Lieferkettensorgfaltspflichten 2024: Arbeitsrechtliche Anforderungen an Großunternehmen

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Spä­tes­tens jetzt müs­sen Unter­neh­men mit über 1.000 Mit­ar­bei­tern ihre Lie­fer­ket­ten mit Blick auf Men­schen­rech­te und Umwelt­schutz genau über­wa­chen. Erfah­ren Sie in die­sem Blog-Bei­trag, wel­che Schutz­gü­ter im Arbeits­recht betrof­fen sind, wie sich das Gesetz auf indi­vi­du­el­le Arbeits­ver­hält­nis­se aus­wirkt und wel­che Rech­te und Pflich­ten Wirt­schafts­aus­schuss und Betriebs­rat bekom­men.

Seit Anfang des Jah­res gel­ten auch für deut­sche Unter­neh­men mit mehr als 1.000 Arbeit­neh­mern ver­stärk­te Ver­pflich­tun­gen hin­sicht­lich der Über­wa­chung ihrer Lie­fer­ket­ten im Hin­blick auf Men­schen­rech­te und Umwelt­schutz. Die­se Ent­wick­lung birgt auch arbeits­recht­li­che Impli­ka­tio­nen, die Unter­neh­men und Per­so­nal­ver­ant­wort­li­chen berück­sich­ti­gen müs­sen.

Das Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­ge­setz (LkSG), das wir – auch in sei­nen mit­tel­ba­ren Aus­wir­kun­gen auf klei­ne­re Unter­neh­men – bereits vor­ge­stellt haben, schützt in § 2 Abs. 2 und 3 LkSG men­schen­recht­li­che und umwelt­be­zo­ge­ne Rechts­po­si­tio­nen, die sich unmit­tel­bar auf das Arbeits­le­ben bezie­hen. Hier­zu zäh­len das Ver­bot von Kin­der- und Zwangs­ar­beit, Arbeits­schutz, Koali­ti­ons­frei­heit, Schutz vor Dis­kri­mi­nie­rung und die Gewähr­leis­tung ange­mes­se­ner Bezah­lung.

Die Aus­wir­kun­gen des LkSG auf indi­vi­du­el­le Arbeits­ver­hält­nis­se sind begrenzt. Unter­neh­men müs­sen aller­dings gemäß § 6 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 LkSG kla­re Erklä­run­gen zu ihren Erwar­tun­gen an die Mit­ar­bei­ter bezüg­lich Men­schen­rech­ten und Umwelt­schutz abge­ben.

Es ist durch­aus sinn­voll, Mit­ar­bei­ter per­sön­lich zur Ein­hal­tung der LkSG-Vor­schrif­ten zu ver­pflich­ten. Aller­dings muss dies nicht zwangs­läu­fig in jedem ein­zel­nen Ver­trag mit den Mit­ar­bei­tern detail­liert fest­ge­hal­ten wer­den. Statt­des­sen könn­ten inter­ne Unter­neh­mens­richt­li­ni­en, Hand­bü­cher oder Leit­fä­den erstellt oder ange­passt wer­den, um die rele­van­ten Bestim­mun­gen des LkSG zu kom­mu­ni­zie­ren. Eine sol­che Richt­li­nie könn­te bei­spiels­wei­se all­ge­mei­ne Ver­hal­tens­grund­sät­ze ent­hal­ten, die das Unter­neh­men zur Ein­hal­tung der Men­schen­rechts­stan­dards und gegen Zwangs­ar­beit ver­pflich­ten.

 

Was der Wirt­schafts­aus­schuss jetzt wis­sen muss

Auch im Bereich des Kol­lek­tiv­ar­beits­rechts hat das LkSG Aus­wir­kun­gen. So ändert sich mit sei­ner Ein­füh­rung die Pflicht zur Infor­ma­ti­on des Wirt­schafts­aus­schus­ses. Die Vor­schrift des § 106 Abs. 3 BetrVG wird um eine Nr. 5 lit. b) erwei­tert, zukünf­tig muss der Wirt­schafts­aus­schuss  nun auch über Fra­gen der unter­neh­me­ri­schen Sorg­falts­pflich­ten in den Lie­fer­ket­ten früh­zei­tig und umfas­send infor­miert wer­den. Die Infor­ma­ti­ons­wei­ter­ga­be erfolgt wie gewohnt durch Vor­la­ge der erfor­der­li­chen Unter­la­gen (§ 106 Abs. 2 S. 2 BetrVG).

