Beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer: Tantieme nicht ausgezahlt – aber zu versteuern?

© vegefox.com/stock.adobe.com
Steuerrecht | 12. August 2024
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Der Bun­des­fi­nanz­hof stellt sich mit einem aktu­el­len Urteil erneut gegen die Finanz­äm­ter, die Tan­tie­men selbst besteu­ern, wenn sie gar nicht aus­ge­zahlt wur­den. Gesell­schaft und Gesell­schaf­ter soll­ten sich die Fol­gen bestimm­ter ver­trag­li­cher und geleb­ter Umset­zung bewusst machen.    

Tan­tie­men sind erfolgs­ab­hän­gi­ge Ver­gü­tun­gen, die Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer zusätz­lich zu ihrem fes­ten Gehalt erhal­ten kön­nen. Sie wer­den in der Regel erst nach der Erstel­lung des Jah­res­ab­schlus­ses und der Fest­stel­lung des Gewinns aus­ge­zahlt und gehö­ren zum steu­er­pflich­ti­gen Arbeits­lohn (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).

Ihre Besteue­rung setzt aller­dings vor­aus, dass sie als sons­ti­ger Bezug dem Arbeit­neh­mer nach § 11 Abs. 1 Satz 4, § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG zuge­flos­sen sind. Für vie­le Unter­neh­men ist dies ein wich­ti­ges Instru­ment, um ihre Füh­rungs­kräf­te am Unter­neh­mens­er­folg zu betei­li­gen und sie zu moti­vie­ren. Doch was pas­siert, wenn die­se Tan­tie­men zwar beschlos­sen, aber nicht aus­ge­zahlt wer­den?

 

Tan­tie­men nicht aus­ge­zahlt – und trotz­dem zu ver­steu­ern?

In dem Fall, über den jetzt Deutsch­lands höchs­te Finanz­rich­ter zu ent­schei­den hat­ten, ging es um den allei­ni­gen Gesell­schaf­ter und Geschäfts­füh­rer einer GmbH. Laut § 3 sei­nes Geschäfts­füh­rer­ver­trags erhält er neben sei­nem monat­li­chen Gehalt Anspruch auf eine Tan­tie­me in Höhe von 20% des Jah­res­ge­winns. Die­se war einen Monat nach Fest­stel­lung des Jah­res­ab­schlus­ses durch die Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung zu zah­len. Die Tan­tie­me ist der Höhe nach auf maxi­mal 30 % sei­nes fes­ten Gehalts begrenzt. In den Streit­jah­ren 2015 bis 2017 wur­den die ver­ein­bar­ten Tan­tie­men aber weder an den Klä­ger aus­ge­zahlt noch hat die GmbH in den Jah­res­ab­schlüs­sen ent­spre­chen­de Rück­stel­lun­gen gebil­det.

In sei­nen Ein­kom­men­steu­er­erklä­run­gen für die Streit­jah­re gab der Klä­ger Ein­künf­te aus nicht­selb­stän­di­ger Arbeit ohne die Tan­tie­men an. Das Finanz­amt (FA) ver­an­lag­te ihn zunächst ent­spre­chend sei­nen Erklä­run­gen.

Nach einer Lohn­steu­er-Außen­prü­fung bei der GmbH ging das FA aller­dings davon aus, dass auch die nicht aus­ge­zahl­ten Tan­tie­men in Höhe von 20 % des Gewinns des Vor­jah­res als Arbeits­lohn des Klä­gers zu ver­steu­ern sei­en, und änder­te die Ein­kom­men­steu­er­be­schei­de für die Jah­re 2015 bis 2017 ent­spre­chend. Das FA argu­men­tier­te, dass bei einem Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer Tan­tie­men zum Zeit­punkt der Bilanz­er­stel­lung als zuge­flos­sen gel­ten. Ob sie tat­säch­lich aus­ge­zahlt wur­den, sei uner­heb­lich, da der Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer selbst die Mög­lich­keit habe, sich die Tan­tie­men aus­zah­len zu las­sen.

