Urheber, vor allem solche, die Software erstellen, sind bekanntermaßen seltsame Leute. Sie schaffen Dinge, die man nicht recht anfassen kann, die ohne Verlust der Substanz kopiert werden können und sie schwitzen dabei meist nicht einmal richtig — wenn die Heizung nicht zu hoch gedreht und die Peperoni-Pizza nicht zu scharf ist. Und dennoch wollen sie für ihre Werke jede Menge Geld. Und selbst wenn man ihnen das gibt bestehen sie immer noch darauf, als Urheber am Werk genannt zu werden.
Weil das offensichtlich schwer einzusehen ist kommt es ab und an zu Streit. So in einem Fall, den das OLG Hamm mit Urteil vom 07.08.2007 (AZ 4 U 14/07) entschieden hat. Die Entscheidung ist vielleicht im Einzelnen nicht spektakulär und schon gar nicht überraschend, aber praxisrelevant und solide begründet.
Der Sachverhalt ist leider ein wenig kompliziert und wimmelt nur so vor Insolvenzen, schwierigen Parteistrukturen und anderen komplizierten Details. Für unsere kleine Betrachtung relevant hat die Klägerin, ein Softwareunternehmen, ein Programm für die Hotelbranche erstellt und der Beklagten hieran umfassende Rechte eingeräumt. Der relevante Vertrag — jedenfalls vielleicht relevant, die Parteien waren sich nicht recht sicher, ob es sich nicht um ein Scheingeschäft handelte — lautet:
§ 2 Nutzungsrechte
1. Die I GmbH soll in denkbar umfassender Weise in die Lage versetzt werden, die von der B hergestellten und unter § 1 Abs. 1 näher bezeichneten Softwareprodukte (…) in unveränderter oder veränderter Form unter Ausschluss der B für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in jeder Hinsicht zu verwerten, sei es im eigenen Unternehmen oder durch Weitergabe an Dritte.
2. Insbesondere erhält die Firma I GmbH das ausschließliche, zeitlich unbeschränkte, räumlich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkte Recht, die unter § 1 Abs. 1 genannten Computerprogramme auf sämtliche Arten zu nutzen, u.a. die Computerprogramme in eigenen oder fremden Betrieben laufen zu lassen, sie zu vervielfältigen und zu verbreiten, fortzuführen oder über Fernleitungen oder drahtlos zu übertragen. Eingeschlossen ist ferner das Recht, ohne weitere Zustimmung der B die unter § 1 Abs. 1 genannten Computerprogramme nebst Dokumentationen nach eigenem Ermessen zu bearbeiten oder in sonstiger Weise umzugestalten und die hierdurch geschaffenen Leistungsergebnisse in der gleichen Weise wie die ursprüngliche Fassung des Programms und der Dokumentation zu verwerten (…)
Das klingt bombastisch, ist aber eigentlich wegen der Spezifizierungslast des § 31 Abs. 5 Satz 1 UrhG sehr diskutabel formuliert. Wie auch immer: umfassende Nutzungsrechte sollten hier wohl vereinbart werden. In der Tat hat die Beklagte die Programme dann auch umfassend verwertet. Und zwar so umfassend, dass sie diese nicht nur verkauft, sondern hat auch das Logo und den Copyright-Vermerk des Programms geändert hat: diese lauteten nur auf sie selbst, nicht mehr auf die Klägerin. Diese war empört und möchte das nicht hinnehmen.