Der genaue Umfang und die Reich­wei­te die­ser Infor­ma­ti­ons­pflicht sind noch nicht ein­deu­tig geklärt. Zwar scheint der weit gefass­te Wort­laut zunächst dar­auf hin­zu­deu­ten, dass alle Fra­gen im Zusam­men­hang mit der Umset­zung der Sorg­falts­pflich­ten (§§ 3 – 10 LkSG) erfasst wären. Vie­les spricht aber dafür, den Anwen­dungs­be­reich auf wirt­schaft­li­che Ange­le­gen­hei­ten zu beschrän­ken, die mit den in § 106 Abs. 3 BetrVG genann­ten Bei­spie­len ver­gleich­bar sind. Außer­dem gilt die Infor­ma­ti­ons­pflicht nur, wenn die Inter­es­sen der Arbeit­neh­mer des betref­fen­den Unter­neh­mens wesent­lich betrof­fen sein kön­nen, nicht nur die Inter­es­sen der Lie­fe­ran­ten (vgl. § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG).

Daher soll­te der Wirt­schafts­aus­schuss ins­be­son­de­re über geplan­te Inves­ti­tio­nen infor­miert wer­den. Dazu zäh­len bei­spiels­wei­se vor­ge­se­he­ne Aus­ga­ben für Schu­lun­gen der Mit­ar­bei­ter zum LkSG oder die Ein­füh­rung eines inter­nen Beschwer­de­ver­fah­rens mit spe­zi­el­len IT-Lösun­gen. Zudem soll­ten Infor­ma­tio­nen zur kon­kre­ten Umset­zung und zu bedarfs­be­zo­ge­nen Aktua­li­sie­run­gen bezüg­lich des Risi­ko­ma­nage­ments (§ 4 LkSG), der regel­mä­ßi­gen Risi­ko­ana­ly­sen (§ 5 LkSG), der Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men (§ 6 LkSG) und der Abhil­fe­maß­nah­men (§ 7 LkSG) zur Ver­fü­gung gestellt wer­den.

 

Mit­be­stim­mungs­rech­te des Betriebs­rats

Das LkSG führt kei­ne neu­en Mit­be­stim­mungs­rech­te für den Betriebs­rat ein. Den­noch kön­nen des­sen  all­ge­mei­ne Mit­be­stim­mungs­rech­te bei der Umset­zung der LkSG-Vor­ga­ben rele­vant sein. Arbeit­ge­ber soll­ten vor­han­de­ne Mit­be­stim­mungs­rech­te beach­ten, da je nach Sorg­falts­pflich­ten ver­schie­de­ne Rech­te des Betriebs­rats rele­vant wer­den kön­nen.

Der Betriebs­rat muss früh­zei­tig und umfas­send über geplan­te Maß­nah­men infor­miert wer­den, die sich auf die Umset­zung der LkSG-Sorg­falts­pflich­ten aus­wir­ken. Das soll es ihm ermög­li­chen, die Ein­hal­tung gel­ten­der Geset­ze zum Vor­teil der Arbeit­neh­mer zu über­wa­chen (vgl. § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).

Unter­neh­men müs­sen indi­vi­du­ell an die Anfor­de­run­gen her­an­ge­hen, da die Umset­zung die­ser Vor­ga­ben stark von den Mög­lich­kei­ten des jewei­li­gen Betriebs abhängt. Es bleibt abzu­war­ten, wie sich die­se Rege­lun­gen in der Pra­xis bewäh­ren und inwie­weit sie zur Ver­mei­dung von Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen bei­tra­gen.

