Fotorecht Teil 12: Beiwerk, Versammlungen und höhere Zwecke der Kunst

Fotorecht | 6. Februar 2006
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Im vorigen Teil ging es um die Frage, wann Bild­nisse von Per­so­n­en der Zeit­geschichte ver­bre­it­et wer­den dür­fen, wer eine solche Per­son ist und ob die bekan­nte Unter­schei­dung zwis­chen absoluten und rel­a­tiv­en Per­so­n­en der Zeit­geschichte noch Sinn macht (zur Erin­nerung: nein, tut sie nicht). Heute soll es um die restlichen Fälle gehen, in denen die Ein­willi­gung der abge­bilde­ten Per­so­n­en zur Ver­bre­itung der Fotos verzicht­bar ist.

Lassen Sie uns nur der Über­sicht hal­ber noch mal kurz in das Gesetz schauen, das kann nicht schaden:

§ 23 Kun­stUrhG
(1) Ohne die nach § 22 erforder­liche Ein­willi­gung dür­fen ver­bre­it­et und zur Schau gestellt wer­den:

  1. Bild­nisse aus dem Bere­iche der Zeit­geschichte;
  2. Bilder, auf denen die Per­so­n­en nur als Bei­w­erk neben ein­er Land­schaft oder son­sti­gen Örtlichkeit erscheinen;
  3. Bilder von Ver­samm­lun­gen, Aufzü­gen und ähn­lichen Vorgän­gen, an denen die dargestell­ten Per­so­n­en teilgenom­men haben;
  4. Bild­nisse, die nicht auf Bestel­lung ange­fer­tigt sind, sofern die Ver­bre­itung oder Schaustel­lung einem höheren Inter­esse der Kun­st dient.

(2) Die Befug­nis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Ver­bre­itung und Schaustel­lung, durch die ein berechtigtes Inter­esse des Abge­bilde­ten oder, falls dieser ver­stor­ben ist, sein­er Ange­höri­gen ver­let­zt wird.

Schauen wir uns also die Punk­te 2 bis 4 aus dem ersten Absatz mal ein wenig genauer an.

Personen als Beiwerk

Eine Ein­willi­gung der Betrof­fe­nen zur Veröf­fentlichung eines Bildes ist dann ent­behrlich, wenn die Per­so­n­en nur als „Bei­w­erk“ erscheinen. Das meint zunächst, dass die Land­schaft oder die abge­bildete Örtlichkeit das eigentliche Motiv sein muss.

Die Recht­sprechung ver­langt in ein­er ver­bre­it­eten Formel, dass die Per­so­n­en­darstel­lung der Land­schafts­darstel­lung in ein­er Weise unter­ge­ord­net sein muss, dass sie auch ent­fall­en kön­nte, ohne, dass sich der Charak­ter des Bildes änderte. Nun weiß jed­er Fotograf, dass es das gar nicht gibt: Men­schen lock­ern ein Foto immer auf; ent­fall­en sie, ändert sich ganz selb­stver­ständlich das Bild, näm­lich von „belebt“ zu „lang­weilig-öde“. Da hat sog­ar die Jurispru­denz ein Ein­se­hen und meint, dass die Priv­i­legierung nicht notwendi­ger­weise ent­fällt, wenn die Änderung nur solcher­art ist.

Was aber nicht geht: eine Per­son wird aus der Anonymität der Abbil­dung her­aus­ge­hoben zum Blick­fang des Bildes gemacht.

Bsp: der Fall der „Oben-ohne-Baden­den am Strand“. Diese mochte zwar, eher klein abge­bildet, der „Bele­bung“ der Abbil­dung des Standes dienen. Bei solchen Gestal­tun­gen wan­dern die Blicke de Betra­chter dann aber wohl doch zu häu­fig auf die Badende statt auf den Stand, um sie als Bei­w­erk zu betra­cht­en.

Übri­gens: Wenn Sie den § 23 Abs. 1 Nr. 2 Kun­stUrhG aufmerk­sam lesen, in dem es um Per­so­n­en als Bei­w­erk geht, dann fällt Ihnen vielle­icht auf, dass die Vorschrift von „Bildern“ spricht, während es in Nr. 1 um „Bild­nisse“ geht. Das Geset­zt meint mit let­zeren immer solche Abbil­dun­gen, bei denen die Per­so­n­en die Haupt­sache bilden, vgl. § 22 Kun­stUrhG Satz 1. Nun sagt die ganze Vorschrift ohne­hin nichts anderes. Hier wird prak­tisch „dop­pelt gemop­pelt“.

Versammlungen, Aufzüge u.Ä.

Wer an öffentlichen Ver­anstal­tun­gen teil­nimmt, der muss damit rech­nen, dass diese fotografiert wer­den und die Teil­nehmer anbei gle­ich mit. Dabei wird der im Gesetz ver­wen­dete Begriff der „Ver­samm­lun­gen und Aufzüge“ recht weit ver­standen. Es unter­fall­en ihm Men­schenansamm­lun­gen, deren Teil­nehmer den kollek­tiv­en Willen haben, etwas gemein­sam zu tun.

Bsp: Darunter fall­en Demon­stra­tio­nen, Sportver­anstal­tun­gen, Rock­konz­erte, öffentliche Kon­gresse und ähn­lich­es. Bei Trauerzü­gen, Hochzeits­ge­sellschaften u.ä. ist zu dif­feren­zieren: diese unter­fall­en der Abbil­dungs­frei­heit nur insoweit, als sie in der Öffentlichkeit stat­tfind­en.

