So steht es im Gesetz: 30 Jahre Ausübungsfrist beim Rückkauf von Bauland sind nicht unangemessen

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Verwaltungsrecht | 19. Januar 2023
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Ungenutztes Bauland kann von Gemein­den zurück­gekauft wer­den, auch Jahrzehnte später noch. Der Bun­des­gericht­shof hat nun entsch­ieden: 30 Jahre Ausübungs­frist für den Wiederkauf sind nicht unangemessen, selb­st wenn es nicht aus­drück­lich vere­in­bart wurde. 

Die Prü­fung, ob die vere­in­barten Leis­tun­gen im Rah­men eines städte­baulichen Ver­trages den gesamten Umstän­den nach angemessen sind (§ 11 Abs. 2 BauGB), bezieht sich auf die wirtschaftliche Angemessen­heit und Gesamt­be­tra­ch­tung von Leis­tung und Gegen­leis­tung, nicht aber auf einzelne Geset­ze. Let­zteres bleibt dem Geset­zge­ber oder dem Bun­desver­fas­sungs­gericht vor­be­hal­ten.

Und so entsch­ied der Bun­des­gericht­shof (BGH) mit Urteil vom 16. Dezem­ber 2022 (AZ.: V ZR 144/21), dass es nicht unangemessen ist, wenn ein städte­baulich­er Ver­trag ein Wiederkauf­s­recht für den Fall vor­sieht, dass nach Kaufver­tragsab­schluss eine vere­in­barte Bau­verpflich­tung des Käufers zur Errich­tung eines Wohnge­bäudes inner­halb von 8 Jahren nicht aus­ge­führt wird und eine Ausübungs­frist nicht vere­in­bart ist. Dies gilt auch unter Berück­sich­ti­gung, dass der Käufer das unbe­baute Grund­stück zum mark­t­gerecht­en Preis von der Gemeinde gekauft hat­te, er bei Ausübung des Wiederkauf­s­rechts zur kosten- und las­ten­freien Rück­über­tra­gung des Eigen­tums auf Ver­lan­gen der Gemeinde zum ursprünglichen Kauf­preis verpflichtet hat­te und der Kauf­preis nicht zu verzin­sen ist.

Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB müssen die in einem städte­baulichen Ver­trag vere­in­barten Leis­tun­gen den gesamten Umstän­den nach angemessen sein. Der BGH führte aus, dass bei wirtschaftlich­er Betra­ch­tung des Gesamtvor­gangs die Gegen­leis­tung nicht außer Ver­hält­nis zu der Bedeu­tung und dem Wert der von der Behörde — hier der kla­gen­den Gemeinde — erbracht­en oder zu erbrin­gen­den Leis­tung ste­hen und die ver­tragliche Über­nahme von Pflicht­en auch anson­sten zu kein­er unzu­mut­baren Belas­tung für den Ver­tragspart­ner führen darf.

Gemessen an diesen Grund­sätzen ist der städte­bauliche Ver­trag nach Ansicht des BGH wirk­sam.

Ausübungsfrist:

Eine Frist zur Ausübung des Wiederkauf­s­rechts wurde in dem städte­baulichen Ver­trag nicht vere­in­bart. Die Gemeinde hat­te das Wiederkauf­s­recht mehr als 20 Jahre nach Kaufver­tragsab­schluss aus­geübt.

Die Vorin­stanz (OLG München, Endurteil vom 16.06.2021, 20 U 4632/20), sah in der Gewährung eines Wiederkauf­s­rechts für die Gemeinde mit ein­er Ausübungs­frist von 30 Jahren eine unangemessene Ver­trags­gestal­tung im Sinne des § 11 Abs. 2 BauGB.

Dem ist der BGH nicht gefol­gt. Zu Recht!

Die Ausübungs­frist von 30 Jahren fol­gt direkt aus § 462 Satz 1 BGB. Der Umstand, dass gar keine Ausübungs­frist vere­in­bart wurde, kann in die Abwä­gung der Angemessen­heit­sentschei­dung deshalb schon gar nicht ein­fließen.

Eine Ausübungs­frist von 30 Jahren kann für sich allein auch keine Unangemessen­heit des städte­baulichen Ver­trages begrün­den. Zu ein­er solchen Bew­er­tung sind die Gerichte – mit Aus­nahme des Bun­desver­fas­sungs­gericht­es – gar nicht befugt. Der Geset­zge­ber hat bere­its mit Erlass des § 462 Satz 1 BGB entsch­ieden, dass ein solch­er Zeitraum angemessen ist. Das zeigt sich schon an § 307 Abs. 3 BGB. Denn eine Kon­trolle von All­ge­meinen Geschäfts­be­din­gun­gen nur zur erfol­gen hat, wenn vom Gesetz abgewichen wird. Die Gerichte sind an das Gesetz gebun­den!