 

Arbeits­recht­li­che Umset­zung der Grund­satz­er­klä­rung

Die Rea­li­sie­rung der im Ein­klang mit § 6 Abs. 2 LkSG zu erstel­len­den Grund­satz­er­klä­rung zur Men­schen­rechts­stra­te­gie sowie der dar­in ent­hal­te­nen Ver­hal­tens­er­war­tun­gen an die Beschäf­tig­ten erfolgt nicht durch den Pflich­ten­ka­ta­log des Lie­fer­ket­ten­ge­set­zes selbst. Wesent­lich ist dabei, dass der Adres­sat des LkSG nicht die Arbeit­neh­mer des Unter­neh­mens sind, son­dern viel­mehr das Unter­neh­men selbst.

§ 6 Abs. 2 LKSG legt fest, dass die Grund­satz­er­klä­rung wesent­li­che Bestand­tei­le ent­hal­ten muss:

1. Ver­fah­rens­be­schrei­bung für die Pflicht­ein­hal­tung:

Die Erklä­rung muss kla­re Anga­ben dazu ent­hal­ten, wie das Unter­neh­men sicher­stellt, dass die gesetz­li­chen Pflich­ten ein­ge­hal­ten wer­den. Hier­zu gehört ein Über­blick über imple­men­tier­te Mecha­nis­men und Pro­zes­se zu ihrer Ein­hal­tung.

2. Fest­ge­stell­te Risi­ken im Unter­neh­men:

Ein wesent­li­cher Bestand­teil ist die Iden­ti­fi­zie­rung und Beschrei­bung der Risi­ken im Zusam­men­hang mit den Geschäfts­tä­tig­kei­ten. Hier­bei geht es um eine trans­pa­ren­te Dar­stel­lung der poten­zi­el­len Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und Umwelt­aus­wir­kun­gen.

3. Erwar­tun­gen des Unter­neh­mens:

Die Erklä­rung muss auch die Erwar­tun­gen und Zie­le des Unter­neh­mens in Bezug auf die Men­schen­rechts­stra­te­gie klar for­mu­lie­ren. Dies umfasst Stan­dards und Maß­nah­men, die zur För­de­rung von Men­schen­rech­ten und Umwelt­schutz ergrif­fen wer­den sol­len.

 

Es ist also erfor­der­lich, einen Ver­hal­tens­ko­dex ein­zu­füh­ren, um eine ver­bind­li­che Rege­lung gegen­über den Arbeit­neh­mern zu gewähr­leis­ten. Dies kann per Direk­ti­ons­recht des Arbeit­ge­bers, durch arbeits­ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung oder über eine Betriebs­ver­ein­ba­rung erfol­gen.

Die Imple­men­tie­rung eines Ver­hal­tens­ko­dex‘ durch den Abschluss einer Betriebs­ver­ein­ba­rung bie­tet den Vor­teil, dass dabei zahl­rei­che der zuvor genann­ten Betei­li­gungs­rech­te des Betriebs­rats berück­sich­tigt wer­den kön­nen.

Die Ein­hal­tung die­ser Vor­ga­ben stellt sicher, dass Unter­neh­men trans­pa­rent und ver­ant­wor­tungs­be­wusst im Bereich ihrer Men­schen­rechts­stra­te­gie agie­ren.


Dr. Chris­ti­an Oster­mai­er ist Part­ner bei SNP Schla­wi­en Part­ner­schaft mbB. Er berät Unter­neh­men aller Grö­ßen, meist mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men, sowie deren Gesell­schaf­ter in allen Fra­gen des Gesell­schafts­rechts, ins­be­son­de­re auch bei Unter­neh­mens­trans­ak­tio­nen, und des Arbeits­rechts, hier u.a. zu betriebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Fra­gen, wie dem Abschluss von Betriebs­ver­ein­ba­run­gen. Dane­ben berät Dr. Oster­mai­er lei­ten­de Ange­stell­te, Geschäfts­füh­rer und Vor­stän­de. Er ver­fügt über umfang­rei­che Erfah­rung in den Berei­chen Bio­tech­no­lo­gie, Soft­ware, Han­del und Ver­si­che­run­gen. https://de.linkedin.com/in/ostermaier-christian-898a3027

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