Beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer: Tantieme nicht ausgezahlt – aber zu versteuern?

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Steuerrecht | 12. August 2024
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Der Bun­des­fi­nanzhof stellt sich mit einem aktuellen Urteil erneut gegen die Finanzämter, die Tantiemen selb­st besteuern, wenn sie gar nicht aus­gezahlt wur­den. Gesellschaft und Gesellschafter soll­ten sich die Fol­gen bes­timmter ver­traglich­er und gelebter Umset­zung bewusst machen.    

Tantiemen sind erfol­gsab­hängige Vergü­tun­gen, die Gesellschafter-Geschäfts­führer zusät­zlich zu ihrem fes­ten Gehalt erhal­ten kön­nen. Sie wer­den in der Regel erst nach der Erstel­lung des Jahresab­schlusses und der Fest­stel­lung des Gewinns aus­gezahlt und gehören zum steuerpflichti­gen Arbeit­slohn (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).

Ihre Besteuerung set­zt allerd­ings voraus, dass sie als son­stiger Bezug dem Arbeit­nehmer nach § 11 Abs. 1 Satz 4, § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG zuge­flossen sind. Für viele Unternehmen ist dies ein wichtiges Instru­ment, um ihre Führungskräfte am Unternehmenser­folg zu beteili­gen und sie zu motivieren. Doch was passiert, wenn diese Tantiemen zwar beschlossen, aber nicht aus­gezahlt wer­den?

 

Tantiemen nicht aus­gezahlt – und trotz­dem zu ver­s­teuern?

In dem Fall, über den jet­zt Deutsch­lands höch­ste Finanzrichter zu entschei­den hat­ten, ging es um den alleini­gen Gesellschafter und Geschäfts­führer ein­er GmbH. Laut § 3 seines Geschäfts­führerver­trags erhält er neben seinem monatlichen Gehalt Anspruch auf eine Tantieme in Höhe von 20% des Jahres­gewinns. Diese war einen Monat nach Fest­stel­lung des Jahresab­schlusses durch die Gesellschafter­ver­samm­lung zu zahlen. Die Tantieme ist der Höhe nach auf max­i­mal 30 % seines fes­ten Gehalts begren­zt. In den Stre­it­jahren 2015 bis 2017 wur­den die vere­in­barten Tantiemen aber wed­er an den Kläger aus­gezahlt noch hat die GmbH in den Jahresab­schlüssen entsprechende Rück­stel­lun­gen gebildet.

In seinen Einkom­men­steuer­erk­lärun­gen für die Stre­it­jahre gab der Kläger Einkün­fte aus nicht­selb­ständi­ger Arbeit ohne die Tantiemen an. Das Finan­zamt (FA) ver­an­lagte ihn zunächst entsprechend seinen Erk­lärun­gen.

Nach ein­er Lohn­s­teuer-Außen­prü­fung bei der GmbH ging das FA allerd­ings davon aus, dass auch die nicht aus­gezahlten Tantiemen in Höhe von 20 % des Gewinns des Vor­jahres als Arbeit­slohn des Klägers zu ver­s­teuern seien, und änderte die Einkom­men­steuerbeschei­de für die Jahre 2015 bis 2017 entsprechend. Das FA argu­men­tierte, dass bei einem Gesellschafter-Geschäfts­führer Tantiemen zum Zeit­punkt der Bilanz­er­stel­lung als zuge­flossen gel­ten. Ob sie tat­säch­lich aus­gezahlt wur­den, sei uner­he­blich, da der Gesellschafter-Geschäfts­führer selb­st die Möglichkeit habe, sich die Tantiemen auszahlen zu lassen.

 

Zuflussfik­tion beim beherrschen­den Gesellschafter-Geschäfts­führer

Der BFH hält mit einem aktuellen Urteil (vom 05.06. 2024, Az. VI R 20/22) an sein­er Recht­sprechung fest, dass einem beherrschen­den Gesellschafter-Geschäfts­führer Ein­nah­men aus Tantieme­forderun­gen bere­its bei Fäl­ligkeit zufließen. Allerd­ings fehlt es laut BFH an der Fäl­ligkeit, wenn die Tantieme­forderun­gen in den fest­gestell­ten Jahresab­schlüssen der Kap­i­talge­sellschaft nicht aus­gewiesen sind.