Zudem hat die Angemessen­heit­sprü­fung anhand der gesamten Ver­trags­gestal­tung zu erfol­gen und sich nicht nur an einzel­nen Nor­men zu ori­en­tieren. Als Prü­fungs­maßstab der Angemessen­heit eines städte­baulichen Ver­trages ist § 11 Abs. 2 BauGB her­anzuziehen. Es kommt also auf eine Gesamt­be­tra­ch­tung an. Das heißt, dass vorteil­hafte Klauseln nachteilige Klauseln aus­gle­ichen kön­nen und der Ver­trag daher ins­ge­samt als angemessen bew­ertet wer­den kann. Bei ein­er reinen AGB-Kon­trolle kommt es im Gegen­satz dazu auss­chließlich auf jede einzelne Klausel an.  Da die ein­schlägi­gen geset­zlichen Regelun­gen im Rah­men von § 11 Abs. 2 BauGB aber wer­tungsmäßig zu berück­sichti­gen sind, ste­ht die Ausübungs­frist von 30 Jahren an sich ein­er Angemessen­heit nicht ent­ge­gen.

Angemessenheit anhand der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung:

Die Angemessen­heit und somit die Wirk­samkeit eines vere­in­barten Wiederkauf­s­rechts set­zt nach dem BGH auch nicht voraus, dass dem Käufer das Grund­stück unter­halb des Verkehr­swertes verkauft wird. Gegen­teiliges würde bei­hil­fe- und haushalt­srechtlichen Gesicht­spunk­ten und Gemein­depflicht­en wider­sprechen.

Auch die Pflicht des Käufers, das Grund­stück im Rah­men der Fest­set­zun­gen des Bebau­ungs­plans bebauen zu müssen, stellt für sich keine schw­er­wiegende Belas­tung dar. Denn die Vor­gaben des Bebau­ungs­plans müssen sowieso einge­hal­ten wer­den. Die hier vere­in­barte Bebau­ungs­frist von acht Jahren ist auch nicht unangemessen kurz.

Selb­st der vere­in­barte Wiederkauf­spreis führt nicht zur Unangemessen­heit der Regelung, da dies der geset­zlichen Zweifel­sregelung entspricht. Gle­ich­es gilt bezüglich der Pflicht des Käufers zur las­ten­freien Rück­über­tra­gung.

Dass der ursprüngliche Kauf­preis nicht zu verzin­sen ist, entspricht dem Umstand, dass der Käufer auch nicht verpflichtet ist, gezo­gene Nutzun­gen an den Verkäufer und Wiederkäufer her­auszugeben.

Schutz des Käufers durch Ermessensentscheidung

Auch die Vere­in­barung von Aus­nah­meregelun­gen für Härte­fälle, die ein Wiederkauf­s­recht auss­chließen, sind keine Voraus­set­zung für eine angemessene Ver­trags­gestal­tung im Rah­men eines Wiederkauf­s­rechts. Denn die Gemeinde hat durch das vere­in­barte Wiederkauf­s­recht „nur“ ein Recht inne und kon­nte entschei­den, ob sie das Recht ausübt oder nicht. Bei Entschei­dun­gen über die Ausübung ver­traglich­er Rechte ist die Gemeinde an den Grund­satz der Ver­hält­nis­mäßigkeit gebun­den. Die Gemeinde muss daher ein­er Ermessensentschei­dung tre­f­fen, ins­beson­dere ob die Ausübung des Wiederkauf­s­rechts im Inter­esse der Sicherung des mit ihm ver­fol­gten Zwecks geboten ist oder eine ver­mei­d­bare Härte darstellt. Umstände, die die Gemeinde dazu ver­an­lassen mussten, von der Ausübung des Wiederkauf­s­rechts abzuse­hen, sind – wenn sie über­haupt fest­gestellt und/oder ersichtlich sind – eben­falls zu berück­sichti­gen.

Diese Ermessensentschei­dung unter­liegt der gerichtlichen Kon­trolle. Der Käufer und Wiederverkäufer sind vor falschen Entschei­dun­gen also aus­re­ichend geschützt.

Empfehlung

Eine 30-Jährige Ausübungs­frist eines Wiederkauf­s­rechts im Rah­men eines städte­baulichen Ver­trages ist nicht zwin­gend immer angemessen. Der BGH hat ger­ade nicht entsch­ieden, dass ein Wiederkauf­s­recht 30 Jahre lang per se zuläs­sig und wirk­sam ist; es ist lediglich nicht von vorn­here­in unwirk­sam. Denn es kommt auf eine Gesamt­be­tra­ch­tung der ver­traglichen Gestal­tung des städte­baulichen Ver­trages an, die nicht immer zu Gun­sten der Gemein­den aus­fall­en muss.

Unab­hängig davon emp­fiehlt es sich im Ergeb­nis, Ausübungs­fris­ten von Anfang an zu vere­in­baren, um Stre­it­igkeit­en wie diese zu ver­mei­den.

 

Lisa Knöll, Fachan­wältin für Miet- und Woh­nung­seigen­tum­srecht ist spezial­isiert auf Immo­bilien­wirtschaft­srecht und macht ger­ade Ihren Fachan­walt für Ver­wal­tungsrecht.  https://de.linkedin.com/in/lisa-kn%C3%B6ll-0a293a13b

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