Pflicht zur Lieferung von Quellcode

IT-Recht | 1. April 2004
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Der BGH hat sich in sei­nem Urteil vom 16.12.2003, AZ X ZR 129/01 mit der Fra­ge beschäf­tigt, wann den Unter­neh­mer im Rah­men eines Werk­ver­tra­ges, der die Her­stel­lung einer Indi­vi­du­al­soft­ware betrifft, eine Pflicht zur Lie­fe­rung auch des Quell­codes des erstell­ten Pro­gramms trifft. Die Fra­ge ist von aus­ge­spro­che­ner wirt­schaft­li­cher Rele­vanz, da nur der Quell­code „men­schen-les­bar“ ist und er es erst ermög­licht, ohne grö­ße­ren Auf­wand Ände­run­gen und Ergän­zun­gen am Pro­gramm vor­zu­neh­men.

In sei­nem Urteil lässt der BGH kei­ne grund­le­gend neue Kon­zep­ti­on in der Fra­ge erken­nen, bestä­tigt aber deut­lich die bereits bekann­ten Grund­sät­ze. Danach ist der Quell­code vom Unter­neh­mer nur dann geschul­det, wenn dies zwi­schen den Par­tei­en aus­drück­lich ver­ein­bart ist oder sich aus dem Umstän­den ergibt.

Hin­sicht­lich der Fra­ge, wann sol­che Umstän­de ange­nom­men wer­den kön­nen, führt der BGH in Über­ein­stim­mung mit der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung auch der meis­ten OLGs vor allem drei Kri­te­ri­en an:

Zum einen die Höhe des ver­ein­bar­ten Werk­loh­nes. Ist die­ser sehr gering kann in der Regel nicht ange­nom­men wer­den, dass neben der rei­nen Erstel­lung des Pro­gramms als wei­te­re Pflicht auch noch die Her­aus­ga­be des Quell­codes geschul­det ist; die Ver­gü­tung wäre dann unan­ge­mes­sen nied­rig.

Wei­ter­hin ist zu fra­gen, ob die Soft­ware von Anfang an erkenn­bar (auch) für die wei­te­re Ver­mark­tung an Drit­te bestimmt war. Im die­sem Rah­men wer­den ja in aller Regel auch in Zukunft Ergän­zun­gen und Ver­än­de­run­gen an dem Pro­gramm not­wen­dig wer­den, die ohne Kennt­nis des Quell­codes kaum vor­ge­nom­men wer­den kön­nen.

Zuletzt kann die Fra­ge, ob es für War­tung und ggf. Fort­ent­wick­lung des Pro­gramms des Zugriffs auf den Quell­code bedarf, ein Indiz sein. Zumin­dest, wenn der Bestel­ler die War­tung des Pogramms selbst über­neh­men muss, wird er hier­für den Quell­code recht­mä­ßig for­dern dür­fen.

Bei der Anwen­dung die­ser Kri­te­ri­en ist aber jeden­falls zu beden­ken, dass vie­le gewich­ti­ge Inter­es­sen des Unter­neh­mens dage­gen spre­chen, eine Pflicht zur Her­aus­ga­be des Quell­codes zu leicht­fer­tig zu beja­hen, die­ser Code ent­hält in der Regel Geschäfts­ge­heim­nis­se oder jeden­falls beson­de­res Know-how des Unter­neh­mers. So wer­den die Anfor­de­run­gen an die genann­ten Kri­te­ri­en denn in der Regel auch sehr hoch ange­setzt; wirk­li­che Rechts­si­cher­heit lässt sich ohne eine aus­drück­li­che und kla­re ver­trag­li­che Rege­lung jeden­falls nicht erzie­len; das zeigt die Viel­zahl von Ent­schei­dun­gen, die teil­wei­se in jeder Instanz abwei­chend beur­teilt wur­den.

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Wettbewerbsrecht 16. Februar 2023

BGH zu Affiliate-Marketing: Alles ist schrecklich, aber Amazon haftet trotzdem nicht für seine Partner

Amazon muss nicht für seine Affiliate-Partner haften, entschied der Bundesgerichtshof. Rechtlich ist das Urteil kaum zu beanstanden, aber trotzdem hinterlässt es einen bitteren Nachgeschmack. Eine Einschätzung von Arne Trautmann.  (mehr …)

Crypto 20. Januar 2023

DAO: Die codierte Organisation

Haben Sie schon jemals darüber nachgedacht, was sich hinter dem Begriff „dezentralisierte autonome Organisation“ (DAO) verbirgt und welchen Einfluss die DAO im Alltag hat? Arne Trautmann berichtet aus der Fachwelt.  (mehr …)