst Stan­dards und Maß­nah­men, die zur Förderung von Men­schen­recht­en und Umweltschutz ergrif­f­en wer­den sollen.

 

Es ist also erforder­lich, einen Ver­hal­tenskodex einzuführen, um eine verbindliche Regelung gegenüber den Arbeit­nehmern zu gewährleis­ten. Dies kann per Direk­tion­srecht des Arbeit­ge­bers, durch arbeitsver­tragliche Vere­in­barung oder über eine Betrieb­svere­in­barung erfol­gen.

Die Imple­men­tierung eines Ver­hal­tenskodex‘ durch den Abschluss ein­er Betrieb­svere­in­barung bietet den Vorteil, dass dabei zahlre­iche der zuvor genan­nten Beteili­gungsrechte des Betrieb­srats berück­sichtigt wer­den kön­nen.

Die Ein­hal­tung dieser Vor­gaben stellt sich­er, dass Unternehmen trans­par­ent und ver­ant­wor­tungs­be­wusst im Bere­ich ihrer Men­schen­rechtsstrate­gie agieren.


Dr. Chris­t­ian Oster­maier ist Part­ner bei SNP Schlaw­ien Part­ner­schaft mbB. Er berät Unternehmen aller Größen, meist mit­tel­ständis­che Unternehmen, sowie deren Gesellschafter in allen Fra­gen des Gesellschaft­srechts, ins­beson­dere auch bei Unternehmen­stransak­tio­nen, und des Arbeit­srechts, hier u.a. zu betrieb­sver­fas­sungsrechtlichen Fra­gen, wie dem Abschluss von Betrieb­svere­in­barun­gen. Daneben berät Dr. Oster­maier lei­t­ende Angestellte, Geschäfts­führer und Vorstände. Er ver­fügt über umfan­gre­iche Erfahrung in den Bere­ichen Biotech­nolo­gie, Soft­ware, Han­del und Ver­sicherun­gen. https://de.linkedin.com/in/ostermaier-christian-898a3027

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Über den autor

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Weihnachtsfeier: Rechte, Pflichten und Konsequenzen für Arbeitgeber

Weihnachtsfeiern bieten eine tolle Gelegenheit, das Jahr in geselliger Runde ausklingen zu lassen und das Team zu stärken. Doch Arbeitgeber müssen auch wichtige arbeitsrechtliche Vorgaben im Blick behalten: Wer muss eingeladen werden? Zählt die Teilnahme als Arbeitszeit? Wie umgehen mit Geschenken - und wie mit Fehlverhalten von Mitarbeitenden?   Alle Restaurants sind längst ausgebucht, die Einladungen sind verschickt, die Teams...

Falscher Firmenstempel bei Kündigungen: Warum formale Fehler für Arbeitgeber kein Risiko sind.

Ein falscher Firmenstempel auf einer Kündigung – und trotzdem wirksam? Das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl zeigt, dass formale Fehler wie der falsche Stempel nicht automatisch zur Unwirksamkeit führen. Aber warum spielt der Stempel eine untergeordnete Rolle und worauf kommt es wirklich an?   Das Arbeitsgericht Suhl hat in einem Urteil vom 14. August 2024 , Az.:  6 Ca 96/24 deutlich...