Schreibtisch nicht abgeschlossen: Renitente Kreditsachbearbeiterin durfte gekündigt werden

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Arbeitsrecht | 20. Oktober 2022
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Es war nicht das erste, nun aber wohl das let­zte Mal: Die Kündi­gung ein­er Kred­it­sach­bear­bei­t­erin, die wieder­holt gegen die Clean-Desk-Pol­i­cy im Unternehmen ver­stieß, war recht­mäßig. Das Lan­desar­beits­gericht Sach­sen stellt klar: Daten­schutz im Büro ist keine Kleinigkeit.

Clean-Desk-Pol­i­cys sind mit­tler­weile in vie­len pro­fes­sionell aufgestell­ten Unternehmen Stan­dard. Sie regeln, wie die Arbeit­sumge­bung ausse­hen muss, aber auch, wie die Mitar­beit­er ihren daten­schutzrechtlichen Pflicht­en nachkom­men müssen. So auch im Fall eines Unternehmens, das mit SNP Schlaw­ien einen Sieg vor dem Lan­desar­beits­gericht (LAG) Sach­sen errun­gen hat.

Die dort gel­tende „Richt­line für eine aufgeräumte Arbeit­sumge­bung und Bild­schirmsper­ren“ regelt unter anderem, dass Mitar­beit­er dafür sor­gen müssen, dass schützenswerte oder geheime Infor­ma­tio­nen – auf Papi­er oder auf dem Bild­schirm – nicht von Drit­ten einge­se­hen wer­den kön­nen. Wird der Arbeit­splatz ver­lassen oder ist unbeauf­sichtigt, „sind schützenswerte Akten, Daten­träger oder Hard­ware mit Infor­ma­tio­nen ord­nungs­gemäß wegzuschließen oder ord­nungs­gemäß zu entsor­gen“. Aus­drucke mit ver­traulichem Inhalt und Daten­träger dür­fen nicht offen liegen gelassen wer­den, „son­dern müssen in eine Schublade, einen Schrank oder der­gle­ichen ges­per­rt wer­den“.

Ein­er Sach­bear­bei­t­erin, die mehrfach gegen diese Vor­gaben ver­stieß, durfte das Unternehme kündi­gen, stellte das LAG mit Urteil vom 7 April fest (Az. 9 Sa 250/21), das inzwis­chen recht­skräftig ist. Die 51-Jährige, die seit 4 Jahren in dem Betrieb tätig war, war bere­its mehrfach mit Schlampigkeit­en aufge­fall­en und hat­te Ermah­nun­gen erhal­ten. Schließlich gab es auch zwei Abmah­nun­gen, weil sie Akten und aus­ge­druck­te Mails in ihrer Abwe­sen­heit auf ihrem Schreibtisch liegen ließ und dort auch Bear­beitungss­num­mern von Kun­den auf Kle­bezetteln standen.

Nicht abgeschlossener Schreibtisch ist keine Kleinigkeit

Das Fass lief über, als sich her­ausstellte, dass die Arbeit­nehmerin Unter­la­gen mit sen­si­blen Dat­en in ihrem unver­schlosse­nen Schreibtisch auf­be­wahrte, obwohl sie nicht im Büro war.  Das Unternehmen berief sich auf die bere­its erteil­ten Abmah­nun­gen und kündigte der Frau.

Zu Recht, wie nun das LAG in zweit­er Instanz bestätigte. Die Arbeit­srichter stellen fest, dass es nicht aus­re­iche, die Unter­la­gen, die laut der Richtlin­ie nicht von Drit­ten einge­se­hen wer­den dür­fen, bloß im Schreibtisch zu ver­stauen, wenn dieser nicht auch abgeschlossen wird. Bei dem nicht abgeschlosse­nen Schreibtisch han­dele es sich auch keineswegs bloß um eine Kleinigkeit, eine sog. Nebenpflichtver­let­zung: Arbeit­san­weisun­gen zum Daten­schutz gehörten zum Direk­tion­srecht des Arbeit­ge­bers, das die Mitar­beit­er akzep­tieren müssten, so das LAG.

