Was meint “Online”?

Wettbewerbsrecht | 1. Dezember 2005
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Häu­fig kommt es bei Strei­tig­kei­ten im Wett­be­werbs­recht dar­auf an, wie eine bestimm­te werb­li­che Aus­sa­ge durch den ange­spro­che­nen Per­so­nen­kreis ver­stan­den wird, wie sie „ankommt“. Ist die­ser Per­so­nen­kreis ein ganz eng defi­nier­ter und mit bestimm­tem Vor­wis­sen oder Vor­ver­ständ­nis geseg­ne­ter (etwa: alle Atom­phy­si­ker), dann wer­den hier­zu Gut­ach­ten ein­ge­holt.

Unbe­re­chen­bar wird es immer dann, wenn Gerich­te der Ansicht sind, selbst zu dem durch eine bestimm­te Werb­aus­sa­ge ange­spro­che­nen Ver­kehrs­kreis zu gehö­ren, weil etwa all­ge­mein „der Ver­brau­cher“ tar­ge­tiert wird. Dann näm­lich setzt das Gericht sei­ne Ansicht an die Stel­le eben jenes Ver­kehrs­krei­ses. Das Pro­blem: Juris­ten (nicht nur Rich­ter, die fäl­len nur die Ent­schei­dun­gen) sind im All­ge­mei­nen dar­auf trai­niert, alle mög­li­chen Bedeu­tun­gen einer Aus­sa­ge zu erken­nen und zu wür­di­gen, dar­un­ter auch sol­che, auf die „der Ver­kehr“ viel­leicht gar nicht kom­men wür­de. Sie sind eben nicht der „Nor­mal­ver­brau­cher“, tun im Streit aber so.

Kon­kret geht es um den Begriff „online“, und ins­be­son­de­re dar­um, was der Ver­brau­cher von einer „Online-Bera­tung“ erwar­tet. Hier hat­ten wir ja von einer Abmah­nung eines Ver­si­che­rungs­be­ra­ters berich­tet, der sei­ne Bera­tung eben auch „online“ anbot. Dabei konn­te der Nut­zer auf der Bera­tungs­sei­te sei­ne Daten hin­ter­las­sen, erhielt das Ergeb­nis der Bera­tung aber erst zwei, drei Tage spä­ter per Email. Ein Wett­be­wer­ber sah bei die­ser Gestal­tung in der Bezeich­nung „Online-Bera­tung“ eine Irre­füh­rung.

Das Land­ge­richt Ber­lin gab nun auch in der Haupt­sa­che­kla­ge (AZ 16 O 279/05) der Klä­ge­rin statt (PDF) und führt aus:

Dar­un­ter (unter Online-Bera­tung, d.A.) ver­steht der Ver­brau­cher die Mög­lich­keit, wäh­rend einer bestehen­den Inter­net­ver­bin­dung per Bild­schirm in der Art eines Gesprächs ohne Zeit­ver­zö­ge­rung mit dem Kun­den­be­ra­ter kom­mu­ni­zie­ren zu kön­nen. Er lässt sich dabei von der Vor­stel­lung lei­ten, auf jede Fra­ge unmit­tel­bar eine Ant­wort zu erhal­ten, zu der er wie­der­um sofort Stel­lung neh­men kann, so dass sich in glei­cher Wei­se wie in einem per­sön­li­chen Bera­tungs­ge­spräch ein Gedan­ken­aus­tausch ent­wi­ckelt.

Die­se Ansicht ist in die­ser engen Fas­sung natür­lich zumin­dest grenz­wer­tig. Was das Gericht da beschreibt ist im bes­ten Fall ein Chat. Wie jeder weiß, der schon mehr als ein­mal im Inter­net war, ist ein Chat eines der Din­ge, die man online machen kann. Eines von vie­len.

Das Gericht setzt aber ganz all­ge­mein „online“ mit „just in time“ oder „syn­chron“ gleich. Das Tele­fon ist ein – dem Gericht ver­mut­lich gut bekann­tes – syn­chro­nes Medi­um. Wenn einer spricht, hört am ande­ren Ende einer zu oder tut jeden­falls so. Vie­le Diens­te im Inter­net sind gera­de nicht syn­chron (wor­in ja der Vor­teil gegen­über dem Tele­fon besteht) und den­noch online. Emails kann ich auch einen Tag spä­ter beant­wor­tenn oder gleich ganz igno­rie­ren. Auch im Instant Mess­an­ger muss ich nicht gleich reagie­ren.

Auch der Duden meint zur Defi­ni­ti­on von „online“ nur: „in direk­ter Ver­bin­dung mit einer Daten­ver­ar­bei­tungs­an­la­ge arbei­tend“. Die Wiki­pe­dia sieht „online“ im Zusam­men­hang mit „Com­pu­tern“ so, dass die­se mit dem Inter­net ver­bun­den sein müs­sen.

Mei­nes Erach­tens kann „Online-Irgend­was“ also nur so ver­stan­den wer­den, dass eine bestimm­te Dienst­leis­tung über ein Online-Medi­um erbracht wird, hier: über das Inter­net, wozu ich (und da mag man in der Tat dann strei­ten kön­nen) auch Email zäh­le. Eine „Online-Bera­tung“ wäre dann eine sol­che, bei der man auf einer Web­sei­te sei­ne Anga­ben macht, nach deren Aus­wer­tung man ein Ergeb­nis erhält. Wie schnell das geht spielt m.E. kei­ne Rol­le.

Wenn man die rigi­de Ansicht des Gerichts übri­gens wirk­lich ernst nimmt, dann war­te ich auf die Abmah­nun­gen bei Ver­wen­dung des Begriffs “Online-Dating”. Gute Idee, oder?

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