Nach 3 Jahren schuldenfrei! Neues Gesetz bei Insolvenz

Insolvenzrecht | 19. August 2020
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Wirt­schafts­kri­se, Arbeits­lo­sig­keit, Coro­na, und Schul­den ohne Ende? Ich habe trotz­dem eine gute Nach­richt für Sie. Ab dem 1.10.2020 gilt vor­aus­sicht­lich ein neu­es Gesetz durch das Sie schon nach 3 Jah­ren schul­den­frei sind.

Wirtschaftliche Krisen können jeden treffen

Über 7 Mil­lio­nen Haus­hal­te und dop­pelt so vie­le Ein­zel­per­so­nen sind in Deutsch­land plei­te. Schul­den ent­ste­hen durch Mie­ten, Online-Geschäf­te, Kre­di­te, Bürg­schaf­ten und Unter­neh­mer­schul­den. Fach­leu­te sagen vor­aus, dass durch Coro­na die Zahl der Über­schul­de­ten 2020 und 2021 deut­lich anstei­gen wird.

Neues Gesetz verkürzt die Restschuldbefreiung von 6 auf 3 Jahre

Anfang Juli 2020 wur­den auf­grund einer EU-Vor­ga­be von der Bun­des­re­gie­rung wich­ti­ge Ände­run­gen der Insol­venz­re­geln beschlos­sen. Am 09.09.2020 ent­schei­det dar­über dann der Bun­des­tag. Die neu­en Regeln brin­gen für Über­schul­de­te Ver­bes­se­run­gen, aber auch Ein­schrän­kun­gen.

Bis­her dau­ert ein Schul­den­er­lass 6 Jah­re. Das ist zu lang. Um die Schul­den­frei­heit zu beschleu­ni­gen, wird War­te­zeit jetzt stark ver­kürzt. Über­schul­de­te. die ab dem 1.10.2020 Insol­venz anmel­den, sind bereits nach 3 Jah­ren ihre Schul­den los. Und das ohne Min­dest­be­trä­ge zah­len zu müs­sen. Wer vor­her noch zum Insol­venz­ge­richt geht, muss rund 5 anstel­le der frü­he­ren 6 Jah­re war­ten.

Über­schul­de­te, die bereits einen Antrag gestellt haben, aber noch nicht im Insol­venz­ver­fah­ren sind, soll­ten ihn jetzt zurück­neh­men. Ab dem 1.10.2020 kön­nen sie ihn dann erneut stel­len. Nur dann gilt die kur­ze 3jährige War­te­zeit zur Schul­den­frei­heit. Der Ein­zel­fall soll­te natür­lich vor­her mit einem Insol­venz­spe­zia­lis­ten bespro­chen wer­den.

Gilt für UnternehmerInnen und VerbraucherInnen

Die neue Rege­lung unter­schei­det nicht zwi­schen akti­ven oder ehe­ma­li­gen Unter­neh­me­rIn­nen und Ver­brau­che­rIn­nen. Bei­de Per­so­nen­grup­pen wer­den nach 3 Jah­ren schul­den­frei. Ver­brau­che­rIn­nen müs­sen aller­dings nach wie vor ver­su­chen, sich vor dem Antrag erst außer­ge­richt­lich zu eini­gen. Unter­neh­me­rIn­nen kön­nen gleich den Antrag stel­len.

Als Ver­brau­che­rIn gilt man, wenn die Ver­mö­gens­ver­hält­nis­se über­schau­bar sind oder wenn kei­ne gewerb­li­che Tätig­keit vor­liegt. Den vor­he­ri­gen Eini­gungs­ver­such für Ver­brau­che­rIn­nen beschei­ni­gen Schuld­ner­be­ra­tungs­stel­len. Doch die sind über­lau­fen und es dau­ert lan­ge bis zu einem Ter­min. Meist wird nur bei ein­fa­chen Fäl­len gehol­fen. Wird es kom­pli­ziert, wird man ohne­hin zum Anwalt ver­wie­sen. Wer schnel­le und effi­zi­en­te Hil­fe braucht, geht daher gleich zum Fach­mann.

Kein Schuldenerlass ohne Pflichten

Es gibt aber auch Pflich­ten im Insol­venz­ver­fah­ren. Zum Bei­spiel müs­sen sie wei­ter­hin arbei­ten oder sich zumin­dest dar­um bemü­hen. Ver­mö­gen darf natür­lich nicht ver­schwie­gen wer­den.

