Zu Beseitigungsansprüchen betreffend SonyBMGs Rootkit-Kopierschutzsoftware

IT-Recht | 3. November 2005
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Inzwi­schen web-bekannt dürf­te SonyBMGs selbst geschaf­fe­nes PR-Desas­ter im Zusam­men­hang mit der „XCP“ Root­kit-Kopier­schutz­soft­ware des Unter­neh­mens sein. Die funk­tio­niert so, dass ein Nut­zer, der eine mit der Soft­ware geschütz­te CD oder CD-ROM auf sei­nem Rech­ner nutzt, unbe­merkt ein klei­nes Pro­gramm instal­liert bekommt. Das nis­tet sich tief im Betriebs­sys­tem ein und loggt flei­ßig mit, was der Nut­zer so anstellt. Und wenn die Soft­ware meint, das, was da getan wird, sei durch die Lizenz­be­stim­mun­gen nicht mehr gedeckt, blo­ckiert es kur­zer­hand die betref­fen­de Hand­lung.

Das Pro­blem: zum einen wird der Nut­zer nicht dar­über auf­ge­klärt, was da pas­siert, und schon gar nicht gefragt. Vor allem aber kann man sich das ein­ge­nis­te­te Pro­gramm bes­tens mit Exploits nutz­bar machen; die ver­bor­ge­nen Schnitt­stel­len der ein­ge­nis­te­ten Soft­ware könn­ten grund­sätz­lich für alle mög­li­chen Zwe­cke miss­braucht wer­den. Mög­li­cher­wei­se kann die Soft­ware als Ansatz­punkt für einen Hack in die “infi­zier­te” Maschi­ne ver­wen­det wer­den.

Der SPON sieht aus all die­sen Grün­den das Vor­ge­hen SonyBMGs als straf­wür­dig unter dem Gesichts­punkt des § 303a StGB an, der Daten­ver­än­de­rung. Das ist sozu­sa­gen das elek­tro­ni­sche Pen­dant zur Sach­be­schä­di­gung.

StGB § 303a Daten­ver­än­de­rung
(1) Wer rechts­wid­rig Daten (§ 202a Abs. 2) löscht, unter­drückt, unbrauch­bar macht oder ver­än­dert, wird mit Frei­heits­stra­fe bis zu zwei Jah­ren oder mit Geld­stra­fe bestraft.

Das klingt ver­nünf­tig. § 303a StGB umfasst auch die „Ver­än­de­rung“ und „Unter­drü­ckung“ von Daten. Dies dürf­te bei der unge­woll­ten Instal­la­ti­on des Kopier­schutz­pro­gramms in Gestalt der umgan­ge­nen / ver­än­der­ten Betriebs­sys­tem­rou­ti­nen ohne wei­te­res der Fall sein. Auch im Fall von „ech­ten“ Viren oder Tro­ja­nern wird ja eine Haf­tung nach § 303a StGB unter die­sem Gesichts­punkt ange­nom­men, vgl. nur Schneider/Günther, Haf­tung für Com­pu­ter­vi­ren, CR 1997, 389 ff. Ohne den Sach­ver­halt nun ganz genau unter­sucht zu haben (und bit­te neh­men Sie die­sen Dis­clai­mer ernst): neh­men wir es für unse­re Zwe­cke als gege­ben an, dass ein Ver­stoß gegen § 303a StGB vor­liegt.

Dann hat der Betrof­fe­ne aus die­sem Umstand abseits des eher drö­gen Straf­rechts auch sehr span­nen­de zivil­recht­li­che Ansprü­che. Er kann Scha­den­er­satz ver­lan­gen, § 823 II BGB i.V. mit § 303a StGB, aber auch Unter­las­sung bzw. Besei­ti­gung, § 1004 BGB.

Hier kurz die Vor­schrif­ten:

BGB § 823 Scha­dens­er­satz­pflicht
(1) Wer vor­sätz­lich oder fahr­läs­sig das Leben, den Kör­per, die Gesund­heit, die Frei­heit, das Eigen­tum oder ein sons­ti­ges Recht eines ande­ren wider­recht­lich ver­letzt, ist dem ande­ren zum Ersatz des dar­aus ent­ste­hen­den Scha­dens ver­pflich­tet.
(2) Die glei­che Ver­pflich­tung trifft den­je­ni­gen, wel­cher gegen ein den Schutz eines ande­ren bezwe­cken­des Gesetz ver­stößt. Ist nach dem Inhalt des Geset­zes ein Ver­stoß gegen die­ses auch ohne Ver­schul­den mög­lich, so tritt die Ersatz­pflicht nur im Fal­le des Ver­schul­dens ein.

