Was kommt vor der Abmahnung?

Übergreifendes | 25. November 2005
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Eine span­nen­de Fra­ge zum The­men­kreis „Abmah­nung“ wur­de ges­tern (im Rah­men einer etwas hit­zi­gen mit­täg­li­chen Tele­fon­dis­kus­si­on) aus dem Bekann­ten­kreis an mich her­an­ge­tra­gen. Ein die­sem Kreis zuge­hö­ri­ger Jung­un­ter­neh­mer hat ein tol­les Kon­zept für ein Inter­net­pro­jekt, gute Ideen, viel Enthu­si­as­mus und auch eine schi­cke Domain nebst pas­sen­dem Logo. Lei­der ver­letz­ten die bei­den zuletzt genann­ten Din­ge rela­tiv sicher die ein­ge­tra­ge­ne Mar­ke eines Drit­ten. Eines sehr ernst­zu­neh­men­den Drit­ten, der die besag­te Mar­ke seit Jah­ren sehr inten­siv bewirbt, u.a. im Fern­se­hen.

Mein Bekann­ter fragt nun, ob er das Risi­ko der Ver­wen­dung von Logo und Domain ein­ge­hen kann und was im schlimms­ten Fall die Fol­ge wäre. Natür­lich wis­se er, dass hier ggf. eine Abmah­nung dro­hen kön­ne. Er sei aber der Mei­nung, dass vor einer Abmah­nung in aller Regel erst ein­mal ein „net­tes“ Schrei­ben käme, ver­bun­den mit der Auf­for­de­rung, die Ver­let­zungs­hand­lung zu unter­las­sen. Tue man das, sei man ohne Kos­ten aus dem Schnei­der. Ob das so stim­me?

Hier lässt sich – was in der Juris­te­rei ja sel­ten ist – eine denk­bar kla­re Aus­sa­ge tref­fen: bei der Ver­let­zung von Mar­ken­rech­ten oder wett­be­werbs­recht­li­chen Posi­tio­nen ist es nicht üblich, vor einer Abmah­nung noch eine weni­ger for­ma­le Auf­for­de­rung zur Besei­ti­gung der ent­spre­chen­den Stö­rung zu ver­sen­den. Ein sol­ches Vor­ge­hen wäre aus der Sicht des Ver­letz­ten auch aus­ge­spro­chen kon­tra­pro­duk­tiv:

Wird der Abmah­nung nicht Fol­ge geleis­tet, so wird sich der Ver­letz­te in aller Regel bei einem zustän­di­gen Gericht um den Erlass einer einst­wei­li­gen Ver­fü­gung bemü­hen. Damit dies Aus­sicht auf Erfolg hat, muss der Ver­letz­te neben dem mate­ri­el­len Anspruch auch das Vor­lie­gen eines Ver­fü­gungs­grun­des dar­le­gen und glaub­haft machen. Dies gelingt, wenn der Fall eine „Dring­lich­keit“ auf­weist, die eine Ent­schei­dung im schnel­len einst­wei­li­gen Ver­fah­ren, und nicht im lang­wie­ri­gen “nor­ma­len” Kla­ge­ver­fah­ren recht­fer­tigt. Soweit die Dring­lich­keit (etwa im UWG oder bei Preis­bin­dungs­sa­chen) von Geset­zes wegen ver­mu­tet wird, darf sich der Ver­letz­te die­se Ver­mu­tung jeden­falls nicht wider­le­gen las­sen.

An der Dring­lich­keit fehlt es aber, wenn der Ver­letz­te sich mit der Ver­fol­gung von Rechts­ver­stö­ßen zu lan­ge Zeit gelas­sen hat. Vie­le deut­sche Gerich­te (das ist nicht ganz ein­heit­lich, im Süden ist man gene­rell stren­ger) gehen hier recht starr davon aus, dass spä­tes­tens einen Monat nach Kennt­nis­er­lan­gung von der Rechts­ver­let­zung der Erlass der Ver­fü­gung bean­tragt wer­den muss.

Dem Ver­letz­ten läuft daher schlicht „die Zeit davon“, er wird die­ses kost­ba­re Gut kaum auf letzt­lich nicht ziel­füh­ren­de Kor­re­spon­denz und all­ge­mei­ne Net­tig­kei­ten ver­wen­den.

Es besteht aus der Sicht des Ver­letz­ten auch kein Grund, dem Ver­let­zer gegen­über zu nach­sich­tig auf­zu­tre­ten. Sol­che Nach­sicht könn­te ihm im Gegen­teil sogar unter dem Gesichts­punkt des feh­len­den Rechts­schutz­be­dürf­nis­ses pro­zes­su­al ent­ge­gen gehal­ten wer­den, das ist sogar eine sehr belieb­te „Ver­tei­di­gungs­stra­te­gie“.

Zur Ver­deut­li­chung: im Fall einer Abmah­nung bewe­gen sich die Fris­ten, die für die Besei­ti­gung eines Ver­sto­ßes auf dem Gebiet des Mar­ken- oder Wett­be­werbs­rech­tes gesetzt wer­den, übli­cher­wei­se im Bereich von zwei bis drei Tagen. Ist es beson­ders drin­gend, ist sogar die tele­fo­ni­sche Abmah­nung mit Frist­set­zung von 30 min mög­lich.

Es nutzt somit wenig, sich Illu­sio­nen über die Rea­li­tä­ten im Bereich des gewerb­li­chen Rechts­schut­zes hin­zu­ge­ben. Über­trie­be­ne Nach­sicht oder über­lan­ges Ver­han­deln ver­bie­tet hier schon das Pro­zess­recht. Das mag man bedau­ern, muss man als Fak­tum aber hin­neh­men.

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