 

Zufluss­fik­ti­on beim beherr­schen­den Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer

Der BFH hält mit einem aktu­el­len Urteil (vom 05.06. 2024, Az. VI R 20/22) an sei­ner Recht­spre­chung fest, dass einem beherr­schen­den Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer Ein­nah­men aus Tan­tieme­for­de­run­gen bereits bei Fäl­lig­keit zuflie­ßen. Aller­dings fehlt es laut BFH an der Fäl­lig­keit, wenn die Tan­tieme­for­de­run­gen in den fest­ge­stell­ten Jah­res­ab­schlüs­sen der Kapi­tal­ge­sell­schaft nicht aus­ge­wie­sen sind.

Der BFH wen­det sich damit wie bereits u. a. mit Urteil vom 12. Juli 2021 (Az. VI R 3/19) gegen die Auf­fas­sung der Finanz­ver­wal­tung, die die Tan­tie­men schon mit Bilanz­er­stel­lung als zuge­flos­sen betrach­tet (BMF-Schrei­ben vom 12.05.2024, BStBl. I 2014, S. 860).

Der BFH weist in sei­nem aktu­el­len Urteil zunächst auf sei­ne stän­di­ge Recht­spre­chung hin, wonach bei einem beherr­schen­den Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer eine Zufluss­fik­ti­on greift. Dem­nach fließt dem beherr­schen­den Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer eine ein­deu­ti­ge und unbe­strit­te­ne For­de­rung gegen „sei­ne“ Kapi­tal­ge­sell­schaft bereits mit deren Fäl­lig­keit zu, da er es regel­mä­ßig in der Hand hat, sich den geschul­de­ten Betrag aus­zah­len zu las­sen. Damit liegt lohn­steu­er­lich Zufluss vor.

 

BFH: Kei­ne Zufluss­fik­ti­on bei Fäl­lig­keit erst ab Jah­res­ab­schluss

Die Recht­spre­chung hat­te inso­weit jedoch stets zur Vor­aus­set­zung gemacht, dass die Kapi­tal­ge­sell­schaft die For­de­run­gen auch schul­det (d.h., dass sie fäl­lig sind) und sie sich bei der Ermitt­lung des Ein­kom­mens der Kapi­tal­ge­sell­schaft aus­ge­wirkt haben. Die Rege­lung der Fäl­lig­keit obliegt den Sach­ver­halts­be­tei­lig­ten.

Wird jedoch – wie im Urteils­fall – die nicht unüb­li­che Klau­sel ver­wen­det, dass die Fäl­lig­keit in Abhän­gig­keit von der Fest­stel­lung des Jah­res­ab­schlus­ses ein­tritt, hängt die Fäl­lig­keit und damit die Zufluss­fik­ti­on von der Bilan­zie­rung der For­de­rung im Jah­res­ab­schluss ab. Besteht damit ein sol­cher Kau­sal­zu­sam­men­hang zwi­schen Bilan­zie­rung und Fäl­lig­keit, ist die Fäl­lig­keit des Anspruchs noch nicht ein­ge­tre­ten.

Wei­ter bedeu­tet dies, dass die Zufluss­fik­ti­on (noch) nicht ange­wandt wer­den kann. Inso­weit fin­det der Gedan­ke der kor­re­spon­die­ren­den Ver­steue­rung auf Ebe­ne der Gesell­schaft und des Gesell­schaf­ters Anwen­dung. So hat­te dies auch die Vor­in­stanz des FG Baden-Würt­tem­berg gese­hen (Urt. v. 30.06.2022, Az. 12 K 58/20).