Leichtsinnige Schulden vermeiden

Gesetz­li­che Ver­schär­fun­gen kamen hin­zu. Erb­schaf­ten, Schen­kun­gen und Lot­to­ge­win­ne müs­sen sie jetzt voll­stän­dig ab geben. Und das Insol­venz­ge­richt kann den Schul­den­er­lass sogar ver­wei­gern, wenn in den 3 Jah­ren unver­nünf­tig hohe neue Schul­den gemacht wer­den. Die­se Rege­lung wird von Fach­krei­sen kri­ti­siert, da nicht klar umris­sen ist, wann Schul­den unan­ge­mes­sen sei­en.

Nächste Restschuldbefreiung erst nach 11 Jahren

Ist man dann schul­den­frei, ist die nächs­te Rest­schuld­be­frei­ung erst wie­der nach 11 Jah­ren erlaubt. Vor­her waren es nur 10 Jah­re. Die Ver­fah­rens­dau­er beträgt dann aller­dings 5 und nicht nur 3 Jah­re bis die Schul­den weg sind. Mit der lan­gen Zwangs­pau­se soll ver­hin­dert wer­den, dass absicht­lich Schul­den gemacht wer­den, um sie schnell wie­der erlas­sen zu bekom­men. Ver­brau­cher­schüt­zer fin­den die Zwangs­pau­se zu lang und sehen in ihr eine unnö­ti­ge Bestra­fung.

Wirtschaft kritisiert frühe Restschuldbefreiung

Wirt­schafts­ver­bän­de sehen das Gesetz kri­tisch. Für sie wer­den die Schul­den zu früh erlas­sen. Dar­un­ter lei­det die Zah­lungs­mo­ral und das unbe­schwer­te Schul­den­ma­chen wird erleich­tert.

Für Verbraucherschützer gibt es keine absichtliche Verschuldung

Für Ver­brau­cher­schüt­zer ist die­ses Men­schen­bild von Über­schul­de­ten ver­al­tet und wis­sen­schaft­lich wider­legt. Die Angst vor einem Ver­fall der Zah­lungs­mo­ral ist eine Ver­mu­tung ohne Fak­ten­grund­la­ge. Schließ­lich ist die Kre­dit­rück­zah­lungs­quo­te laut SCHUFA mit fast 98 Pro­zent sehr hoch. Mit feh­len­der Zah­lungs­mo­ral habe eine Plei­te ohne­hin nichts zu tun. Schul­den kom­men durch Arbeits­lo­sig­keit, Krank­heit, Tren­nungs­fol­gen oder geschei­ter­te beruf­li­che Selbst­stän­dig­keit. Dass Men­schen mut­wil­lig Schul­den machen, um sich anschlie­ßend durch ein Insol­venz­ver­fah­ren davon zu befrei­en, gilt bei Ver­brau­cher­schüt­zern als rea­li­täts­fern. Die Befris­tung des Geset­zes für Ver­brau­che­rIn­nen sei unso­zi­al, da es die wirt­schaft­lich Schwächs­ten betref­fe.

Zur Corona Pandemie das richtige Gesetz

Gegen die Beden­ken der Wirt­schaft setz­te sich die Bun­des­re­gie­rung mit dem alles in allem ver­brau­cher­freund­li­chen Gesetz durch und folg­te den Ver­brau­cher­schüt­zern. Gera­de hin­sicht­lich des zu erwar­ten­den Anstiegs der Über­schul­dun­gen im Zug der Coro­na-Pan­de­mie kommt es damit genau zur rich­ti­gen Zeit.

Rechts­an­walt Ulrich Weber, SNP Schla­wi­en Ber­lin

Lei­ter der Fach­ab­tei­lung Restruk­tu­rie­rung Sanie­rung und Insol­venz der bun­des­wei­ten Kanz­lei SNP Schla­wi­en Part­ner­schaft mbB, Dozent an der Ver­wal­tungs­aka­de­mie Ber­lin

Co-Autor Anwalts­hand­buch Miet­recht, Miet­recht in der Insol­venz, Lüt­zen­kir­chen, Otto-Schmidt-Ver­lag

Bei­trags­bild: Pix­a­bay

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