Vielleicht geht es Ihnen ab und an wie mir: Sie nutzen eine Abkürzung, die letztlich 15 km länger ist als der „normale“ Weg. Oder Sie kaufen besonders billig ein, was Sie letztlich doppelt so teuer zu stehen kommt. So ähnlich muss es wohl der Deutschen Bahn mit Herrn Hartmut Mehdorn an der Spitze heute gehen. Sie hat nämlich einen letztlich sinnlosen und zudem im Ausgang vorhersehbaren Rechtsstreit verloren, der zu vermeiden gewesen wäre, hätte man nicht allzu viel an falscher Stelle sparen wollen.
Es geht natürlich um den Berliner Hauptbahnhof, vormals Lehrter Bahnhof. Dessen viel beachteter Neubau, im Ergebnis sicher durchaus eines der Prunkstücke im Gebäuderepertoire der Bahn, wurde von Meinhard von Gerkan geplant, einem derjenigen, die sicher zu Recht den gemeinhin ja doch vorschnell vergebenen Titel „Stararchitekt“ tragen.
Das Gebäude ist schön, aber nicht ganz so schön, wie es nach den Plänen hätte sein sollen. Statt der vom Architekten geplanten großzügigen und hellen Gewölbedecke im Untergeschoss wurde eine Flachdecke eingebaut, dem Aussehen nach aus dem Teilelager eines typischen deutschen Heimwerkermarktes stammend („wie bei Aldi“ sagt der Architekt). Mit dem Schritt sollten Kosten gespart werden, dem Vernehmen nach ist das allerdings ohnehin nicht so recht gelungen. Aber darauf kommt’s nun auch gar nicht mehr an:
Der Architekt sah sein Werk in der Wirkung doch arg beschädigt und klagte. Das kann man verstehen und das Berliner Landgerichts konnte dem auch folgen. Die Bahn muss nun umbauen, das kostet — je nachdem, wer rechnet — zwischen 20 und 40 Millionen. Das hätte man in der Tat billiger haben können, denn es war absehbar, dass die Bahn verliert. Es gibt wohl keinen Zweifel daran, dass der Bau und auch seine Pläne die notwendige Schöpfungshöhe aufweisen, um „Werk“ i.S. des Urheberrechts zu sein. Ist das aber der Fall, ergibt sich das Änderungs- und Verunstaltungsverbot recht zwanglos aus den §§ 14 und 39 UrhG:
§ 14 UrhG — Entstellung des Werkes
Der Urheber hat das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden.
§ 39 UrhG — Änderungen des Werkes
(1) Der Inhaber eines Nutzungsrechts darf das Werk, dessen Titel oder Urheberbezeichnung (§ 10 Abs. 1) nicht ändern, wenn nichts anderes vereinbart ist.
(2) Änderungen des Werkes und seines Titels, zu denen der Urheber seine Einwilligung nach Treu und Glauben nicht versagen kann, sind zulässig.
Da kann man sich bestenfalls streiten, ob der Urheber nach „Treu und Glauben“ seine Zustimmung zur Änderung seiner Pläne hätte geben müssen. Aber wenn’s (bei 700 Millionen Euro Gesamtbausumme!) ohnehin nicht besonders viel billiger, dafür aber besonders viel hässlicher wird, kann man das wohl kaum annehmen. Die Rechtsfolge der Beseitigung der Beeinträchtigung findet sich dann in § 97 I 1 UrhG.
§ 97 UrhG — Anspruch auf Unterlassung und Schadenersatz
(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann vom Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung und, wenn dem Verletzer Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last fällt, auch auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden. (…)
Wer das mehr Informationen zum rechtlichen Hintergrund möchte, kann auch hier nachsehen.
Anmerkung: Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Bahn hat angekündigt, Berufung einlegen zu wollen.
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