Da die Tan­tie­men­an­sprü­che im Streit­fall nicht in den fest­ge­stell­ten Jah­res­ab­schlüs­sen der Kapi­tal­ge­sell­schaft aus­ge­wie­sen waren, ver­neint der BFH den Zufluss man­gels deren Fäl­lig­keit. Uner­heb­lich sei dabei, ob in den Jah­res­ab­schlüs­sen ent­spre­chen­de Ver­bind­lich­kei­ten nach den Grund­sät­zen der ord­nungs­ge­mä­ßen Buch­füh­rung hät­ten pas­si­viert wer­den müs­sen. Ein dahin­ge­hen­der Pflicht­ver­stoß kön­ne nicht die Fäl­lig­keit der Tan­tieme­for­de­run­gen begrün­den.

 

Aber: Ver­deck­te Ein­la­ge durch Ver­zicht?

Den­noch hat der BFH der Revi­si­on statt­ge­ge­ben und die Ent­schei­dung der Vor­in­stanz auf­ge­ho­ben und zur ander­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das FG Baden-Würt­tem­berg zurück­ver­wie­sen. Die Fest­stel­lun­gen des FG reich­ten näm­lich nicht aus, um ent­schei­den zu kön­nen, ob dem Klä­ger die For­de­rungs­wer­te der Tan­tie­men­an­sprü­che zuge­flos­sen sind, weil er durch einen Ver­zicht auf sei­ne Tan­tie­men­an­sprü­che eine ver­deck­te Ein­la­ge in die GmbH erbracht hat.

Aus dem aktu­el­len Urteil des BFH wird deut­lich, dass neben den oben­ste­hen­den Grund­sät­zen zu Fra­gen der Fäl­lig­keit Fäl­le des Ver­zichts auf Gehalts- oder Tan­tie­men­for­de­run­gen zu prü­fen sind. In die­sen Fäl­len tritt der Tat­be­stand der ver­deck­ten Ein­la­ge ergän­zend zu der Fra­ge hin­zu, ob beim Gesell­schaf­ter „iso­liert“ ein Zufluss von Ein­nah­men ange­nom­men wer­den kann.

Inso­weit gilt es auch zu beach­ten, dass zwar die Zufluss­fik­ti­on nur beim beherr­schen­den Gesell­schaf­ter Anwen­dung fin­det, der Tat­be­stand der ver­deck­ten Ein­la­ge eines Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rers jedoch auch ohne beherr­schen­de Stel­lung erfüllt sein kann.

 

Ver­deck­te Ein­la­ge? War­um wur­de nicht aus­ge­zahlt?

Im Gegen­satz zu den Grund­sät­zen zum Zufluss ist für die Beur­tei­lung einer etwa­igen ver­deck­ten Ein­la­ge sehr wohl aus­schlag­ge­bend, aus wel­chen Grün­den und zu wel­chem Zeit­punkt es nicht zu Aus­zah­lung der Tan­tie­me gekom­men ist.

Zu dif­fe­ren­zie­ren sind inso­weit Fäl­le, in denen die Tan­tie­men­ver­ein­ba­rung im Vor­hin­ein auf­ge­ho­ben wur­de und sol­che, in denen der Gesell­schaf­ter auf eine bereits ent­stan­de­ne Tan­tie­me ver­zich­tet. In Hin­blick auf die Bilan­zie­rung der Ver­bind­lich­keit ergibt sich die Dif­fe­ren­zie­rung zu der o.g. Fra­ge des Zuflus­ses. Wäh­rend die Fra­ge des Zuflus­ses grund­sätz­lich bei Abstel­len auf die Fäl­lig­keit nur in Fäl­len bilan­zier­ter Ver­bind­lich­kei­ten in Betracht kommt, kommt es für die Fra­ge nach dem Vor­lie­gen einer ver­deck­ten Ein­la­ge dar­auf an, was mate­ri­ell-recht­lich zutref­fen­der­wei­se zu bilan­zie­ren wäre (vgl. BFH, Urt. v. 15.05.2013, Az. VI R 24/12, BStBl 2014 II S. 495).

