Zum Verzicht auf den “Copyright-Vermerk” — konkludent wird’s schwierig

Urheberrecht | 5. Februar 2008
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Urhe­ber, vor allem solche, die Soft­ware erstellen, sind bekan­nter­maßen selt­same Leute. Sie schaf­fen Dinge, die man nicht recht anfassen kann, die ohne Ver­lust der Sub­stanz kopiert wer­den kön­nen und sie schwitzen dabei meist nicht ein­mal richtig — wenn die Heizung nicht zu hoch gedreht und die Peper­oni-Piz­za nicht zu scharf ist. Und den­noch wollen sie für ihre Werke jede Menge Geld. Und selb­st wenn man ihnen das gibt beste­hen sie immer noch darauf, als Urhe­ber am Werk genan­nt zu wer­den.

Weil das offen­sichtlich schw­er einzuse­hen ist kommt es ab und an zu Stre­it. So in einem Fall, den das OLG Hamm mit Urteil vom 07.08.2007 (AZ 4 U 14/07) entsch­ieden hat. Die Entschei­dung ist vielle­icht im Einzel­nen nicht spek­takulär und schon gar nicht über­raschend, aber prax­is­rel­e­vant und solide begrün­det.

Der Sachver­halt ist lei­der ein wenig kom­pliziert und wim­melt nur so vor Insol­ven­zen, schwieri­gen Parteistruk­turen und anderen kom­plizierten Details. Für unsere kleine Betra­ch­tung rel­e­vant hat die Klägerin, ein Soft­ware­un­ternehmen, ein Pro­gramm für die Hotel­branche erstellt und der Beklagten hier­an umfassende Rechte eingeräumt. Der rel­e­vante Ver­trag — jeden­falls vielle­icht rel­e­vant, die Parteien waren sich nicht recht sich­er, ob es sich nicht um ein Scheingeschäft han­delte — lautet:

§ 2 Nutzungsrechte

1. Die I GmbH soll in denkbar umfassender Weise in die Lage ver­set­zt wer­den, die von der B hergestell­ten und unter § 1 Abs. 1 näher beze­ich­neten Soft­ware­pro­duk­te (…) in unverän­dert­er oder verän­dert­er Form unter Auss­chluss der B für das Gebi­et der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land in jed­er Hin­sicht zu ver­w­erten, sei es im eige­nen Unternehmen oder durch Weit­er­gabe an Dritte.

2. Ins­beson­dere erhält die Fir­ma I GmbH das auss­chließliche, zeitlich unbeschränk­te, räum­lich auf das Gebi­et der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land beschränk­te Recht, die unter § 1 Abs. 1 genan­nten Com­put­er­pro­gramme auf sämtliche Arten zu nutzen, u.a. die Com­put­er­pro­gramme in eige­nen oder frem­den Betrieben laufen zu lassen, sie zu vervielfälti­gen und zu ver­bre­it­en, fortzuführen oder über Fern­leitun­gen oder draht­los zu über­tra­gen. Eingeschlossen ist fern­er das Recht, ohne weit­ere Zus­tim­mung der B die unter § 1 Abs. 1 genan­nten Com­put­er­pro­gramme neb­st Doku­men­ta­tio­nen nach eigen­em Ermessen zu bear­beit­en oder in son­stiger Weise umzugestal­ten und die hier­durch geschaf­fe­nen Leis­tungsergeb­nisse in der gle­ichen Weise wie die ursprüngliche Fas­sung des Pro­gramms und der Doku­men­ta­tion zu ver­w­erten (…)

Das klingt bom­bastisch, ist aber eigentlich wegen der Spez­i­fizierungslast des § 31 Abs. 5 Satz 1 UrhG sehr diskutabel for­muliert. Wie auch immer: umfassende Nutzungsrechte soll­ten hier wohl vere­in­bart wer­den. In der Tat hat die Beklagte die Pro­gramme dann auch umfassend ver­w­ertet. Und zwar so umfassend, dass sie diese nicht nur verkauft, son­dern hat auch das Logo und den Copy­right-Ver­merk des Pro­gramms geän­dert hat: diese lauteten nur auf sie selb­st, nicht mehr auf die Klägerin. Diese war empört und möchte das nicht hin­nehmen.

Nun ver­hält es sich bekan­nter­maßen so, dass das Urhe­ber­recht — auch das an Soft­ware — ver­schiedene Aspek­te hat. Näm­lich wirtschaftliche und per­sön­lichkeit­srechtliche, wie eben etwa die Anbringung ein­er Urhe­ber­beze­ich­nung am Werk. Streng genom­men reden wir vor­liegend zwar gar nicht vom Urhe­ber­recht, son­dern von auss­chließlichen Nutzungsrecht­en (Kläger ist hier ja ein Soft­ware­un­ternehmen, nicht der ursprüngliche Pro­gram­mi­er), aber für unsere Betra­ch­tung darf das dahin­ste­hen. An den wirtschaftlichen Aspek­ten kann man Drit­ten Nutzungsrechte ein­räu­men, und das ist hier wohl auch passiert, die per­sön­lichkeit­srechtlichen Aspek­te sind nicht in dieser Weise über­trag­bar, man kann aber auf sie verzicht­en. Das sieht auch das Gericht so. Es geht dabei — ganz richtig — davon aus, dass an die Deut­lichkeit des Verzichts auf die per­sön­lichkeit­srechtlichen Befug­nisse des Urhe­ber­rechts strenge Anforderun­gen zu stellen sind:

