YouTube Daten Gau – Kein Datenschutz im Web 2.0

Datenschutz | 4. Juli 2008
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Wenn Sie sich ein wenig im Inter­net bewe­gen oder ein­fach ab und an eine Online-Pub­lika­tion oder ein Blog lesen, dann haben Sie ver­mut­lich schon vom Fall Via­com gegen Google i.S. YouTube gehört.

Kurz gefasst geht es darum: Via­com, ein Medi­enun­ternehmen, ist der Ansicht, dass auf YouTube regelmäßig (meint hier: in hun­dert­tausenden Fällen) Rechte der Via­com oder der­er Beteili­gun­gen ver­let­zt wer­den. Im ein­fach­sten Fall ist das ein ille­gal mit­geschnit­ten­er MTV-Clip, den ein enthu­si­astis­ch­er Fan der betr­e­f­fend­en Band im Über­schwang der Gefühlte auf YouTube hochge­laden hat, um den Rest der Welt von Qual­ität und Güte der Band zu überzeu­gen.

YouTube gehört bekan­nter­maßen seit einiger Zeit Google, und seit das so ist – und YouTube damit eine im peku­niären Sinn leis­tungs­fähig ist – häufen sich die Urhe­ber­recht­sprozesse, in denen auch und ger­ade Schaden­er­satz ver­langt wird. Um den zu berech­nen braucht man als Kläger aber erst ein­mal genaue Dat­en zu Anzahl und Aus­maß der Ver­let­zun­gen. Dazu ist also nicht nur inter­es­sant, dass ein bes­timmter rechtsver­let­zen­der Inhalt auf ein­er Seite zu find­en ist, son­dern etwa auch, wie oft er ange­se­hen wurde. Das weiß natür­lich der Kläger nicht, son­dern – besten­falls – der Beklagte. Also beantragt man im Prozess ein­fach, das Gericht möge dem Beklagten doch bitte aufgeben, solche Dat­en zur Ver­fü­gung zu stellen.

Ein solch­er Antrag der Via­com hat­te vor­liegend Erfolg. Auf Anweisung des New York­er Gerichts, vor dem ver­han­delt wird, muss Google eine ganze Rei­he von Dat­en her­aus­geben. Darunter – wenn man den Presse­bericht­en glauben darf – auch YouTube-Nutzer­na­men und IP-Adressen, so dass eine Iden­ti­fizierung einzel­ner Nutzer YouTubes möglich wäre. Der Stern schreibt dazu:

Laut Richter­spruch ist Google verpflichtet, zu jedem Video, das je zu sehen war, sämtliche ver­füg­baren Dat­en her­auszugeben — ein­schließlich der Nutzer­na­men, mit denen Youtube-Fans sich anmelden, sowie Web­seit­en, die Youtube-Videos zeigen. Neben aktiv­en Mit­gliedern sind auch reine Surfer betrof­fen, denn Google muss Infor­ma­tio­nen über alle Men­schen weit­er­re­ichen, die jemals ein Youtube-Video ange­se­hen haben.

Nun kann man über viele Aspek­te des Falls stre­it­en. Etwa darüber, warum bei ein­er Seite, die User-gen­er­at­ed-con­tent bere­it­stellt – und nach prak­tisch jed­er Recht­sor­d­nung (außer vor dem Landgericht Ham­burg und vielle­icht noch in eini­gen Dik­taturen) damit gewis­sen Haf­tung­spriv­i­legien unter­liegt, solche Dat­en her­aus­gegeben wer­den soll­ten. Oder wie es sich mit dem Daten­schutz im All­ge­meinen und dem Per­sön­lichkeit­srecht der betrof­fe­nen Nutzer im Beson­deren ver­hält. Oder auch wie der Miss­braucht der über­mit­tel­ten Dat­en und deren zweck­gerechte Ver­wen­dung – also nur für den Prozess und nicht darüber hin­aus – sich­er gestellt wer­den kann.

Das eigentlich Bedrück­ende finde ich per­sön­lich aber, dass diese Dat­en über­haupt existieren. Wenn man dem SPON glauben darf, dann beläuft sich das Vol­u­men der Dat­en auf zwölf Ter­abyte Eine Schreib­maschi­nen­seite Text enthält ca. 1,6 kByte. Ich bin kein großer Rech­n­er, aber grob über­schla­gen entspricht die Daten­menge damit 7,5 Mil­liar­den (7.500.000.000) solch­er Seit­en. Das sind ca. 15 Mil­lio­nen Aktenord­ner oder umgerech­net (bei 8 cm Stan­dard-Aktenord­ner-Bre­ite) flock­ige 1.250 km Regalk­ilo­me­ter Ord­ner (für die Nachrech­n­er: ich habe ein paar mm Luft zwis­chen den Ord­nern gelassen).

Ohne jet­zt der Welt deutsche Maßstäbe beim Daten­schutz aufzwän­gen zu wollen finde ich es den­noch inter­es­sant, die Daten­hal­tung bei YouTube nach diesen Grund­sätzen wenig­stens kurz zu beleucht­en. Ganz offen­sichtlich scheint mir diese doch den Grund­sätzen der Datensparsamkeit schon auf den ersten Blick zu wider­sprechen. Es wäre nach deutschem Recht auch recht prob­lema­tisch zu spe­ich­ern, welch­er Nutzer sich wann welch­es Video ange­se­hen hat. Denn das wären Nutzungs­dat­en, die ein deutsch­er Tele­di­enst nur zur Abrech­nung haben dürfe. YouTube ist für den Nutzer aber kosten­frei.

In jedem Fall geht mir per­sön­lich die Sam­mel­wut zu weit. Und selb­st wenn ich als Nutzer YouTube hin­sichtlich der inte­gren Hand­habung mein­er Dat­en ver­trauen würde (was ich selb­stver­ständlich nicht tue) zeigt der vor­liegende Fall, dass es sog­ar ganz legal – von Hack­ing wollen wir ja gar nicht reden – möglich ist, an umfan­gre­iche Daten­samm­lun­gen zu gelan­gen. Der sin­nvolle und richtige Weg zur Eindäm­mung des Prob­lems scheint mir daher – auch wenn das völ­lig aus der Mode gekom­men ist – nach wie vor darin zu liegen, von Anfang an möglichst wenige Dat­en zu sam­meln. Da halte ich den deutschen / europäis­chen Ansatz zum Daten­schutz nach wie vor für gar nicht so falsch. Dass er von den pri­vat­en ignori­ert und von den Regierun­gen selb­st sabotiert wird – Stich­wort Vor­rats­daten­spe­icherung – ist mir bewusst.

Trösten kann man sich natür­lich immer mit der alten Innen­min­is­ter-Weisheit: wer nichts getan hat, der hat ja auch nichts zu befürcht­en.

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