Selfies und das Recht am eigenen Bild: Was nach dem Welt-Selfie-Tag bleibt

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Datenschutz | 26. Juni 2025
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Am 21. Juni war Welt-Sel­fie-Tag – ein Akti­ons­tag, der sich mitt­ler­wei­le fest in den sozia­len Netz­wer­ken eta­bliert hat. Mil­lio­nen Men­schen nutz­ten die Gele­gen­heit, um Selbst­por­träts aus Urlaub, All­tag oder dem Berufs­le­ben zu pos­ten. Dabei wird jedoch häu­fig über­se­hen: Vie­le die­ser Bil­der zei­gen nicht nur das eige­ne Gesicht, son­dern auch Kol­le­gen, Frem­de, Kin­der oder mar­kan­te Orte. Aus recht­li­cher Sicht han­delt es sich dabei nicht um harm­lo­se Schnapp­schüs­se, son­dern um poten­zi­el­le Aus­lö­ser für Unter­las­sungs­an­sprü­che, daten­schutz­recht­li­che Beschwer­den oder Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen.

 

Ein Rück­blick auf den Sel­fie-Tag 2025 gibt Anlass, die recht­li­chen Grund­la­gen und Risi­ken im Umgang mit Sel­fies – ins­be­son­de­re deren Ver­öf­fent­li­chung – sys­te­ma­tisch zu beleuch­ten.

 

Ver­öf­fent­li­chung von Sel­fies: Was juris­tisch zählt

Ein Sel­fie wird in dem Moment recht­lich rele­vant, in dem es mit ande­ren Per­so­nen geteilt oder öffent­lich zugäng­lich gemacht wird. Ent­schei­dend ist dabei nicht, ob das Bild pri­vat gemeint war, son­dern ob es Drit­ten zugäng­lich gemacht wur­de – etwa durch einen Post auf Insta­gram, Tik­Tok oder Lin­ke­dIn. Auch inner­halb geschlos­se­ner Grup­pen oder Whats­App-Chats kann unter Umstän­den bereits eine „Ver­brei­tung“ im Sin­ne des Geset­zes vor­lie­gen.

Im Mit­tel­punkt steht § 22 Kunst­ur­he­ber­ge­setz (Kunst­UrhG), der das soge­nann­te „Recht am eige­nen Bild“ schützt. Danach gilt: Bild­nis­se dür­fen grund­sätz­lich nur mit Ein­wil­li­gung der abge­bil­de­ten Person(en) ver­öf­fent­licht wer­den.

Das betrifft nicht nur Fotos, auf denen Per­so­nen deut­lich im Vor­der­grund ste­hen. Auch im Hin­ter­grund erkenn­ba­re Gesich­ter – etwa auf Kon­zer­ten, am Arbeits­platz oder in Restau­rants – rei­chen aus, um eine Ein­wil­li­gung erfor­der­lich zu machen. Die Gerich­te stel­len dabei kon­se­quent auf die Erkenn­bar­keit aus Sicht des sozia­len Umfelds ab.

 

Wann ist eine Ein­wil­li­gung wirk­sam?

Die Ein­wil­li­gung kann aus­drück­lich (münd­lich oder schrift­lich) oder kon­klu­dent (also durch schlüs­si­ges Ver­hal­ten) erfol­gen. Letz­te­res ist juris­tisch nicht ganz unpro­ble­ma­tisch, denn die Anfor­de­run­gen an eine schlüs­si­ge Ein­wil­li­gung sind hoch. Blo­ßes „Dabei­ste­hen“ oder Mit­la­chen bei der Auf­nah­me genügt hier­für nicht. Die Recht­spre­chung ver­langt in der Regel eine akti­ve Mit­wir­kung an der Ent­ste­hung und einen klar erkenn­ba­ren Wil­len zur Ver­öf­fent­li­chung.

Hin­zu kommt: Die Ein­wil­li­gung muss sich auf die kon­kre­te Form der Ver­öf­fent­li­chung bezie­hen. Wer einem pri­va­ten Foto zustimmt, hat damit nicht auto­ma­tisch auch der Ver­öf­fent­li­chung in sozia­len Netz­wer­ken oder auf der Fir­men­web­sei­te zuge­stimmt. Beson­ders pro­ble­ma­tisch sind soge­nann­te „Tag­gings“, also Ver­lin­kun­gen mit Namen oder Pro­fi­len, sowie Kon­tex­te, die nach­träg­lich als ent­wür­di­gend oder irre­füh­rend emp­fun­den wer­den kön­nen.

 

Aus­nah­men von der Ein­wil­li­gungs­pflicht: § 23 Kunst­UrhG

Das Gesetz kennt eini­ge Aus­nah­men, bei denen kei­ne Ein­wil­li­gung nötig ist, gere­gelt in § 23 Abs. 1 Kunst­UrhG. In der Pra­xis spie­len vor allem drei Fall­grup­pen eine Rol­le:

  1. Per­so­nen der Zeit­ge­schich­te – zum Bei­spiel Pro­mi­nen­te bei öffent­li­chen Auf­trit­ten,
  2. Bil­der von Ver­samm­lun­gen oder Auf­zü­gen – zum Bei­spiel bei Demons­tra­tio­nen oder Kon­zer­ten,
  3. Bei­werk zur Land­schaft – wenn Per­so­nen ledig­lich „neben­säch­lich“ auf dem Bild erschei­nen.

Die­se Aus­nah­men wer­den durch § 23 Abs. 2 Kunst­UrhG ein­ge­schränkt: Sobald ein „berech­tig­tes Inter­es­se“ der betrof­fe­nen Per­son ver­letzt wird, ent­fällt die Aus­nah­me. Das gilt etwa bei ent­wür­di­gen­den Zusam­men­hän­gen, unge­woll­ten poli­ti­schen Bezü­gen oder Ein­grif­fen in die Pri­vat­sphä­re.