BGB § 1004 Besei­ti­gungs- und Unter­las­sungs­an­spruch
(1) Wird das Eigen­tum in ande­rer Wei­se als durch Ent­zie­hung oder Vor­ent­hal­tung des Besit­zes beein­träch­tigt, so kann der Eigen­tü­mer von dem Stö­rer die Besei­ti­gung der Beein­träch­ti­gung ver­lan­gen. Sind wei­te­re Beein­träch­ti­gun­gen zu besor­gen, so kann der Eigen­tü­mer auf Unter­las­sung kla­gen.

Inter­es­sant in einem Fall wie dem Vor­lie­gen­den scheint mir der Besei­ti­gungs­an­spruch. Der rich­tet sich ohne wei­te­res gegen den Ver­ant­wort­li­chen oder Stö­rer, hier also SonyBMG. Nun stellt das Unter­neh­men auf sei­ner Web­sei­te inzwi­schen ein Tool bereit, das den unge­be­te­nen Kopier­schutz bzw. das behufs des­sen Durch­füh­rung ein­ge­nis­te­te Pro­gramm ent­fernt. Hier­zu muss man sich aller­dings regis­trie­ren und eine gan­ze Men­ge Anga­ben machen, etwa, wo man die betref­fen­de CD gekauft hat, man muss fer­ner Namen und Anschrift des ent­spre­chen­den Ladens ange­ben. Eine Opti­on wie „ich habe die CD geschenkt bekom­men“ o.ä. exis­tiert nicht.

Jeden­falls scheint es mit Hil­fe des Tools mög­lich zu sein, den rechts­ver­let­zen­den Zustand mei­nes Rech­ners zu besei­ti­gen. Ist damit also der Besei­ti­gungs­an­spruch erfüllt? Kann ich also dar­auf ver­wie­sen wer­den, selbst „Hand anzu­le­gen“, mich zu regis­trie­ren, das Pro­gramm her­un­ter­zu­la­den und ablau­fen zu las­sen, wie­wohl doch ver­pflich­tet dazu eigent­lich SonyBMG ist? Muss ich selbst tätig wer­den?

Anmer­kung an die­ser Stel­le: Bit­te ver­ste­hen Sie mich nicht falsch: ich bin selbst­ver­ständ­lich nicht der Ansicht, dass Sie erst ein­mal SonyBMG ver­kla­gen und solan­ge die Rei­ni­gung Ihres Rech­ners aus purem Trotz ver­nach­läs­si­gen soll­ten. Ganz im Gegen­teil: rei­ni­gen Sie die Maschi­ne so schnell wie mög­lich. Betrach­ten Sie mei­ne Erwä­gun­gen schlicht als theo­re­ti­sche Über­le­gun­gen eines Juris­ten, der sein Tage­werk für heu­te erfüllt hat.

Fan­gen wir mal von vor an: Besei­ti­gung, das ist das Abstel­len einer Beein­träch­ti­gung für die Zukunft. Neh­men wir ver­gleichs­wei­se den Fall, dass jemand auf mei­nem Grund­stück irgend­wel­che Sachen lagert, gern auch Müll. Hier ist ganz klar: den muss er nach § 1004 BGB ent­fer­nen, denn das heißt eben „Abstel­len der Beein­träch­ti­gung“, das ist eben die Besei­ti­gung, vgl. Palandt, BGB, § 1004 Rn. 28. Ob ich dabei viel ein­fa­cher zur Besei­ti­gung in der Lage wäre, weil die Gegen­stän­de nicht schwer sind, mor­gen der Sperr­müll kommt und der Stö­rer gera­de im Aus­land weilt, ist uner­heb­lich.

Am ande­ren Ende des Spek­trums darf ich gegen den Schuld­ner nur sol­che Ansprü­che stel­len, denen er auch nach­kom­men kann, deren Erfül­lung mög­lich ist, § 275 I BGB.

