Wenn Sie sich ein wenig im Internet bewegen oder einfach ab und an eine Online-Publikation oder ein Blog lesen, dann haben Sie vermutlich schon vom Fall Viacom gegen Google i.S. YouTube gehört.
Kurz gefasst geht es darum: Viacom, ein Medienunternehmen, ist der Ansicht, dass auf YouTube regelmäßig (meint hier: in hunderttausenden Fällen) Rechte der Viacom oder derer Beteiligungen verletzt werden. Im einfachsten Fall ist das ein illegal mitgeschnittener MTV-Clip, den ein enthusiastischer Fan der betreffenden Band im Überschwang der Gefühlte auf YouTube hochgeladen hat, um den Rest der Welt von Qualität und Güte der Band zu überzeugen.
YouTube gehört bekanntermaßen seit einiger Zeit Google, und seit das so ist – und YouTube damit eine im pekuniären Sinn leistungsfähig ist – häufen sich die Urheberrechtsprozesse, in denen auch und gerade Schadenersatz verlangt wird. Um den zu berechnen braucht man als Kläger aber erst einmal genaue Daten zu Anzahl und Ausmaß der Verletzungen. Dazu ist also nicht nur interessant, dass ein bestimmter rechtsverletzender Inhalt auf einer Seite zu finden ist, sondern etwa auch, wie oft er angesehen wurde. Das weiß natürlich der Kläger nicht, sondern – bestenfalls – der Beklagte. Also beantragt man im Prozess einfach, das Gericht möge dem Beklagten doch bitte aufgeben, solche Daten zur Verfügung zu stellen.
Ein solcher Antrag der Viacom hatte vorliegend Erfolg. Auf Anweisung des New Yorker Gerichts, vor dem verhandelt wird, muss Google eine ganze Reihe von Daten herausgeben. Darunter – wenn man den Presseberichten glauben darf – auch YouTube-Nutzernamen und IP-Adressen, so dass eine Identifizierung einzelner Nutzer YouTubes möglich wäre. Der Stern schreibt dazu:
Laut Richterspruch ist Google verpflichtet, zu jedem Video, das je zu sehen war, sämtliche verfügbaren Daten herauszugeben — einschließlich der Nutzernamen, mit denen Youtube-Fans sich anmelden, sowie Webseiten, die Youtube-Videos zeigen. Neben aktiven Mitgliedern sind auch reine Surfer betroffen, denn Google muss Informationen über alle Menschen weiterreichen, die jemals ein Youtube-Video angesehen haben.
Nun kann man über viele Aspekte des Falls streiten. Etwa darüber, warum bei einer Seite, die User-generated-content bereitstellt – und nach praktisch jeder Rechtsordnung (außer vor dem Landgericht Hamburg und vielleicht noch in einigen Diktaturen) damit gewissen Haftungsprivilegien unterliegt, solche Daten herausgegeben werden sollten. Oder wie es sich mit dem Datenschutz im Allgemeinen und dem Persönlichkeitsrecht der betroffenen Nutzer im Besonderen verhält. Oder auch wie der Missbraucht der übermittelten Daten und deren zweckgerechte Verwendung – also nur für den Prozess und nicht darüber hinaus – sicher gestellt werden kann.
Das eigentlich Bedrückende finde ich persönlich aber, dass diese Daten überhaupt existieren. Wenn man dem SPON glauben darf, dann beläuft sich das Volumen der Daten auf zwölf Terabyte Eine Schreibmaschinenseite Text enthält ca. 1,6 kByte. Ich bin kein großer Rechner, aber grob überschlagen entspricht die Datenmenge damit 7,5 Milliarden (7.500.000.000) solcher Seiten. Das sind ca. 15 Millionen Aktenordner oder umgerechnet (bei 8 cm Standard-Aktenordner-Breite) flockige 1.250 km Regalkilometer Ordner (für die Nachrechner: ich habe ein paar mm Luft zwischen den Ordnern gelassen).
Ohne jetzt der Welt deutsche Maßstäbe beim Datenschutz aufzwängen zu wollen finde ich es dennoch interessant, die Datenhaltung bei YouTube nach diesen Grundsätzen wenigstens kurz zu beleuchten. Ganz offensichtlich scheint mir diese doch den Grundsätzen der Datensparsamkeit schon auf den ersten Blick zu widersprechen. Es wäre nach deutschem Recht auch recht problematisch zu speichern, welcher Nutzer sich wann welches Video angesehen hat. Denn das wären Nutzungsdaten, die ein deutscher Teledienst nur zur Abrechnung haben dürfe. YouTube ist für den Nutzer aber kostenfrei.
In jedem Fall geht mir persönlich die Sammelwut zu weit. Und selbst wenn ich als Nutzer YouTube hinsichtlich der integren Handhabung meiner Daten vertrauen würde (was ich selbstverständlich nicht tue) zeigt der vorliegende Fall, dass es sogar ganz legal – von Hacking wollen wir ja gar nicht reden – möglich ist, an umfangreiche Datensammlungen zu gelangen. Der sinnvolle und richtige Weg zur Eindämmung des Problems scheint mir daher – auch wenn das völlig aus der Mode gekommen ist – nach wie vor darin zu liegen, von Anfang an möglichst wenige Daten zu sammeln. Da halte ich den deutschen / europäischen Ansatz zum Datenschutz nach wie vor für gar nicht so falsch. Dass er von den privaten ignoriert und von den Regierungen selbst sabotiert wird – Stichwort Vorratsdatenspeicherung – ist mir bewusst.
Trösten kann man sich natürlich immer mit der alten Innenminister-Weisheit: wer nichts getan hat, der hat ja auch nichts zu befürchten.
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