Der BFH wen­det sich damit wie bere­its u. a. mit Urteil vom 12. Juli 2021 (Az. VI R 3/19) gegen die Auf­fas­sung der Finanzver­wal­tung, die die Tantiemen schon mit Bilanz­er­stel­lung als zuge­flossen betra­chtet (BMF-Schreiben vom 12.05.2024, BSt­Bl. I 2014, S. 860).

Der BFH weist in seinem aktuellen Urteil zunächst auf seine ständi­ge Recht­sprechung hin, wonach bei einem beherrschen­den Gesellschafter-Geschäfts­führer eine Zuflussfik­tion greift. Dem­nach fließt dem beherrschen­den Gesellschafter-Geschäfts­führer eine ein­deutige und unbe­strit­tene Forderung gegen „seine“ Kap­i­talge­sellschaft bere­its mit deren Fäl­ligkeit zu, da er es regelmäßig in der Hand hat, sich den geschulde­ten Betrag auszahlen zu lassen. Damit liegt lohn­s­teuer­lich Zufluss vor.

 

BFH: Keine Zuflussfik­tion bei Fäl­ligkeit erst ab Jahresab­schluss

Die Recht­sprechung hat­te insoweit jedoch stets zur Voraus­set­zung gemacht, dass die Kap­i­talge­sellschaft die Forderun­gen auch schuldet (d.h., dass sie fäl­lig sind) und sie sich bei der Ermit­tlung des Einkom­mens der Kap­i­talge­sellschaft aus­gewirkt haben. Die Regelung der Fäl­ligkeit obliegt den Sachver­halts­beteiligten.

Wird jedoch – wie im Urteils­fall – die nicht unübliche Klausel ver­wen­det, dass die Fäl­ligkeit in Abhängigkeit von der Fest­stel­lung des Jahresab­schlusses ein­tritt, hängt die Fäl­ligkeit und damit die Zuflussfik­tion von der Bilanzierung der Forderung im Jahresab­schluss ab. Beste­ht damit ein solch­er Kausalzusam­men­hang zwis­chen Bilanzierung und Fäl­ligkeit, ist die Fäl­ligkeit des Anspruchs noch nicht einge­treten.

Weit­er bedeutet dies, dass die Zuflussfik­tion (noch) nicht ange­wandt wer­den kann. Insoweit find­et der Gedanke der kor­re­spondieren­den Ver­s­teuerung auf Ebene der Gesellschaft und des Gesellschafters Anwen­dung. So hat­te dies auch die Vorin­stanz des FG Baden-Würt­tem­berg gese­hen (Urt. v. 30.06.2022, Az. 12 K 58/20).

Da die Tantieme­nansprüche im Stre­it­fall nicht in den fest­gestell­ten Jahresab­schlüssen der Kap­i­talge­sellschaft aus­gewiesen waren, verneint der BFH den Zufluss man­gels deren Fäl­ligkeit. Uner­he­blich sei dabei, ob in den Jahresab­schlüssen entsprechende Verbindlichkeit­en nach den Grund­sätzen der ord­nungs­gemäßen Buch­führung hät­ten pas­siviert wer­den müssen. Ein dahinge­hen­der Pflichtver­stoß könne nicht die Fäl­ligkeit der Tantieme­forderun­gen begrün­den.

 

Aber: Verdeck­te Ein­lage durch Verzicht?

Den­noch hat der BFH der Revi­sion stattgegeben und die Entschei­dung der Vorin­stanz aufge­hoben und zur ander­weit­i­gen Ver­hand­lung und Entschei­dung an das FG Baden-Würt­tem­berg zurück­ver­wiesen. Die Fest­stel­lun­gen des FG reicht­en näm­lich nicht aus, um entschei­den zu kön­nen, ob dem Kläger die Forderungswerte der Tantieme­nansprüche zuge­flossen sind, weil er durch einen Verzicht auf seine Tantieme­nansprüche eine verdeck­te Ein­lage in die GmbH erbracht hat.

Aus dem aktuellen Urteil des BFH wird deut­lich, dass neben den oben­ste­hen­den Grund­sätzen zu Fra­gen der Fäl­ligkeit Fälle des Verzichts auf Gehalts- oder Tantiemen­forderun­gen zu prüfen sind. In diesen Fällen tritt der Tatbe­stand der verdeck­ten Ein­lage ergänzend zu der Frage hinzu, ob beim Gesellschafter „isoliert“ ein Zufluss von Ein­nah­men angenom­men wer­den kann.