BGB § 275 Aus­schluss der Leis­tungs­pflicht
(1) Der Anspruch auf Leis­tung ist aus­ge­schlos­sen, soweit die­se für den Schuld­ner oder für jeder­mann unmög­lich ist.
(2) Der Schuld­ner kann die Leis­tung ver­wei­gern, soweit die­se einen Auf­wand erfor­dert, der unter Beach­tung des Inhalts des Schuld­ver­hält­nis­ses und der Gebo­te von Treu und Glau­ben in einem gro­ben Miss­ver­hält­nis zu dem Leis­tungs­in­ter­es­se des Gläu­bi­gers steht. Bei der Bestim­mung der dem Schuld­ner zuzu­mu­ten­den Anstren­gun­gen ist auch zu berück­sich­ti­gen, ob der Schuld­ner das Leis­tungs­hin­der­nis zu ver­tre­ten hat.

Sol­che Unmög­lich­keit liegt hier zunächst ein­mal nicht vor: SonyBMG kann einen Tech­ni­ker vor­schi­cken, der den Rech­ner des Betrof­fe­nen ent­spre­chend bear­bei­tet. Das geht, ist aber natür­lich deut­lich teu­rer, als den Kun­den das selbst machen zu las­sen.

Nun kann „Unmög­lich­keit“ auch die so genann­te prak­ti­sche Unmög­lich­keit sein, die in § 275 II BGB gere­gelt ist. Die liegt vor, wenn zwar natur­ge­setz­lich, fak­tisch und recht­lich eine bestimm­te Leis­tung durch­aus mög­lich ist, der damit ver­bun­de­ne Auf­wand aber in offen­sicht­li­chem Miss­ver­hält­nis zum Wert steht (vgl. Palandt § 275 Rn. 22).

Das ist hier aber auch nicht der Fall: wenn mein Rech­ner Angriffs­punk­te für Exploits bie­tet, dann über­wiegt der (Geld-)Aufwand für den Ser­vice­tech­ni­ker gewiss nicht das Inter­es­se des Ver­letz­ten an der Besei­ti­gung.

Nun kann man Lösun­gen wei­ter­hin in den „Wun­der­tü­ten“ der §§ 226, 242 BGB suchen, also im Schi­kan­ever­bot und Treu und Glau­ben.

BGB § 226 Schi­kan­ever­bot
Die Aus­übung eines Rechts ist unzu­läs­sig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem ande­ren Scha­den zuzu­fü­gen.

BGB § 242 Leis­tung nach Treu und Glau­ben
Der Schuld­ner ist ver­pflich­tet, die Leis­tung so zu bewir­ken, wie Treu und Glau­ben mit Rück­sicht auf die Ver­kehrs­sit­te es erfor­dern.

Hier kommt wohl vor allem die Fall­grup­pe der „Unver­hält­nis­mä­ßig­keit“ in Betracht. Die meint aber vor allem sol­che Fäl­le, in denen das Ver­hält­nis von Rechts­ver­let­zung zum Auf­wand derer Besei­ti­gung ungut ist (hier nicht der Fall, s.o.) nicht aber Fäl­le, in denen der Nut­zer viel­leicht selbst ein­fa­cher die Stö­rung besei­ti­gen kann. Denn bei denen ist das Ver­hält­nis des Auf­wan­des von „Selbst­be­sei­ti­gung“ gegen „Fremd­be­sei­ti­gung“ betrof­fen.

Hin­zu kommt: war­um eigent­lich soll­te der Nut­zer selbst Hand anle­gen? Er ist im Zwei­fel kein IT-Exper­te. Er kann nicht prü­fen, ob das SonyBMGs Tool wirk­lich die Schad­pro­gram­me ent­fern­te. Viel­leicht hat der Nut­zer gar kei­nen Inter­net­zu­gang, es fällt ihm also schwer, das Pro­gramm zu besor­gen. Und zuletzt: war­um eigent­lich soll­te ein Welt­kon­zern sei­ne Ver­ant­wor­tung so ein­fach auf die Nut­zer aus­la­gern kön­nen, die ja ohne­hin schon den Scha­den haben?

Letzt­lich bleibt nach mei­ner zuge­ge­be­ner­ma­ßen noch nicht bis zu Ende durch­dach­ten Ana­ly­se: m.E. kön­nen Kopier­schutz­ge­schä­dig­te Besei­ti­gungs­an­sprü­che gegen SonyBMG gel­tend machen. Die Ver­füg­bar­keit des Rem­oval-Tools ändert dar­an nichts.

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