Fazit: Die Aus­nah­men sind eng aus­zu­le­gen und bie­ten in vie­len All­tags­si­tua­tio­nen kei­ne Rechts­si­cher­heit.

 

Sel­fies mit Kin­dern: beson­ders sen­si­bel

Kin­der und Jugend­li­che ste­hen unter beson­de­rem recht­li­chem Schutz. Die Ver­öf­fent­li­chung von Bil­dern Min­der­jäh­ri­ger ist nur mit Ein­wil­li­gung der Sor­ge­be­rech­tig­ten zuläs­sig.

Zwar erlaubt die DSGVO Jugend­li­chen ab 16 Jah­ren, in bestimm­ten digi­ta­len Kon­tex­ten, eigen­stän­dig ein­zu­wil­li­gen – zum Bei­spiel bei der Nut­zung von Platt­for­men oder Apps. Für die Ver­öf­fent­li­chung durch Drit­te ist jedoch in der Regel wei­ter­hin die Zustim­mung der Eltern erfor­der­lich. Neben dem Kunst­UrhG sind hier­bei ins­be­son­de­re die daten­schutz­recht­li­chen Bestim­mun­gen der DSGVO und des BDSG maß­geb­lich.

 

Sel­fies am Arbeits­platz: Loya­li­täts­pflicht und Mit­be­stim­mung

Ein beson­de­res Risi­ko besteht, wenn Sel­fies im beruf­li­chen Umfeld auf­ge­nom­men wer­den, ins­be­son­de­re, wenn Drit­te auf dem Bild zu sehen sind oder inter­ne Infor­ma­tio­nen erkenn­bar blei­ben.

Dies betrifft ins­be­son­de­re:

  • Kol­le­gen, Kun­den oder Geschäfts­part­ner, deren Ein­wil­li­gung eben­falls erfor­der­lich ist,
  • ver­trau­li­che Arbeits­mit­tel oder Unter­la­gen, die nicht ver­öf­fent­licht wer­den dür­fen,
  • das Erschei­nungs­bild des Arbeit­ge­bers, das durch unüber­leg­te Posts beschä­digt wer­den kann.

Nach der Recht­spre­chung kann bereits die Ver­öf­fent­li­chung betrieb­li­cher Inhal­te ohne Frei­ga­be eine Ver­let­zung der arbeits­ver­trag­li­chen Rück­sicht­nah­me­pflicht dar­stel­len. In vie­len Unter­neh­men wer­den Social-Media-Ver­hal­tens­re­geln durch Betriebs­ver­ein­ba­run­gen mit­be­stimmt, bei Ver­stö­ßen dro­hen eine Abmah­nung oder im Wie­der­ho­lungs­fall sogar eine Kün­di­gung.

 

Unzu­läs­si­ge Ver­öf­fent­li­chung: Die Rechts­fol­gen im Über­blick

Wer Sel­fies mit ande­ren Per­so­nen ohne gül­ti­ge Ein­wil­li­gung ver­öf­fent­licht, ris­kiert:

  • zivil­recht­li­che Unter­las­sungs­an­sprü­che, (nach § 1004 BGB ana­log in Ver­bin­dung mit § 22 Kunst­UrhG),
  • Löschungs- und Besei­ti­gungs­an­sprü­che, gegen­über dem Ver­öf­fent­li­cher und/oder der Platt­form,
  • Scha­dens­er­satz­an­sprü­che, gege­be­nen­falls als fik­ti­ve Lizenz oder für mate­ri­el­le Schä­den,
  • Geld­ent­schä­di­gung, bei schwer­wie­gen­der Ver­let­zung des Per­sön­lich­keits­rechts,
  • daten­schutz­recht­li­che Sank­tio­nen, etwa nach Art. 82 DSGVO oder § 83 BDSG.

Die Gerich­te mes­sen der Fra­ge, ob eine Ein­wil­li­gung vor­lag, gro­ßes Gewicht bei. Die Beweis­last liegt beim Ver­öf­fent­li­chen­den. Daher emp­fiehlt sich eine schrift­li­che oder doku­men­tier­te Zustim­mung – auch bei schein­bar harm­lo­sen Bil­dern.

 

Fazit: Sel­fie-Tag vor­bei, recht­li­che Risi­ken blei­ben

Auch wenn der Welt-Sel­fie-Tag 2025 bereits ver­gan­gen ist: Die recht­li­chen Fra­gen rund um das Recht am eige­nen Bild blei­ben aktu­ell. Die Gren­ze zwi­schen Selbst­dar­stel­lung und Per­sön­lich­keits­ver­let­zung ist oft schmal und von außen nicht immer klar zu erken­nen.

Gera­de in beruf­li­chen Kon­tex­ten, bei Ver­an­stal­tun­gen oder im Umgang mit Kin­dern gilt: Wer Sel­fies ver­öf­fent­licht, trägt Ver­ant­wor­tung und soll­te sorg­fäl­tig prü­fen, ob alle abge­bil­de­ten Per­so­nen zuge­stimmt haben.

Für Unter­neh­men ist es rat­sam, kla­re Social-Media-Richt­li­ni­en zu for­mu­lie­ren und die Beschäf­tig­ten regel­mä­ßig für Fra­gen rund um Bild­rech­te und Daten­schutz zu sen­si­bi­li­sie­ren. Denn bereits ein ein­zi­ges unbe­dach­tes Foto kann schnell zu einem Fall für das Gericht oder die Auf­sichts­be­hör­de wer­den.

 

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