Karenzentschädigung für nachvertragliches Wettbewerbsverbot: RSUs der Muttergesellschaft des Arbeitgebers zählen nicht mit

© magele-picture/stock.adobe.com
Arbeitsrecht | 1. September 2022
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Bei der Berech­nung der Karenz­ent­schä­di­gung für ein nach­ver­trag­li­ches Wett­be­werbs­ver­bot sind  Leis­tun­gen, die der ehe­ma­li­ge Arbeit­neh­mer mit der Mut­ter­ge­sell­schaft des Ver­trags­ar­beit­ge­bers ver­ein­bart hat, laut dem Bun­des­ar­beits­ge­richt nicht zu berück­sich­ti­gen.

Vor dem Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ist ein Arbeit­neh­mer, der von sei­ner ehe­ma­li­gen Arbeit­ge­be­rin zuletzt noch rund 80.000 Euro Karenz­ent­schä­di­gung for­der­te, mit sei­ner Revi­si­on geschei­tert. Die sog. Karenz­ent­schä­di­gung wird zum Aus­gleich für die Ein­hal­tung eines nach­ver­trag­li­chen Wett­be­werbs­ver­bots ver­ein­bart.

Der kla­gen­de Arbeit­neh­mer hat­te sich an sein arbeits­ver­trag­lich ver­ein­bar­tes neun­mo­na­ti­ges unter­neh­mens­grup­pen­wei­tes nach­ver­trag­li­ches Wett­be­werbs­ver­bot gehal­ten und ver­lang­te von sei­ner ehe­ma­li­gen Arbeit­ge­be­rin nun, bei der Berech­nung sei­ner Karenz­ent­schä­di­gung auch beschränk­te Akti­en­er­werbs­rech­te zu berück­sich­ti­gen, die er wäh­rend sei­nes Arbeits­ver­hält­nis­ses erwor­ben hat­te. Er hat­te näm­lich an einem sog. RSU-Pro­gramm teil­ge­nom­men und so jähr­lich eine bestimm­te Anzahl von Rest­ric­ted Stock Units (RSU) erhal­ten. Aller­dings hat­te er die Ver­ein­ba­rung dar­über nicht mit sei­nem Arbeit­ge­ber abge­schlos­sen, son­dern mit deren Ober­ge­sell­schaft, einem US-ame­ri­ka­ni­schen Unter­neh­men.

Nur Vereinbarungen unmittelbar mit dem Arbeitgeber zählen für die Entschädigung

Dar­an schei­ter­te nun sei­ne Kla­ge auf Zah­lung einer höhe­ren Karenz­ent­schä­di­gung, näm­lich auch aus dem Wert der erhal­te­nen RSUs. Laut dem 8. Senat des BAG sind die ihm wäh­rend des Arbeits­ver­hält­nis­ses gewähr­ten RSUs näm­lich kei­ne Leis­tung sei­nes Arbeit­ge­bers und damit kei­ne „ver­trags­mä­ßi­ge Leis­tung“ im Sin­ne von § 74 Abs. 2 Han­dels­ge­setz­buch (HGB) (BAG, Urt. v. 28.08.2022, Az. 8 AZR 453/21). Die Vor­schrift, die die Grund­la­gen der gesetz­li­chen Min­dest-Karenz­ent­schä­di­gung bei Ver­ein­ba­rung eines nach­ver­trag­li­chen Wett­be­werbs­ver­bots defi­niert, umfas­se „nur sol­che Leis­tun­gen, die auf dem Aus­tausch­cha­rak­ter des Arbeits­ver­trags beru­hen und die der Arbeit­ge­ber dem Arbeit­neh­mer als Ver­gü­tung für geleis­te­te Arbeit schul­det“, so das BAG.

Die Ver­ein­ba­run­gen über die RSU aber habe der Arbeit­neh­mer eben mit der Mut­ter­ge­sell­schaft getrof­fen und nicht mit sei­nem Arbeit­ge­ber. Anders könn­te es laut dem Senat nur sein, wenn der Arbeit­ge­ber selbst aus­drück­lich oder kon­klu­dent eine (Mit-)Verpflichtung für die­se Leis­tung über­nom­men hät­te, was das zunächst zustän­di­ge Lan­des­ar­beits­ge­richt aber hier zu Recht ver­neint habe.

Auch dass die Zah­lung als Karenz­ent­schä­di­gung für ein „unter­neh­mens­grup­pen­wei­tes“ nach­ver­trag­li­ches Wett­be­werbs­ver­bot ver­ein­bart wor­den war, ändert laut dem BAG nichts. Selbst wenn das nach­ver­trag­li­che Wett­be­werbs­ver­bot zu weit gefasst gewe­sen wäre, wäre als Rechts­fol­ge (§ 74a HGB) das Ver­bot auf das zuläs­si­ge Maß redu­ziert wor­den. Am Umfang der kom­pen­sier­ten Karenz­ent­schä­di­gung aber hät­te auch das nichts geän­dert, argu­men­tiert das BAG.

