Wie flexibel kann die Lizenzanalogie noch werden?

Urheberrecht | 2. Juli 2004
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Die JurPC berich­tet über ein inter­es­san­tes Urteil (vom 04.05.2004 11 U 6/02, 11 U 11/03) des OLG FFM in einem urhe­ber­recht­li­chen Ver­let­zungs­streit. Die Betrei­ber zwei­er Inter­net­sei­ten hat­ten Bei­trä­ge – übri­gens sol­che juris­ti­scher Natur – von einer ande­ren Sei­te in 17 Fäl­len über­nom­men. Die Hin­wei­se auf den wah­ren Urhe­ber wur­de dabei teil­wei­se ein­fach besei­tigt, teil­wei­se auch durch eine fal­sche Anga­be ersetzt. Der Klä­ger ver­langt nun Scha­den­er­satz und Schmer­zens­geld, die­se wur­den ihm in Höhe von 10.200 Euro zuge­spro­chen.

Urhe­ber­recht­li­cher Scha­den­er­satz kann bekannt­lich nach drei Metho­den berech­net wer­den: als ent­gan­ge­ner Gewinn, nach dem Gewinn der Ver­let­zers und nach der Lizenz­ana­lo­gie. Letz­te­re wird beson­ders gern ver­wandt, da hier kaum Nach­weis- und Kau­sa­li­täts­pro­ble­me bestehen; der Ver­let­zer hat das zu zah­len, was ein recht­mä­ßi­ger Lizenz­neh­mer auch hät­te zah­len müs­sen. Am Ende soll der Ver­let­zer nicht bes­ser, aber – da Scha­den­er­satz kei­ne Stra­fe ist – auch nicht schlech­ter ste­hen als eben der recht­mä­ßi­ge Lizenz­neh­mer stün­de.

Das OLG FFM führt nun vor, wel­che Fle­xi­bi­li­tät die­se Rechts­fi­gur inzwi­schen erreicht hat.

Das Gericht beschäf­tigt sich zunächst mit der Fra­ge, ob der Geschä­dig­te sei­nen Scha­den nach einer aus­schließ­li­chen oder ein­fa­chen Lizenz berech­nen kann. Da er auch selbst die Bei­trä­ge auf sei­ner eige­nen Sei­te ver­öf­fent­lich­te, geht es zu recht davon aus, dass nur eine ein­fa­che Lizenz zugrun­de gelegt wer­den kann.

Wei­ter fragt sich das Gericht, in wel­cher Höhe die Zah­lung zu bemes­sen ist. Da hier kei­ne kon­kre­ten Anhalts­punk­te vor­lie­gen, muss geschätzt wer­den, das geht nach § 287 ZPO. Hier­bei flie­ßen nun ver­schie­de­ne Ein­zel­fak­to­ren in die Schät­zung ein: wie wer­tig waren die Bei­trä­ge des Ver­letz­ten, wie geeig­net waren sie zur Eigen­wer­bung etc. Das Gericht berech­net dann die Lizenz­sät­ze im Wesent­li­chen auf im Ver­gleich zu den GEMA-Lizen­zen. Das erstaunt, da hier die eben­falls im Raum ste­hen­de Berech­nung nach den Vor­ga­ben des Deut­schen Jour­na­lis­ten­ver­ban­des nahe gele­gen hät­te. Die Lizenz­sät­ze des vor­ge­ge­ben Gerüsts erhöht das Gericht aber wie­der um 100 % wegen der Eig­nung der Bei­trä­ge zur Eigen­wer­bung, nur um im nächs­ten Absatz aber einen „ech­ten“ Ver­let­zer­auf­schlag nicht gewäh­ren zu wol­len.

Zuletzt gibt das OLG dem Ver­letz­ten einen Schmer­zens­geld­an­spruch aus der Ver­let­zung des Urhe­ber­per­sön­lich­keits­rechts wegen der unter­blie­be­nen Nen­nung sei­ner Per­son als Autor der streit­ge­gen­ständ­li­chen Bei­trä­ge.

Ins­ge­samt lei­det die Scha­dens­be­rech­nung dar­an, dass das Gericht sehr ergeb­nis­ori­en­tiert den für „gerecht“ erach­te­ten Betrag mit wenig nach­voll­zieh­ba­ren Ver­bie­gun­gen von schon im Ansatz nur bedingt pas­sen­den Lizenz­sät­zen aus­ge­hend berech­net. So wird zwar in der Tat Fle­xi­bi­li­tät der Scha­dens­be­rech­nung gewon­nen, aber um den Preis der Vor­her­seh­bar­keit gericht­li­cher Ent­schei­dun­gen. Das Gericht kommt so letzt­lich zu einem Anspruch des Ver­letz­ten, der jeden Buch­au­tor als Hono­rar über­glück­lich machen wür­de, also sicher sehr viel höher ist als das, was die Lizenz an eini­gen juris­ti­schen Bei­trä­gen eigent­lich „wert“ sein kann. Das mag aus der Sicht des Ver­letz­ten gerecht sein. Es han­delt sich dann aber eigent­lich um den ver­pön­ten Straf­scha­dens­er­satz, nicht um eine Anwen­dung der Lizenz­ana­lo­gie. Dann soll­te man aber auch so ehr­lich sein, die pöna­le Funk­ti­on des Scha­den­er­sat­zes ganz offen anzu­er­ken­nen und nicht so lan­ge an der Lizenz­ana­lo­gie her­um­zu­bau­en bis das gewünsch­te Ergeb­nis erreicht ist.

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