BGH zu Probeabos und VDZ-Wettbewerbsregeln

Wettbewerbsrecht | 14. Februar 2006
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Eine hochin­ter­es­sante Entschei­dung hat der BGH zur Frage a) der Möglichkeit zur Ver­gabe von Probe­abon­nements von Zeitschriften und b) zur Verbindlichkeit der VDZ-Wet­tbe­werb­sregeln gefällt. Lei­der ist die Entschei­dung selb­st derzeit noch nicht online erhältlich, man darf sich aber an die offizielle Pressemit­teilung des BGH hal­ten. Jeden­falls die Grundzüge des Urteils sind hier­aus sehr gut erkennbar.

Sehr gern vergeben Zeitschriften­ver­lage für ihre Pro­duk­te Probe­abon­nements zu – gegenüber den reg­ulären Abos und den Preisen im Zeitschriften­han­del – möglichst reduzierten Preisen. Für die Ver­lage sind Abon­nen­ten sehr viel inter­es­san­ter als der Verkauf der Zeitschriften am Kiosk. Bei let­zterem ist die abzuset­zende Auflage schw­er berechen­bar, die Logis­tik ist kom­plex und die Remis­sio­nen sind ärg­er­lich. Naturgemäß hat der Zeitschriften­han­del ent­ge­genge­set­zte Inter­essen: jed­er Abon­nent ist für ihn ein ver­loren­er Kunde.

Zum Aus­gle­ich dieser Inter­essen hat sich der Ver­band Deutsch­er Zeitschrifen­ver­leger die „VDZ-Wet­tbe­werb­sregeln für den Ver­trieb von abon­nier­baren Pub­likum­szeitschriften“ gegeben. Diese wur­den bish­er von der Recht­sprechung zur Aus­fül­lung der Gen­er­alk­lausel des Wet­tbe­werb­srechts herange­zo­gen. Was gegen die VDZ-Wet­tbe­werb­sregeln ver­stieß, das wurde auch als wet­tbe­werb­swidrig ange­se­hen.

Damit dürfte es nun vor­bei sein.

Die Pressemit­teilung des BGH:

Gegen­stand des Rechtsstre­its war eine Wer­beak­tion, mit der der Ver­lag Gruner + Jahr unter der Über­schrift „13 x stern testen, über 40% sparen“ um neue Abon­nen­ten gewor­ben hat­te. Ein Probe­abon­nement für dreizehn Hefte sollte 19 € kosten (ca. 1,46 € pro Heft). Außer­dem wurde jew­eils eine attrak­tive Zugabe (z.B. eine Design­er-Isolierkanne oder eine Arm­ban­duhr) in Aus­sicht gestellt. Die Zeitschrift „stern“ wird im Einzelverkauf zu einem gebun­de­nen Preis von 2,50 €, im Abon­nement zum Preis von 2,30 € pro Heft verkauft.

Dage­gen klagte ein – ein­schlägig auch hier bekan­nter – Zeitschriften­händler und sein Ver­band. Nach sein­er Argu­men­ta­tion war die Werbe­maß­nahme des Ver­lages unzuläs­sig, da nicht kon­form mit den VDZ-Regeln. Diese laut­en im ein­schlägi­gen Absatz:

3. Probe­abon­nements
Kurz­abon­nements zu Erprobungszweck­en („Probe­abon­nements“) sind zuläs­sig, wenn sie zeitlich auf max­i­mal drei Monate begren­zt sind und nicht mehr als 35 Prozent unter dem kumulierten Einzel­heft­preis liegen. Der­ar­tige Probe­abon­nements sind nicht beliebig oft wieder­hol­bar; sie dür­fen nur in ein reg­uläres Abon­nement führen, wenn dies jed­erzeit künd­bar ist.

4. Wer­begeschenke bei Wer­be­ex­em­plaren und Probe­abon­nements
Sachgeschenke als Beloh­nung für die Bere­itschaft zur Erprobung („Wer­begeschenke“) müssen in einem angemesse­nen Ver­hält­nis zum Erprobungsaufwand ste­hen.

In der Tat war die Klage in zwei Instanzen erfol­gre­ich. Dankenswert­er­weise hat das OLG Ham­burg in seinem Urteil vom 9. Juli 2004, AZ 5 U 181/03 (veröf­fentlich in AfP 2005, 180) die Revi­sion zum BGH zuge­lassen. Der stutzte nun die VDZ-Regeln auf das Maß zurück, das ihnen zukommt. Er sieht in ihnen eben eine Branchenübereinkun­ft, aber kein Gesetz. Stattdessen rück­te er die wirtschaftlichen Inter­essen der Ver­lage in den Mit­telpunkt sein­er Betra­ch­tung:

Er (der BGH, d.A.) ist davon aus­ge­gan­gen, dass es den Zeitschriften­ver­legern trotz der Bindung der Einzelverkauf­spreise nicht ver­wehrt sei, die Ver­trieb­ss­chiene des Abon­nements gegenüber der Ver­trieb­ss­chiene des Einzelverkaufs zu fördern, zumal nicht dar­ge­tan sei, dass Probe­abon­nements der in Rede ste­hen­den Art zu einem deut­lichen Rück­gang des Einzelverkaufs führten. Der Abon­nementver­trieb sei für die Zeitschriften­ver­leger aus kaufmän­nis­ch­er Sicht ein­deutig vorzugswürdig. Daher liege die beson­dere Förderung dieser Ver­trieb­ss­chiene nahe. Sie könne dem Ver­leger wed­er auf­grund ein­er Rück­sicht­nah­mepflicht im Rah­men der Preis­bindungsvere­in­barung noch aus kartell- oder lauterkeit­srechtlichen Grün­den unter­sagt wer­den. Die Wet­tbe­werb­sregeln des Zeitschriften­ver­legerver­ban­des kön­nten nur als Empfehlung wirken; aus ihnen seien jedoch wed­er ver­tragliche noch geset­zliche Pflicht­en abzuleit­en. Die Anerken­nung der Wet­tbe­werb­sregeln durch das Bun­deskartel­lamt ver­lei­he ihnen keine amtliche Qual­ität, son­dern schließe nur ein kartell­rechtlich­es Ver­fahren gegen den Ver­band aus.

Kurz gefasst heißt das: auch im Ver­lags­gewerbe darf man kaufmän­nisch han­deln. Wet­tbe­werb­sregeln mögen einen Anhalt­spunkt für die Aus­fül­lung der wet­tbe­werb­srechtlichen Gen­er­alk­lauseln bieten, ent­binden das Gericht aber nicht von ein­er Prü­fung im Einzelfall.

Wenn das schon für den Han­del mit Ver­lagspro­duk­ten mit seinen star­ren Regeln (Stich­wort: Preis­bindung) gilt, dann dürfte das Urteil auf andere Branchen mit ver­gle­ich­baren Wet­tbe­werb­sregeln erst recht anwend­bar sein.

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