Nun verhält es sich bekanntermaßen so, dass das Urheberrecht — auch das an Software — verschiedene Aspekte hat. Nämlich wirtschaftliche und persönlichkeitsrechtliche, wie eben etwa die Anbringung einer Urheberbezeichnung am Werk. Streng genommen reden wir vorliegend zwar gar nicht vom Urheberrecht, sondern von ausschließlichen Nutzungsrechten (Kläger ist hier ja ein Softwareunternehmen, nicht der ursprüngliche Programmier), aber für unsere Betrachtung darf das dahinstehen. An den wirtschaftlichen Aspekten kann man Dritten Nutzungsrechte einräumen, und das ist hier wohl auch passiert, die persönlichkeitsrechtlichen Aspekte sind nicht in dieser Weise übertragbar, man kann aber auf sie verzichten. Das sieht auch das Gericht so. Es geht dabei — ganz richtig — davon aus, dass an die Deutlichkeit des Verzichts auf die persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse des Urheberrechts strenge Anforderungen zu stellen sind:
Eine Vereinbarung über die Urheberbezeichnung im Rahmen einer Nutzungseinräumung, eine entsprechende Einschränkung derer, eine Vereinbarung über die Änderung der Urheberbezeichnung oder ein Verzicht hierauf ist, wie sich aus § 39 UrhG ergibt, trotz Unübertragbarkeit und Unverzichtbarkeit in Bezug auf das Stammrecht grundsätzlich zulässig (vgl. BGH UFITA 38, 1962, 340 – Straßen, gestern und morgen; BGHZ 126, 245 — Namensnennungsrecht des Architekten; Schricker, a.a.O., Vor §§ 12 ff. Rn. 28 f.; § 13 Rn. 22; § 39 Rn. 1, 8 m.w.N.). Indes sind diesbezüglich zum Schutze des Urhebers strenge Anforderungen zu stellen.
Allerdings führt das Gericht aus, dass ein solcher Verzicht auch konkludent erklärt, sich also aus dem Gesamtzusammenhang einer Vereinbarung ergeben kann:
Dies (das trotz der strengen Anforderungen ein konkludenter Verzicht möglich ist, d.A.) gilt einerseits für die Feststellung einer – gegebenenfalls auch stillschweigend – erfolgten vertraglichen Einschränkung des Namensnutzungsrechts (vgl. BGHZ 126, 245). Andererseits bedarf es zur Beurteilung der für den Urheber zumutbaren Resultate einer konkreten Interessenabwägung, bei der etwa die Intensität des Eingriffs, dessen Erforderlichkeit im Hinblick auf die im Rahmen der vertragsgemäßen Ausübung der Verwertung, die Branchenüblichkeit und der Vertrags- bzw. Verwertungszweck zu berücksichtigen sind (vgl. Schricker-Dietz, a.a.O., Vor §§ 12 ff. Rn. 28; § 39 Rn. 11, 14 ff.).
Aber — jetzt sind wir beim spannenden Punkt — auch wenn die Einräumung der wirtschaftlichen Nutzungsrechte sehr umfassend und weitreichend ist, erfasst sie nicht ohne weiteres auch die persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse mit. Das sind schlicht zwei verschiedene Paar Schuhe:
Ausdrücklich ist in der Nutzungsvereinbarung aus dem Jahre 1999 nicht geregelt, dass die Beklagte zu 2) über eine Bearbeitung der Software hinaus auch eine eigene Urheberschaft hieran behaupten und die diesbezüglichen Angaben – Copyrightvermerk, Hinweis auf Homepage der Klägerin etc. — ändern darf.
Denn:
Auch aus dem Gesamtkontext im Zusammenhang mit der Einräumung der Nutzungsrechte und umfassenden Bearbeitungsmöglichkeiten ergibt sich dies nicht. Die Beklagte zu 2) sollte zwar die Software “in denkbar umfassender Weise” auch in “veränderter Form unter Ausschluss” der Klägerin “in jeder Hinsicht” verwerten, sie auf “sämtliche Arten” nutzen, fortführen, “nach eigenem Ermessen bearbeiten und in sonstiger Weise umgestalten” und die “hierdurch geschaffenen Leistungsergebnisse in der gleichen Weise wie die ursprüngliche Fassung des Programms und der Dokumentation” verwerten dürfen. Indes liegt der Kern der Rechtseinräumung gerade nur in der Verwertung und der inhaltlichen Änderung des Programms als solchem, so dass mit diesem Regelungsinhalt vornehmlich nur Änderungen des Programms gemeint waren, ohne dass davon erkennbar auch die Urheberbenennung berührt war.
In der Praxis kann man also nur den Rat geben, über diese Fragen vor Abschluss einen Vertrages ganz explizit zu sprechen und sie dann auch klar und deutlich zu regeln. Denn gerade im Urheberrecht gilt: man bekommt als Rechteerwerber das — aber auch wirklich nur das — was man explizit bestellt (und — hoffentlich — auch bezahlt).
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