Microsofts Shared Source 2.0

IT-Recht | 3. November 2005
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An der Schnitt­stel­le zwi­schen IT und Urhe­ber­recht haben sich schon seit vie­len Jah­ren ver­schie­de­ne Lizenz­ty­pen her­aus­ge­bil­det, die alle­samt einen mehr oder min­der offe­nen Umgang mit Source-Code för­dern wol­len. Neben eta­blier­ten Klas­si­kern wie der GPL ste­hen New­co­mer wie die CC-Lizen­zen, Ablei­tun­gen eta­blier­ter Lizenz­ty­pen, etwa die Les­ser GPL und natür­lich gibt es auch unzäh­li­ge Spe­zi­al- und Eigen­schöp­fun­gen: die Klein­staa­te­rei macht auch vor der IT nicht halt.

Ein sol­ches Lizenz­pro­gramm betreibt schon seit meh­re­ren Jah­ren auch Micro­soft unter dem Namen Shared Source. Wie auch vie­le ande­re Unter­neh­men und prak­tisch alle Open-Source-Pro­jek­te über­trieb dabei auch Micro­soft die Dif­fe­ren­zie­rung der ver­schie­de­nen Lizenz­ty­pen: bei über zehn ver­schie­de­nen Shared-Source Vari­an­ten ver­lo­ren sowohl Kon­tri­bu­to­ren wie auch Nut­zer jeg­li­chen Über­blick. Grund genug, das Pro­gramm gründ­lich zu ent­rüm­peln und zu ver­ein­heit­li­chen.

Her­aus­ge­kom­men sind letzt­lich drei sehr kur­ze, ein­fa­che und – wie ich mei­ne – durch­aus sinn­vol­le Lizenz­ty­pen. Der Text der Lizen­zen ist so über­sicht­lich und hand­lich, dass ich auch den­je­ni­gen, wel­chen juris­ti­sche Tex­te übli­cher­wei­se nicht geläu­fig sind, einen Blick in den „Lizenz-Source­code“ emp­feh­len kann.

Die gewis­ser­ma­ßen „kleins­te“ Shared-Source-Lizenz ist die Micro­soft Refe­rence Licen­se. Hier wird ledig­lich erlaubt, den Source Code für inter­ne Zwe­cke zu ver­viel­fäl­ti­gen und ein­zu­se­hen. Das klingt nach nicht viel, ist in der Sache aber eine gan­ze Men­ge: immer­hin kön­nen die Lizenz­neh­mer so die Funk­ti­ons­wei­se des auf die­se Wei­se ver­füg­ba­ren Codes ver­ste­hen, es wird also Trans­pa­renz her­ge­stellt. Vor allem aber kön­nen eige­ne Pro­gram­me ohne gro­ßen Auf­wand inter­ope­ra­bel gestal­tet wer­den. Und dies ohne den Rück­griff auf die – in Ein­zel­nen ja doch wie­der ris­kan­ten – erlaub­ten Mög­lich­kei­ten der Dekom­pi­lie­rung nach § 69e UrhG.

Etwas wei­ter geht die Micro­soft Com­mu­ni­ty Licen­se. Der hier­un­ter lizen­zier­te Code darf wei­ter­ver­brei­tet und bear­bei­tet wer­den. Dabei funk­tio­niert die Lizenz aber rezi­prok oder viral, ver­langt also, dass Bear­bei­tun­gen wie­der unter die­sel­be Lizenz gestellt wer­den. Ziel dabei ist es expli­zit, einen der GNU-Lizenz ver­gleich­ba­ren Lizenz­typ zu schaf­fen, der die Zusam­men­ar­beit grö­ße­rer, nur lose orga­ni­sier­ter Ent­wick­ler-Com­mu­ni­ties ermög­licht.

Am Wei­tes­ten geht die Micro­soft Per­mis­si­ve Licen­se. Hier darf der Nut­zer mit dem unter die­sem Lizenz­typ ver­füg­ba­ren Code prak­tisch alles anstel­len. Er darf den Code anse­hen, ändern, ver­brei­ten und auch ver­kau­fen. Vira­le oder rezi­pro­ke Ele­men­te ent­hält die Lizenz nicht.

Lizenz­ty­pen sind natür­lich nur eine Mög­lich­keit, bestimm­te Inhal­te zu bestimm­ten Bedin­gun­gen zu ver­brei­ten. Ob und inwie­weit die­se Mög­lich­kei­ten auch genutzt wer­den, muss sich erst noch zei­gen. Mit ande­ren Wor­ten: die Ver­ein­fa­chung und Ver­ein­heit­li­chung der Lizenz­ty­pen ist zwei­fel­los abso­lut sinn­voll. Wirk­lich nütz­lich wer­den die­se neu­en Werk­zeu­ge aber erst dann, wenn Micro­soft und Drit­te auch tat­säch­lich eif­rig (und zwar deut­lich eif­ri­ger als bis­her) Inhal­te und die­sen neu­en Typen ver­öf­fent­li­chen. Das bleibt anzu­war­ten.

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