Eine Vere­in­barung über die Urhe­ber­beze­ich­nung im Rah­men ein­er Nutzung­sein­räu­mung, eine entsprechende Ein­schränkung der­er, eine Vere­in­barung über die Änderung der Urhe­ber­beze­ich­nung oder ein Verzicht hier­auf ist, wie sich aus § 39 UrhG ergibt, trotz Unüber­trag­barkeit und Unverzicht­barkeit in Bezug auf das Stamm­recht grund­sät­zlich zuläs­sig (vgl. BGH UFITA 38, 1962, 340 – Straßen, gestern und mor­gen; BGHZ 126, 245 — Namen­snen­nungsrecht des Architek­ten; Schrick­er, a.a.O., Vor §§ 12 ff. Rn. 28 f.; § 13 Rn. 22; § 39 Rn. 1, 8 m.w.N.). Indes sind dies­bezüglich zum Schutze des Urhe­bers strenge Anforderun­gen zu stellen.

Allerd­ings führt das Gericht aus, dass ein solch­er Verzicht auch kon­klu­dent erk­lärt, sich also aus dem Gesamtzusam­men­hang ein­er Vere­in­barung ergeben kann:

Dies (das trotz der stren­gen Anforderun­gen ein kon­klu­den­ter Verzicht möglich ist, d.A.) gilt ein­er­seits für die Fest­stel­lung ein­er – gegebe­nen­falls auch stillschweigend – erfol­gten ver­traglichen Ein­schränkung des Namen­snutzungsrechts (vgl. BGHZ 126, 245). Ander­er­seits bedarf es zur Beurteilung der für den Urhe­ber zumut­baren Resul­tate ein­er konkreten Inter­essen­ab­wä­gung, bei der etwa die Inten­sität des Ein­griffs, dessen Erforder­lichkeit im Hin­blick auf die im Rah­men der ver­trags­gemäßen Ausübung der Ver­w­er­tung, die Branchenüblichkeit und der Ver­trags- bzw. Ver­w­er­tungszweck zu berück­sichti­gen sind (vgl. Schrick­er-Dietz, a.a.O., Vor §§ 12 ff. Rn. 28; § 39 Rn. 11, 14 ff.).

Aber — jet­zt sind wir beim span­nen­den Punkt — auch wenn die Ein­räu­mung der wirtschaftlichen Nutzungsrechte sehr umfassend und weitre­ichend ist, erfasst sie nicht ohne weit­eres auch die per­sön­lichkeit­srechtlichen Befug­nisse mit. Das sind schlicht zwei ver­schiedene Paar Schuhe:

Aus­drück­lich ist in der Nutzungsvere­in­barung aus dem Jahre 1999 nicht geregelt, dass die Beklagte zu 2) über eine Bear­beitung der Soft­ware hin­aus auch eine eigene Urhe­ber­schaft hier­an behaupten und die dies­bezüglichen Angaben – Copy­rightver­merk, Hin­weis auf Home­page der Klägerin etc. — ändern darf.

Denn:

Auch aus dem Gesamtkon­text im Zusam­men­hang mit der Ein­räu­mung der Nutzungsrechte und umfassenden Bear­beitungsmöglichkeit­en ergibt sich dies nicht. Die Beklagte zu 2) sollte zwar die Soft­ware “in denkbar umfassender Weise” auch in “verän­dert­er Form unter Auss­chluss” der Klägerin “in jed­er Hin­sicht” ver­w­erten, sie auf “sämtliche Arten” nutzen, fort­führen, “nach eigen­em Ermessen bear­beit­en und in son­stiger Weise umgestal­ten” und die “hier­durch geschaf­fe­nen Leis­tungsergeb­nisse in der gle­ichen Weise wie die ursprüngliche Fas­sung des Pro­gramms und der Doku­men­ta­tion” ver­w­erten dür­fen. Indes liegt der Kern der Recht­sein­räu­mung ger­ade nur in der Ver­w­er­tung und der inhaltlichen Änderung des Pro­gramms als solchem, so dass mit diesem Regelungsin­halt vornehm­lich nur Änderun­gen des Pro­gramms gemeint waren, ohne dass davon erkennbar auch die Urhe­ber­be­nen­nung berührt war.

In der Prax­is kann man also nur den Rat geben, über diese Fra­gen vor Abschluss einen Ver­trages ganz expliz­it zu sprechen und sie dann auch klar und deut­lich zu regeln. Denn ger­ade im Urhe­ber­recht gilt: man bekommt als Rech­teer­wer­ber das — aber auch wirk­lich nur das — was man expliz­it bestellt (und — hof­fentlich — auch bezahlt).

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