Ab und an frequentiere ich an Sonn- und Feiertagen zum Zwecke der Einvernahme eines herzhaften Frühstücks das unweit meiner Wohnung gelegene Café “Schmock”. Das ist ein israelisches Restaurant, das in München vor allem durch seine Werbung bekannt, wenn auch nicht ganz unumstritten ist: große Plakate, auf denen rot auf schwarz und in Frakturschrift die Aufforderung steht: “Deutsche, esst beim Juden!” Das Omelette ist jedenfalls hervorragend und ab und an gibt es unglaubliche Himbeer-Croissants.
Seit einer Umgestaltung ist der Innenraum mit “Jewish Superstars” aufgemacht, auf Metallplatten abgezogene Fotografien von Albert Einstelin, Liz Taylor und Jesus. Da fragt sich der Jurist — beim Joghurt — natürlich unwillkürlich: Jesus? Dürfen die denn das?
Wie jeder weiß dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten zur Schau gestellt werden, § 22 Satz 1 KUG. Ich gehe davon aus, dass Jesus nicht gefragt wurde.
Jetzt möge bitte keiner einwenden, der Abgebildete sei gar nicht Jesus, sondern mit Sicherheit ein Modell. Das mag zwar sein, ist für den Fall aber irrelevant. Wie der BGH in seiner Entscheidung vom 1. Dezember 1999, AZ I ZR 226/97 “Blauer Engel” ausgeführt hat, liegt auch in der Abbildung eines Doppelgängers ein Bildnis der Person, der da doppelt gegangen wird. Im Fall war das Marlene Dietrich, deren Szene aus dem Film “Der Blaue Engel” nachgestellt wurde. Das Modell im Fall war (trotz des irreführenden Leitsatzes der Entscheidung) der Frau Dietrich nicht besonders ähnlich, aber anhand der absolut berühmten Pose wusste jeder, wer da “gemeint sein sollte”. Ein Bildnis lag also vor, es hätte einer Einwilligung bedurft.
Die Grundsätze lassen sich offensichtlich auf eine Figur mit Dornenkrone und langem Bart übertragen: die Pose ist typisch.
Nun ist Jesus bekanntermaßen am Kreuz gestorben. An sich sollten damit die Grundsätze des postmortalen Persönlichkeitsrechts einschlägig sein. Im Fall von Bildnissen regelt den Fall § 22 Satz 3 KUG: bis zu zahn Jahre nach dem Tod des Abgebildeten bedarf es der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten zur Verbreitung und Zurschaustellung.
Nun ist der Tod Jesu schon einige Zeit her, daher nur theoretisch die Frage: wer wären hier die “Angehörigen” gewesen? Maria und Josef? Für letzteren war Jesus ja eigentlich kein leibliches Kind, von einer formalen Adoption ist aber nichts bekannt. Andererseits war Josef wohl mit Maria verheiratet, so dass er nach § 1592 Nr. 1 BGB als Vater Jesu gilt. Das ist auch gut so, denn sonst hätte man für die Einwilligung Gott fragen müssen, was schon damals nicht ganz einfach war, jedenfalls wenn man die Einwilligung zur Sicherheit lieber schriftlich haben wollte.
Andererseits — und jetzt wird der Fall komplex — ist Jesus bekanntermaßen am dritten Tag (der eigentlich nach juristischer Fristberechnung der zweite ist, § 187 I BGB, aber zur Sicherheit haben wir ja Ostermontag) von den Toten auferstanden, was er später durchaus mit Körpereinsatz selbst dem ungläubigen Thomas nachwies. Zumindest in den 40 auf die Auferstehung folgenden Tagen wäre er also für Anfragen nach Einwilligungen greifbar gewesen. Dann ist er aufgefahren, was wir heute noch — dankenswerterweise immer brückentagsfähig — feiern. Das Auffahren ist — richtig interpretiert — wohl ganz das Gegenteil von Sterben: der Beginn ewigen Lebens, wenn auch irgendwo ganz anders und für Rückfragen nur mittelbar greifbar.
Die Situation, dass ein Rechteinhaber nicht auffindbar ist, hat man aber häufig. Auch hier im Blog wurde bereits darauf hingewiesen, dass, wenn man Rechte nicht einholen kann, man auf ihre Nutzung verzichten muss. Das sollte nach § 22 Satz 1 KUG auch für das Bildnis Jesu gelten: das ist nicht frei.
Wie die Verwendung seines Bildnisses in den letzten 2000 Jahren beweist scheint sich im Endeffekt allerdings keiner drum zu scheren. Viele Verwendungen gerade in der Kunst mögen ja noch unter die Ausnahme des § 23 I Nr. 4 KUG fallen, etwa “Creazione di Adamo” von Michelangelo — wobei man dort wieder an der Voraussetzung “nicht auf Bestellung angefertigt” zweifeln kann — immerhin wurde das Werk von Papst Julius II in Auftrag gegeben.
Alle anderen Verwendungen des Bildnis Jesu, die nicht unter eine der Ausnahmen des KUG fallen, vertrauen wohl auf den Grundsatz: wo kein Kläger, da kein Richter. Jedenfalls bis zum Jüngsten Gericht.
Frohe Ostern.
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