Insoweit gilt es auch zu beacht­en, dass zwar die Zuflussfik­tion nur beim beherrschen­den Gesellschafter Anwen­dung find­et, der Tatbe­stand der verdeck­ten Ein­lage eines Gesellschafter-Geschäfts­führers jedoch auch ohne beherrschende Stel­lung erfüllt sein kann.

 

Verdeck­te Ein­lage? Warum wurde nicht aus­gezahlt?

Im Gegen­satz zu den Grund­sätzen zum Zufluss ist für die Beurteilung ein­er etwaigen verdeck­ten Ein­lage sehr wohl auss­chlaggebend, aus welchen Grün­den und zu welchem Zeit­punkt es nicht zu Auszahlung der Tantieme gekom­men ist.

Zu dif­feren­zieren sind insoweit Fälle, in denen die Tantiemen­vere­in­barung im Vorhinein aufge­hoben wurde und solche, in denen der Gesellschafter auf eine bere­its ent­standene Tantieme verzichtet. In Hin­blick auf die Bilanzierung der Verbindlichkeit ergibt sich die Dif­feren­zierung zu der o.g. Frage des Zuflusses. Während die Frage des Zuflusses grund­sät­zlich bei Abstellen auf die Fäl­ligkeit nur in Fällen bilanziert­er Verbindlichkeit­en in Betra­cht kommt, kommt es für die Frage nach dem Vor­liegen ein­er verdeck­ten Ein­lage darauf an, was materiell-rechtlich zutr­e­f­fend­er­weise zu bilanzieren wäre (vgl. BFH, Urt. v. 15.05.2013, Az. VI R 24/12, BSt­Bl 2014 II S. 495).

Der BFH weist in diesem Zusam­men­hang auch darauf hin, dass ein kon­klu­den­ter Verzicht durch jahre­lange Prax­is denkbar ist. Wer­den Gehalt­sansprüche über Jahre unverän­dert wed­er aus­gezahlt noch in der Gewin­ner­mit­tlung berück­sichtigt, kann dies für eine kon­klu­dente Aufhe­bung der Vere­in­barung sprechen.

 

Auf die Vere­in­barung kommt’s an

Sollen Tantiemen bei beherrschen­den Gesellschafter-Geschäfts­führern nicht voll­ständig aus­gezahlt und nicht als Zufluss von Arbeit­slohn gew­ertet wer­den, emp­fiehlt es sich, eine konkrete oder objek­tiv konkretisier­bare Vere­in­barung zur Fäl­ligkeit zu tre­f­fen, um zu ver­mei­den, dass die gesamte (auch nicht aus­gezahlte) Tantieme als Lohnzu­fluss gew­ertet wird.

Sofern die GmbH infolge Zahlung­sun­fähigkeit nicht in der Lage gewe­sen wäre, die Tantiemen­forderun­gen zu erfüllen, wäre schon aus diesem Grund ein Zufluss der nicht aus­gezahlten Tantieme­nansprüche zu verneinen. Wird – wie im Aus­gangs­fall – die Fäl­ligkeit des Tantieme­nanspruchs an die Fest­stel­lung des Jahresab­schlusses geknüpft, so bedeutet dies für die Prax­is, dass noch vor dem Bilanzs­tich­tag zwis­chen den Beteiligten klar vere­in­bart wer­den muss, welche der bei­den Aus­gestal­tungsvari­anten gewählt wer­den soll.

Wenn das Aus­bleiben der Tantiemen ohne steuer­liche Fol­gen für Gesellschaft und Gesellschafter bleiben soll, ist der Tantieme­nanspruch vor dem jew­eili­gen Jahre­sende aufzuheben. Verzichtet der Gesellschafter erst nach Entste­hen des Anspruchs auf sel­bi­gen, liegt – bei Erfül­lung der übri­gen Tatbe­standsvo­raus­set­zun­gen – unab­hängig von der Bilanzierung der Verbindlichkeit eine verdeck­te Ein­lage vor, die gle­ich­falls zur Annahme eines Zuflusses beim Gesellschafter führt.

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