Wenn Prominente nur sie selbst sind — ein Sozialabgabensparmodell

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Soll­ten Sie zur älteren Gen­er­a­tion gehören (25+), dann haben Sie ver­mut­lich einen Fernse­her. Jeden­falls ist die Wahrschein­lichkeit hoch, dass Sie — so Sie keinen besitzen — doch über Fre­unde, Ver­wandte und Bekan­nte Zugang zu einem haben. Soll­ten Sie das Gerät ab und an benutzen, ken­nen Sie ver­mut­lich die Gebrüder Wladimir und Vitali Klitschko. Bei­de sind (sehr sym­pa­this­che!) Box­er, deren Gesichter dem Pub­likum aber jeden­falls ohne blaue Augen, Risse und Schnitte primär aus Werbespots für Kinder­snacks und Papier­taschen­tüch­er bekan­nt sind. Ger­ade diese Bekan­ntheit war Gegen­stand ein­er eben­so inter­es­san­ten wie ver­wirren­den Entschei­dung des Bun­dessozial­gerichts (Urteil vom 24.01.2008, AZ B3KS 1/07 R).

Verk­lagt war die Kün­stler­sozialka­sse (KSK), eine Rentenkasse für selb­ständi­ge Kün­stler. Diese war der Auf­fas­sung, dass die Hon­o­rare der Klitschko-Brüder aus ihren Wer­beak­tiv­itäten nach dem Kün­stler-Sozialver­sicherungs­ge­setz (KSVG) abgabepflichtig seien. Denn die Mitwirkung von Profis­portlern an Werbespots sei eine selb­ständi­ge Tätigkeit im Bere­ich der darstel­len­den Kun­st. Es han­dele sich um nach einem Drehbruch gestal­tete Szenen, bei denen die Profis­portler als Darsteller aufträten.

Ein solch­er Abgabebescheid liegt natür­lich wed­er im Inter­esse der Klitschko-Brüder noch der­er Vertreter und Agen­ten: ver­mut­lich dürfte die Alterssicherung der Dres. Klitschko auf anderen Säulen als aus­gerech­net auf den mageren Auss­chüt­tun­gen der KSK beruhen. Jeden­falls ist den Her­ren das dur­chaus zu wün­schen.

Das Bun­dessozial­gericht sprang hier bei. Die gezahlten Hon­o­rare seien nicht abgabepflichtig, weil sie in erster Lin­ie der Abgel­tung der Per­sön­lichkeit­srechte der Klitschko-Brüder dienen und nicht Ent­gelt für schaus­pielerische Leis­tun­gen darstellen. Die Brüder wer­den ger­ade wegen ihres Bekan­ntheits­grads als Box­er für Werbespots gebucht. Anders und mit den präg­nan­ten Worten des Recht­san­walts der Kläger gesagt: Die Dres. Klitschko spie­len ger­ade keine Rolle, son­dern sich selb­st.

Das klingt sehr logisch ist aber auch ver­wirrend. Erin­nern Sie sich an die Szene „Ocean’s 12“ in dem Julia Roberts und Bruce Willis sich selb­st spie­len? Stellen Sie sich vor, es han­dele sich hier­bei um einen deutschen Film. Dann dürfte man in der Tat fra­gen, ob diese Rollen abgabepflichtig wären. Über­haupt wer­den ger­ade sehr bekan­nte Schaus­piel­er häu­fig nicht wegen ihrer über­ra­gen­den Fähigkeit­en — die sie meist nicht haben — gebucht, son­dern schlicht und ergreifend nur weil sie bekan­nt sind. Sie garantieren eben einen Filmer­folg.

In noch größerem Maße trifft das auf die üblichen aus Soap Operas und Cast­ing-Shows bekan­nten Gesichtern zu, deren Inhab­er sich im Wesentlichen nur selb­st spie­len, weil sie über­haupt keine anderen schaus­pielerischen Möglichkeit­en besitzen.

Denken Sie zulet­zt an sog. „Kun­st­fig­uren“ aus der schreck­lichen deutschen Com­e­dy-Szene, bei denen ich der Auf­fas­sung bin, dass diese so kün­stlich gar nicht sein kön­nen: die Leute tun nicht so, die sind so.

Sind die jet­zt alle abgaben­frei? Bei der Argu­men­ta­tion des Bun­dessozial­gerichts bin ich mir nicht sich­er, ob man sich nicht zu weit auf das Feld der Geschmack­skri­tik hin­aus wagt — was Gerichte eher ver­mei­den soll­ten.

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