Selbst in globalen Matrixstrukturen zählt nur das formale Vertragsverhältnis

RSUs wecken nach wie vor Begehr­lich­kei­ten bei Arbeit­neh­mern und Betriebs­rä­ten und füh­ren zu vie­len recht­li­chen Fra­ge­stel­lun­gen. Nach­dem schon die betriebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Aus­kunfts- und Mit­be­stim­mungs­rech­te bezüg­lich von Mut­ter­ge­sell­schaf­ten gewähr­ter RSUs im Sin­ne der Arbeit­ge­ber geklärt wer­den konn­ten, hat das BAG nun sei­ne Linie fort­ge­setzt und die von Mut­ter­ge­sell­schaf­ten gewähr­ten RSUs auch der Karenz­ent­schä­di­gungs­be­rech­nung ent­zo­gen. Für die Arbeit­ge­ber wären die Akti­en­er­werbs­rech­te ansons­ten auch ein unkal­ku­lier­ba­rer Fak­tor bei einem nach­ver­trag­li­chen Wett­be­werbs­ver­bot, zumal sie auf die Gewäh­rung der RSUs selbst kei­nen Ein­fluss haben.

Inso­weit scheint sich der Grund­satz aus­zu­bil­den, dass Leis­tun­gen ande­rer Gesell­schaf­ten, für die der Ver­trags­ar­beit­ge­ber nicht zumin­dest auch selbst ein­steht, für das Arbeits­ver­hält­nis zwi­schen Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer nicht rele­vant sind. Auch bei unter­neh­mens­über­grei­fen­der, auch glo­ba­ler Zusam­men­ar­beit selbst in Matrix­struk­tu­ren, in denen der Ver­trags­ar­beit­ge­ber in den Hin­ter­grund rückt, wir­ken ver­trag­li­che Ansprü­che grund­sätz­lich nur im for­ma­len Ver­trags­ver­hält­nis.

Für Arbeit­neh­mer führt das zu erschwer­ten Bedin­gun­gen. Sie müs­sen Ansprü­che aus RSUs ggf. in einer frem­den Rechts­ord­nung in einem frem­den Land gegen die Ober­ge­sell­schaft gel­tend machen. Für Arbeit­ge­ber bedeu­tet die­se Ten­denz, dass Leis­tun­gen ande­rer Gesell­schaf­ten ohne wirt­schaft­li­che Aus­wir­kun­gen auf das Unter­neh­men blei­ben – und dass künf­tig wohl ver­sucht wer­den wird, varia­ble Ver­gü­tun­gen  über Grup­pen­un­ter­neh­men zusa­gen zu las­sen, zumal dafür auch die betriebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Beschrän­kun­gen nicht gel­ten.

Dr. Petra Oster­mai­er ist Part­ner bei SNP Schla­wi­en Part­ner­schaft mbB und schwer­punkt­mä­ßig im Arbeits­recht tätig. Sie berät und betreut neben mul­ti­na­tio­na­len Kon­zer­nen auch mit­tel­stän­di­sche und klei­ne­re Unter­neh­men in allen Fra­gen des indi­vi­du­el­len und kol­lek­ti­ven Arbeits­rechts. Hier­bei ver­tritt sie Arbeit­ge­ber nicht nur vor Gericht, son­dern beglei­tet die­se auch bei Ver­hand­lun­gen mit Gewerk­schaf­ten, Betriebs­rä­ten und in Eini­gungs­stel­len. Dane­ben unter­stützt Petra Oster­mai­er Vor­stän­de, Geschäfts­füh­rer und lei­ten­de Ange­stell­te bei ihren Ver­trags­ver­hand­lun­gen mit Unter­neh­men. Ihre Tätig­keit umfasst außer­dem die Bera­tung von Unter­neh­men im Daten­schutz sowie im Bereich des öffent­li­chen Rechts, vor­wie­gend im öffent­li­chen Bau­recht und Kom­mu­nal­ab­ga­ben­recht.
https://de.linkedin.com/in/dr-petra-ostermaier-90069021

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Über den autor

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Kündigung pünktlich zustellen: Neues zur Beweislast vom BAG

In den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers eingeworfene Kündigungsschreiben gelten als zugestellt, sobald mit der Leerung unmittelbar nach Abschluss der üblichen Postzustellzeiten zu rechnen ist – unabhängig davon, wann der Briefkasten tatsächlich geleert oder die Post gelesen wird. Was bedeutet das für Arbeitgeber?   Der Zeitpunkt der Zustellung einer Kündigung ist aus mehreren Gründen wichtig. Wann die Kündigung zugegangen ist, ist sowohl...

Handel mit Urlaubstagen: Darf‘s ein bisschen mehr sein?

Aus den USA kommt ein Trend auch nach Deutschland: Beschäftigte wollen mehr Urlaubstage – und sind bereit, sie von anderen Beschäftigten zu kaufen. Unternehmen, die sich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren wollen, sind geneigt, solchen Wünschen nachzugeben. Doch der Trend bringt auch Herausforderungen mit sich. Vorab ist festzuhalten, dass der gesetzliche Mindesturlaub - das sind bei einer Fünf-Tage-Woche 20 Tage -...