Das Argu­ment der Arbeit­nehmerin, nicht ein­mal die Putzkolonne habe unbeauf­sichtigt Zugriff auf die Schreibtis­che in dem abgeschlosse­nen Büro gehabt, gere­icht ihr laut dem Gericht sog­ar zum Nachteil. Auch Kol­legin­nen und Kol­le­gen in der­sel­ben Abteilung dürften keinen Ein­blick in die Doku­mente erhal­ten, wenn sie nicht selb­st im Rah­men ihrer eige­nen Tätigkeit auch Zugriff auf genau diese sen­si­blen Dat­en hat­ten.

Abmahnungen wegen anderer Clean-Desk-Policy-Verstöße reichten aus

Es braucht bekan­ntlich einen Warn­schuss, bevor Arbeit­ge­ber eine Kündi­gung aussprechen dür­fen, Voraus­set­zung ist eine ein­schlägige gerecht­fer­tigte Abmah­nung. Die Abmah­nun­gen der Kred­it­sach­bear­bei­t­erin wegen der auf dem Schreibtisch vergesse­nen Akten und Mails sowie der auf Post-its notierten Bear­beitungsnum­mern sieht das LAG als in diesem Sinne ein­schlägig an, obwohl Unter­la­gen auf dem Schreibtisch zweifel­los etwas anderes sind als Unter­la­gen im nicht abgeschlosse­nen Schreibtisch.

Es reiche aus, wenn die Pflichtwidrigkeit­en aus dem­sel­ben Bere­ich stam­men, Abmah­nungs- und Kündi­gungs­gründe also in einem inneren Zusam­men­hang ste­hen, zitiert der LAG-Sen­at das Bun­de­sar­beits­gericht. Wer mehrfach in gle­ich­er oder ähn­lich­er Art gegen die Regeln ver­stoße, werde das auch wieder tun.

Ein Fehler kann passieren, mehrere ähnliche dürfen nicht passieren

Das recht­skräftige Urteil zeigt, dass die Gerichte in Sachen Daten­schutz auch im Arbeitsver­hält­nis zu Recht einen stren­gen Maßstab anle­gen: Den Schreibtisch nicht abzuschließen, ist keine Kleinigkeit, wenn sich dort sen­si­ble Unter­la­gen befind­en.

Natür­lich kann es ein­mal passieren, dass anson­sten stets zuver­läs­si­gen Arbeit­nehmern ein Fehler unter­läuft, etwas auf dem Schreibtisch vergessen oder aber dieser Schreibtisch beim Ver­lassen des Büros nicht abgeschlossen wird. Wenn das aber mehrfach passiert, kön­nen solche Ver­stöße gegen die inter­nen Richtlin­ien sehr wohl eine Kündi­gung recht­fer­ti­gen.

  • Tipp: Das LAG Sach­sen inter­pretiert in seinem Urteil den in der Richtlin­ie genutzten Begriff „wegsper­ren“ als Syn­onym für „wegschließen“ und sieht deshalb im nicht abgeschlosse­nen Schreibtisch einen ekla­tan­ten Ver­stoß gegen die Pol­i­cy. Wer als Arbeit­ge­ber noch sicher­er gehen will, sollte seine Richtlin­ie ins­ge­samt so klar und ein­deutig wie möglich for­mulieren, z.B. die Anweisung noch deut­lich­er for­mulieren, etwa „müssen in eine ver­schlossene Schublade, einem ver­schlosse­nen Schrank oder der­gle­ichen ges­per­rt wer­den“.

Michael Goebel ist Fachan­walt für Arbeit­srecht und betreut Arbeit­ge­ber, Freiberu­fler und Arbeit­nehmer in allen Fra­gen des Arbeit­srechts. Er  hält regelmäßig Vorträge zu arbeit­srechtlichen The­men.  https://de.linkedin.com › michael-goebel-2a7a06a9

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