Über einen interessanten Fall auf dem Gebiet der Buchpreisbindung hatte das OLG München zu entscheiden, das Urteil (vom 3.8.2006, AZ 6 U 1645/06, es gibt um die Berufung in einer Verfügungssache) wurde uns in der letzten Wochen zugestellt. Unseres Erachtens sollte die Entscheidung weitreichende Folgen haben, da über einen Sachverhalt entschieden wurde, der in ähnlicher Weise vielfältig – und in steigender Anzahl – am Markt zu finden ist.
Da Preisbindungsrecht eher eine Spezialmaterie darstellt vielleicht zwei, drei Sätze zur Einführung.
Nach deutschem Recht sind Verleger oder Importeure von Büchern verpflichtet, für den Verkauf dieser Werke einen Preis festzusetzen. Wer gewerbs- oder geschäftsmäßig neue Bücher an Letztabnehmer (das sind wir, die Leser) verkauft, muss diesen festgesetzten Preis einhalten. Die Preisbindung besteht im Regelfall mindestens 18 Monate. In dieser Zeit kann der Preis also nicht hinauf- oder herabgesetzt werden.
Das ist natürlich nicht jedem recht: einige Marktteilnehmer versuchen durchaus, sich durch besonders günstige Angebote von der Konkurrenz abzusetzen. Die Preisbindung wird hier gern ausgehebelt, was in gewissen Grenzen auch völlig legitim und vor allem legal ist. Möglich ist etwa, ein Buch in verschiedenen Ausgaben und Ausstattungen auf verschiedenen Vertriebswegen zu vertreiben. „Klassisch“ ist etwa der Fall der Buchclubausgabe, bei der ein Werk, das im regulären Buchhandel erhältlich ist in einer etwas geringeren Ausstattung (etwa: kein Schutzumschlag, kleineres Format etc.) im Rahmen eines Buchclubs an die Mitglieder zu einem deutlich reduzierten Preis vertrieben wird.
Das funktioniert durchaus auch außerhalb von Buchclubs. In jedem Fall müssen aber der Preis des „ursprünglichen“ Werkes und derjenige der Parallelausgabe in einem angemessenen Verhältnis stehen. Kriterien für die Angemessenheit sind der Ausstattungsunterschied, der Abstand der Erscheinungstermine und ob – im Rahmen eines Klubs – eine Abnahmeverpflichtung der Mitglieder vorliegt.
Diese Kriterien hatte die Verfügungsbeklagte im Fall aber nicht beachtet. Sie hatte einen Bildband verlegt und im regulären Buchhandel vertrieben. Etwa drei Monate nach dem Erscheinungstermin des ursprünglichen Werkes legte sie eine zweite Ausgabe dieses Werkes auf, die sich lediglich in Details von der ursprünglichen Ausgabe unterschied: der Umschlag des alten Werkes hatte einen Papiereinband, der des neuen Werkes war laminiert; zudem wurden einige unmaßgebliche Änderungen an der grafischen Gestaltung des Einbandes vorgenommen. Im Weiteren waren die Werke aber in Druck, Text, Bildern, Ausstattung etc. identisch. Dennoch wurde das zweite Werk exklusiv über die Filialen von „Weltbild“ zu einem Preis vertrieben, der rund 40% unter dem Preis des ursprünglichen Werkes lag.
Die Verfügungsklägerin war der Ansicht, die beiden Werke unterschieden sich nur so marginal, dass in der Sache kein Ausstattungsunterschied vorläge, der einen wir auch immer gearteten Preisunterschied rechtfertige: es läge in der Sache nur „ein“ Werk vor, das zweigleisig vertrieben würde. Das aber sei unzulässig: beide Werke müssten zum selben – dem gebundenen – Preis angeboten werden.
Dieser Argumentation folgte das OLG München. Interessant ist das aus einer Reihe von Gründen.
Zum einen ist OLG-Rechtsprechung zum Preisbindungsgesetz nach wie vor durchaus rar gesät, das Urteil daher schon hilfreich. Weiterhin stellt die Entscheidung in erfrischender Deutlichkeit klar, dass rein kosmetische Ausstattungsunterschiede zwischen zwei Ausgaben eines Werkes nicht ausreichen, um einen Preisunterschied zu begründen. Vor allem aber betrifft die Entscheidung konkret zwar einen Einzelfall, der aber als archetypisches Beispiel für eine Vielzahl von vergleichbaren Gestaltungen dienen kann.
Eine Anmerkung sei mir allerdings zur Preisbindung allgemein gestattet: man kann dieses Institut mit guten Gründen für überflüssig oder sogar schädlich halten. Die Preisbindung ist anerkanntermaßen ein sehr schwerwiegender Eingriff in das Spiel der Kräfte des freien Marktes. Ob dies gerechtfertigt ist darf bezweifelt werden. Das benannte Ziel des Preisbindungsgesetzes — der Erhalt eines dichten Netzes von Buchhandlungen auch im ländlichen Raum, um das Kulturgut Buch allgemein verfügbar zu machen — mutet im Zeitalter des Internets (das PreisbindungsG trat 2002 in Kraft) seltsam anachronistisch an und steht auf wohl mit der Förderung der Steinkohle auf einer ideellen Stufe. Zumal die Prämisse vom „Buch als Kulturgut“ für die übergroße Masse gerade von Sachbüchern angezweifelt werden darf.
Das ändert aber nicht daran, dass das Gesetz, solange es gilt, aus vielen Gründen sehr strikt beachtet werden muss.
Der offensichtlichste Grund ist der, dass Gesetze nun einmal ganz allgemein Beachtung verdienen, gleich, ob man sie für richtig oder falsch hält: anderenfalls gäbe es keine Rechtsordnung, sondern ein anarchisches Gewirr privater Werteordnungen.
Gerade beim Preisbindungsgesetz kommt aber noch ein weiterer Gesichtspunkt hinzu: wenn es nur teilweise beachtet wird, richtet es noch sehr viel mehr Schaden an, als wenn es strikte Durchsetzung findet. Denn Verstöße gegen eine Marktordnung durch einen Marktteilnehmer sind dann besonders schwerwiegend und schädlich, wenn sich alle anderen Teilnehmer an die Ordnung halten (müssen). Sprich: wenn die Buchhändler durch das Preisbindungsgesetz daran gehindert sind, wie alle anderen guten Kaufleute durch Preispolitik der Angebots- und Nachfragesituation Rechnung zu tragen, dann müssen sie in besonderem Maße vor der Konkurrenz der Verlage selbst durch zweigleisigen Vertrieb und Parallelausgaben geschützt werden. Wenn ein Markt schon reguliert wird, dann doch für alle. Es geht nicht an, dass Einzelne sich dem entziehen: der Vorsprung am Markt wird dann nämlich nicht durch besondere kaufmännische Tüchtigkeit, sondern schlicht durch Rechtsbruch erwirkt. Das schadet der Konkurrenz, ohne – wie ja sonst gesunder Wettbewerb – der Allgemeinheit zu nutzen.
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