Wenn billig teuer wird: Bahn verliert im Baustreit gegen Architekt Gerkan

Urheberrecht | 28. November 2006
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Viel­leicht geht es Ihnen ab und an wie mir: Sie nut­zen eine Abkür­zung, die letzt­lich 15 km län­ger ist als der „nor­ma­le“ Weg. Oder Sie kau­fen beson­ders bil­lig ein, was Sie letzt­lich dop­pelt so teu­er zu ste­hen kommt. So ähn­lich muss es wohl der Deut­schen Bahn mit Herrn Hart­mut Meh­dorn an der Spit­ze heu­te gehen. Sie hat näm­lich einen letzt­lich sinn­lo­sen und zudem im Aus­gang vor­her­seh­ba­ren Rechts­streit ver­lo­ren, der zu ver­mei­den gewe­sen wäre, hät­te man nicht all­zu viel an fal­scher Stel­le spa­ren wol­len.

Es geht natür­lich um den Ber­li­ner Haupt­bahn­hof, vor­mals Lehr­ter Bahn­hof. Des­sen viel beach­te­ter Neu­bau, im Ergeb­nis sicher durch­aus eines der Prunk­stü­cke im Gebäu­de­re­per­toire der Bahn, wur­de von Mein­hard von Ger­kan geplant, einem der­je­ni­gen, die sicher zu Recht den gemein­hin ja doch vor­schnell ver­ge­be­nen Titel „Star­ar­chi­tekt“ tra­gen.

Das Gebäu­de ist schön, aber nicht ganz so schön, wie es nach den Plä­nen hät­te sein sol­len. Statt der vom Archi­tek­ten geplan­ten groß­zü­gi­gen und hel­len Gewöl­be­de­cke im Unter­ge­schoss wur­de eine Flach­de­cke ein­ge­baut, dem Aus­se­hen nach aus dem Tei­le­la­ger eines typi­schen deut­schen Heim­wer­ker­mark­tes stam­mend („wie bei Aldi“ sagt der Archi­tekt). Mit dem Schritt soll­ten Kos­ten gespart wer­den, dem Ver­neh­men nach ist das aller­dings ohne­hin nicht so recht gelun­gen. Aber dar­auf kommt’s nun auch gar nicht mehr an:

Der Archi­tekt sah sein Werk in der Wir­kung doch arg beschä­digt und klag­te. Das kann man ver­ste­hen und das Ber­li­ner Land­ge­richts konn­te dem auch fol­gen. Die Bahn muss nun umbau­en, das kos­tet — je nach­dem, wer rech­net — zwi­schen 20 und 40 Mil­lio­nen. Das hät­te man in der Tat bil­li­ger haben kön­nen, denn es war abseh­bar, dass die Bahn ver­liert. Es gibt wohl kei­nen Zwei­fel dar­an, dass der Bau und auch sei­ne Plä­ne die not­wen­di­ge Schöp­fungs­hö­he auf­wei­sen, um „Werk“ i.S. des Urhe­ber­rechts zu sein. Ist das aber der Fall, ergibt sich das Ände­rungs- und Ver­un­stal­tungs­ver­bot recht zwang­los aus den §§ 14 und 39 UrhG:

§ 14 UrhG — Ent­stel­lung des Wer­kes

Der Urhe­ber hat das Recht, eine Ent­stel­lung oder eine ande­re Beein­träch­ti­gung sei­nes Wer­kes zu ver­bie­ten, die geeig­net ist, sei­ne berech­tig­ten geis­ti­gen oder per­sön­li­chen Inter­es­sen am Werk zu gefähr­den.

§ 39 UrhG — Ände­run­gen des Wer­kes

(1) Der Inha­ber eines Nut­zungs­rechts darf das Werk, des­sen Titel oder Urhe­ber­be­zeich­nung (§ 10 Abs. 1) nicht ändern, wenn nichts ande­res ver­ein­bart ist.
(2) Ände­run­gen des Wer­kes und sei­nes Titels, zu denen der Urhe­ber sei­ne Ein­wil­li­gung nach Treu und Glau­ben nicht ver­sa­gen kann, sind zuläs­sig.

Da kann man sich bes­ten­falls strei­ten, ob der Urhe­ber nach „Treu und Glau­ben“ sei­ne Zustim­mung zur Ände­rung sei­ner Plä­ne hät­te geben müs­sen. Aber wenn’s (bei 700 Mil­lio­nen Euro Gesamt­bau­sum­me!) ohne­hin nicht beson­ders viel bil­li­ger, dafür aber beson­ders viel häss­li­cher wird, kann man das wohl kaum anneh­men. Die Rechts­fol­ge der Besei­ti­gung der Beein­träch­ti­gung fin­det sich dann in § 97 I 1 UrhG.

§ 97 UrhG — Anspruch auf Unter­las­sung und Scha­den­er­satz

(1) Wer das Urhe­ber­recht oder ein ande­res nach die­sem Gesetz geschütz­tes Recht wider­recht­lich ver­letzt, kann vom Ver­letz­ten auf Besei­ti­gung der Beein­träch­ti­gung, bei Wie­der­ho­lungs­ge­fahr auf Unter­las­sung und, wenn dem Ver­let­zer Vor­satz oder Fahr­läs­sig­keit zur Last fällt, auch auf Scha­den­er­satz in Anspruch genom­men wer­den. (…)

Wer das mehr Infor­ma­tio­nen zum recht­li­chen Hin­ter­grund möch­te, kann auch hier nach­se­hen.

Anmer­kung: Das Urteil ist nicht rechts­kräf­tig, die Bahn hat ange­kün­digt, Beru­fung ein­le­gen zu wol­len.

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