Spionierende Teddybären sind verboten — Aus für die Teddycam

Skurriles | 14. Dezember 2006
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Ken­nen Sie eigentlich die Ted­dy­Cam? Das ist ein Ted­dy­bär, in den Mikro­fon und Kam­era einge­baut wur­den. Das Gerät soll zur Überwachung der lieben Kleinen dienen, als eine Art Video-Babyphon. Die Erfind­ung ist nicht zur nut­z­los (Babyphons gibt es schon) und pein­lich (außer für Voyeure natür­lich), son­dern nach deutschem Recht auch schlicht ille­gal. Entsprechend schließt die stets dien­st­be­flis­sene deutsche Staat­san­waltschaft nicht nur Ver­trieb­skanäle der Geräte hierzu­lande, son­dern jagt auch die Käufer der Ted­dy­Cams.

Irgend­wie hätte man sich als Erwer­ber eines solchen Gerätes ver­mut­lich denken kön­nen, dass die Angele­gen­heit nicht so recht kosch­er ist. Aber warum eigentlich genau und wo steht’s?

Die Frage nach dem Warum ist eigentlich leicht zu beant­worten: wenn Überwachung­stech­nik als Gegen­stand des täglichen Gebrauchs getarnt wird, dann fällt es noch schw­er­er, sie zu erken­nen. Die Gefahr, ohne eigenes Wis­sen Opfer von Überwachungs­maß­nah­men zu wer­den, steigt. Die Hemm­schwelle zum Ein­satz der Tech­nik sinkt im Gegen­zug, denn die Chance des Davonkom­mens ver­größert sich. Das gilt auch für Ted­dy­bären: die kön­nen auch außer­halb des Kinderz­im­mers unverdächtig sein, im Übri­gen dürfte es ger­ade Babys nicht stören, mit einem ganz nor­malem Babyphon aus­ges­tat­tet zu wer­den.

Das Ganze ist in den §§ 148 i.V.m. 90 Telekom­mu­nika­tion­s­ge­setz (TKG) näher geregelt, die neben­bei in ihrer konkreten For­mulierung noch ein Schlaglicht auf die Umtriebigkeit des deutschen Geset­zge­bers wer­fen:

§ 148 TKG — Strafvorschriften
(1) Mit Frei­heitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geld­strafe wird bestraft, wer (…)
2. ent­ge­gen § 90 Abs. 1 Satz 1 eine dort genan­nte Sendean­lage a) besitzt oder b) her­stellt, vertreibt, ein­führt oder son­st in den Gel­tungs­bere­ich dieses Geset­zes ver­bringt.

Der besagte § 90 TKG lautet:

§ 90 TKG — Miss­brauch von Sendean­la­gen

(1) Es ist ver­boten, Sendean­la­gen zu besitzen, herzustellen, zu vertreiben, einzuführen oder son­st in den Gel­tungs­bere­ich dieses Geset­zes zu ver­brin­gen, die ihrer Form nach einen anderen Gegen­stand vortäuschen oder die mit Gegen­stän­den des täglichen Gebrauchs verklei­det sind und auf Grund dieser Umstände in beson­der­er Weise geeignet sind, das nicht öffentlich gesproch­ene Wort eines anderen von diesem unbe­merkt abzuhören oder das Bild eines anderen von diesem unbe­merkt aufzunehmen.

Jet­zt fra­gen Sie sich vielle­icht, was eigentlich passiert, wenn Sie so auf der Straße schlen­dern und einen Ted­dy mit einge­bauter Videokam­era find­en. Dür­fen Sie den aufheben oder machen Sie sich damit schon straf­bar? Oder wie, wenn Sie Ted­dy­bären sam­meln und ger­ade dieser spezielle Bär noch fehlt? Oder Sie erben das gute Stück?

Der deutsche Geset­zge­ber wäre nicht, nun, der deutsche Geset­zge­ber, wenn er an solche Fälle nicht denken würde. Und so bes­tim­men die Aus­nah­mevorschriften des § 90 Abs. 1 Satz 2:

Das Ver­bot, solche Sendean­la­gen zu besitzen, gilt nicht für den­jeni­gen, der die tat­säch­liche Gewalt über eine solche Sendean­lage

(…) 6. durch Fund erlangt, sofern er die Anlage unverzüglich dem Ver­lier­er, dem Eigen­tümer, einem son­sti­gen Erwerb­s­berechtigten oder der für die Ent­ge­gen­nahme der Fun­danzeige zuständi­gen Stelle abliefert,

7. von Todes wegen erwirbt, sofern er die Sendean­lage unverzüglich einem Berechtigten über­lässt oder sie für dauernd unbrauch­bar macht,

8. erlangt, die durch Ent­fer­nen eines wesentlichen Bauteils dauernd unbrauch­bar gemacht wor­den ist, sofern er den Erwerb unverzüglich der Reg­ulierungs­be­hörde schriftlich anzeigt, dabei seine Per­son­alien, die Art der Anlage, deren Her­steller- oder Waren­ze­ichen und, wenn die Anlage eine Her­stel­lungsnum­mer hat, auch diese angibt sowie glaub­haft macht, dass er die Anlage auss­chließlich zu Samm­lerzweck­en erwor­ben hat.

Wer kann da noch sagen, das Telekom­mu­nika­tion­srecht würde abge­hoben von den Irrun­gen und Wirrun­gen des Lebens existieren? Ganz im Gegen­teil spiegeln sich hier in dür­ren Worten men­schliche Schick­sale und Tragö­di­en.

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