Der BFH weist in die­sem Zusam­men­hang auch dar­auf hin, dass ein kon­klu­den­ter Ver­zicht durch jah­re­lan­ge Pra­xis denk­bar ist. Wer­den Gehalts­an­sprü­che über Jah­re unver­än­dert weder aus­ge­zahlt noch in der Gewinn­ermitt­lung berück­sich­tigt, kann dies für eine kon­klu­den­te Auf­he­bung der Ver­ein­ba­rung spre­chen.

 

Auf die Ver­ein­ba­rung kommt’s an

Sol­len Tan­tie­men bei beherr­schen­den Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rern nicht voll­stän­dig aus­ge­zahlt und nicht als Zufluss von Arbeits­lohn gewer­tet wer­den, emp­fiehlt es sich, eine kon­kre­te oder objek­tiv kon­kre­ti­sier­ba­re Ver­ein­ba­rung zur Fäl­lig­keit zu tref­fen, um zu ver­mei­den, dass die gesam­te (auch nicht aus­ge­zahl­te) Tan­tie­me als Lohn­zu­fluss gewer­tet wird.

Sofern die GmbH infol­ge Zah­lungs­un­fä­hig­keit nicht in der Lage gewe­sen wäre, die Tan­tie­men­for­de­run­gen zu erfül­len, wäre schon aus die­sem Grund ein Zufluss der nicht aus­ge­zahl­ten Tan­tie­men­an­sprü­che zu ver­nei­nen. Wird – wie im Aus­gangs­fall – die Fäl­lig­keit des Tan­tie­men­an­spruchs an die Fest­stel­lung des Jah­res­ab­schlus­ses geknüpft, so bedeu­tet dies für die Pra­xis, dass noch vor dem Bilanz­stich­tag zwi­schen den Betei­lig­ten klar ver­ein­bart wer­den muss, wel­che der bei­den Aus­ge­stal­tungs­va­ri­an­ten gewählt wer­den soll.

Wenn das Aus­blei­ben der Tan­tie­men ohne steu­er­li­che Fol­gen für Gesell­schaft und Gesell­schaf­ter blei­ben soll, ist der Tan­tie­men­an­spruch vor dem jewei­li­gen Jah­res­en­de auf­zu­he­ben. Ver­zich­tet der Gesell­schaf­ter erst nach Ent­ste­hen des Anspruchs auf sel­bi­gen, liegt – bei Erfül­lung der übri­gen Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen – unab­hän­gig von der Bilan­zie­rung der Ver­bind­lich­keit eine ver­deck­te Ein­la­ge vor, die gleich­falls zur Annah­me eines Zuflus­ses beim Gesell­schaf­ter führt.

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Über den autor

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Steuerrecht 13. Februar 2025

BFH: Kein Arbeitslohn bei Schenkung von Gesellschaftsanteilen zur Sicherung der Unternehmensnachfolge

Die Unternehmensnachfolge ist eine der großen Sorgen des deutschen Mittelstandes. Mangels Nachfolge droht vielen Unternehmen in den nächsten Jahren die Schließung, denn nicht immer findet sich im Familienkreis ein geeigneter Nachfolger. Wenn ein Unternehmen dann in die Hände verdienter Mitarbeiter gehen soll, stellt sich die Frage, ob die schenkweise Übertragung als Arbeitslohn zu qualifizieren ist. Der Bundesfinanzhof hat in einem...

Steuerrecht 19. Dezember 2024

Vorsicht bei Geschenken an Arbeitnehmer und Geschäftspartner

Geschenke sind ein bewährtes Mittel, um Beziehungen zu stärken – sei es zu Geschäftspartnern, Kunden oder den eigenen Mitarbeitenden. Allerdings bringen sie steuerliche Herausforderungen mit sich, die Unternehmer berücksichtigen müssen. Die richtige Handhabung solcher Zuwendungen ist nicht nur essenziell, um finanzielle Vorteile zu sichern, sondern auch, um unliebsame Überraschungen bei Steuerprüfungen zu vermeiden.   Geschenke an Arbeitnehmer Geschenke an eigene...