Am „kollek­tiv­en Willen, etwas gemein­sam zu tun“ fehlt es dage­gen etwa bei Men­schen, die mor­gens gemein­sam in der U‑Bahn sitzen. Darum merke: im öffentlichen Per­so­n­en- und Nahverkehr ist jed­er allein.

Abge­bildet wer­den muss aber die Ver­anstal­tung als solche. Dabei ist aber nicht immer die Totale zu wählen. Auch die Abbil­dung von Teilen der Ver­anstal­tung (bei denen dann natür­lich Per­so­n­en größer und bess­er erfasst wer­den) ist möglich, wenn ins­ge­samt der Charak­ter der Ver­anstal­tung einge­fan­gen wird.

Stre­it­en darf man inwieweit es zuläs­sig ist, einzelne Teil­nehmer ein­er Ver­anstal­tung her­auszuheben.

Bsp: Die Kam­era ein­er TV-Show blendet die gutausse­hende Blon­dine groß ins Bild, die über den lauen Witz des Mod­er­a­tors lächelt. Beim Karneval­sumzug fotografiert die Presse das Funken­mariechen. Bei ein­er Demon­stra­tion wer­den zwei Polizis­ten, die den Zug begleit­en, mit dem Tele aus der Menge geschnit­ten.

Hier wird vielfach vertreten, solche Abbil­dun­gen seien zuläs­sig, wenn sie einen repräsen­ta­tiv­en Ein­druck von der Ver­anstal­tung ver­mit­teln, jeden­falls – so manche Stim­men ein­schränk­end – wenn die abge­bilde­ten Per­so­n­en sich beson­ders exponieren. Ob es dafür genügt, jung, blond und weib­lich zu sein (siehe unser Beispiel), sei dahingestellt. Im Fall unseres Funken­mariechens wird man sog­ar schon disku­tieren dür­fen, ob hier nicht eine Per­son der Zeit­geschichte vor­liegt, Mariechen sein ist schließlich ein in bes­timmten Gegen­den Deutsch­lands sehr wichtiges Amt.

Höhere Interessen der Kunst

Die let­zte Aus­nahme des § 23 Abs. 1 Kun­stUrhG bezieht sich nur auf Bild­nisse, also Abbil­dun­gen, bei denen Per­so­n­en das Haupt­mo­tiv bilden. Voraus­set­zung für die Anwend­barkeit ist weit­er­hin, dass das Bild­nis nicht auf Bestel­lung gefer­tigt wurde. Denn wer bestellt, der schafft an, das sank­tion­iert auch das Gesetz.

Im Weit­eren muss die Ver­bre­itung oder Zurschaustel­lung einem „höheren Inter­esse der Kun­st“ dienen. Achtung: erfasst wer­den vom kün­st­lerischen Inter­esse muss in der Tat die Ver­bre­itung und Zurschaustel­lung selb­st. Die Bild­nisse ans sich müssen nicht notwendi­ger­weise kün­st­lerische Ansprüche erfüllen.

Bsp: Der bekan­nte Aktion­skün­stler Chad Croskie ver­wen­det Urlaub­ss­chnapp­schüsse, um ein Gesamtkunst­werk zu schaf­fen, näm­lich eine Kol­lage in Form ein­er Son­nenölflasche. Dies soll die Verge­blichkeit des dies­seit­i­gen Tuns doku­men­tieren, fern­er, dass alles Wollen eit­el ist. Die ver­wen­de­ten Fotos selb­st sind belan­g­los.

Wenn der Kün­stler etwa mit ein­er Ausstel­lung, bei der solche Bilder gezeigt wer­den, neben­bei auch noch Geld ver­di­ent, dann ist das übri­gens unschädlich. Von irgend­was müssen ja auch Kün­stler leben.

Der Anwen­dungs­bere­ich der Vorschrift wird inzwis­chen erweit­ernd aus­gelegt auf Bilder, die wis­senschaftlichen Zweck­en dienen.

Bsp: Abbil­dun­gen von beson­ders schick­en Krankheits­bildern in medi­zinis­chen Lehrbüch­ern. Allerd­ings sind hier, soweit möglich, die Per­so­n­en unken­ntlich zu machen.

Abwägung mit berechtigten Interessen der Abgebildeten

Sämtliche Aus­nah­men des § 23 Kun­stUrhG wer­den nicht ohne jede Beschränkung gewährt. Vielmehr sind berechtigte Inter­essen der Betrof­fe­nen zu wahren. Bedeu­tung hat diese Bes­tim­mung dabei vor allem für die Bild­nisse im Rah­men der Zeit­geschichte.

Das bet­rifft vor allem Berichte aus der Intim­sphäre der Per­son, die grund­sät­zlich unzuläs­sig, sind, sowie Berichte aus der Pri­vat­sphäre, an denen ein ern­sthaftes Infor­ma­tion­sin­ter­esse zumin­d­est recht oft nicht gegeben sein wird. Selb­st Promi­nente haben ein Recht, ab und an allein gelassen zu wer­den. Die Details hierzu wur­den schon im vorigen Teil disku­tiert, auf den ich nochmals ver­weise.

Bitte lesen Sie auch die Teile 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 , 9,
10 und 11 der Serie. Im näch­sten Teil wird es dann um die weit­eren Aus­nah­men vom Erforder­nis der Ein­willi­gung des Abge­bilde­ten gehen.

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