Pflicht zur Lieferung von Quellcode

IT-Recht | 1. April 2004
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Der BGH hat sich in seinem Urteil vom 16.12.2003, AZ X ZR 129/01 mit der Frage beschäftigt, wann den Unternehmer im Rah­men eines Werkver­trages, der die Her­stel­lung ein­er Indi­vid­u­al­soft­ware bet­rifft, eine Pflicht zur Liefer­ung auch des Quell­codes des erstell­ten Pro­gramms trifft. Die Frage ist von aus­ge­sproch­en­er wirtschaftlich­er Rel­e­vanz, da nur der Quell­code „men­schen-les­bar“ ist und er es erst ermöglicht, ohne größeren Aufwand Änderun­gen und Ergänzun­gen am Pro­gramm vorzunehmen.

In seinem Urteil lässt der BGH keine grundle­gend neue Konzep­tion in der Frage erken­nen, bestätigt aber deut­lich die bere­its bekan­nten Grund­sätze. Danach ist der Quell­code vom Unternehmer nur dann geschuldet, wenn dies zwis­chen den Parteien aus­drück­lich vere­in­bart ist oder sich aus dem Umstän­den ergibt.

Hin­sichtlich der Frage, wann solche Umstände angenom­men wer­den kön­nen, führt der BGH in Übere­in­stim­mung mit der bish­eri­gen Recht­sprechung auch der meis­ten OLGs vor allem drei Kri­te­rien an:

Zum einen die Höhe des vere­in­barten Werk­lohnes. Ist dieser sehr ger­ing kann in der Regel nicht angenom­men wer­den, dass neben der reinen Erstel­lung des Pro­gramms als weit­ere Pflicht auch noch die Her­aus­gabe des Quell­codes geschuldet ist; die Vergü­tung wäre dann unangemessen niedrig.

Weit­er­hin ist zu fra­gen, ob die Soft­ware von Anfang an erkennbar (auch) für die weit­ere Ver­mark­tung an Dritte bes­timmt war. Im diesem Rah­men wer­den ja in aller Regel auch in Zukun­ft Ergänzun­gen und Verän­derun­gen an dem Pro­gramm notwendig wer­den, die ohne Ken­nt­nis des Quell­codes kaum vorgenom­men wer­den kön­nen.

Zulet­zt kann die Frage, ob es für Wartung und ggf. For­ten­twick­lung des Pro­gramms des Zugriffs auf den Quell­code bedarf, ein Indiz sein. Zumin­d­est, wenn der Besteller die Wartung des Pogramms selb­st übernehmen muss, wird er hier­für den Quell­code recht­mäßig fordern dür­fen.

Bei der Anwen­dung dieser Kri­te­rien ist aber jeden­falls zu bedenken, dass viele gewichtige Inter­essen des Unternehmens dage­gen sprechen, eine Pflicht zur Her­aus­gabe des Quell­codes zu leicht­fer­tig zu beja­hen, dieser Code enthält in der Regel Geschäfts­ge­heimnisse oder jeden­falls beson­deres Know-how des Unternehmers. So wer­den die Anforderun­gen an die genan­nten Kri­te­rien denn in der Regel auch sehr hoch ange­set­zt; wirk­liche Rechtssicher­heit lässt sich ohne eine aus­drück­liche und klare ver­tragliche Regelung jeden­falls nicht erzie­len; das zeigt die Vielzahl von Entschei­dun­gen, die teil­weise in jed­er Instanz abwe­ichend beurteilt wur­den.

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