Der Albtraum eines jeden Betriebs: Die Insolvenz! Und mindestens ebenso betroffen von diesem Unglück sind die Vertragspartner des insolvent gegangenen Betriebs. Aber kann eine Vertragspartei so ohne weiteres sämtliche Verträge kündigen? Dr. Wolfgang Heinze klärt über die Möglichkeiten auf.
Bei langfristig angelegten Vertragsbeziehungen stellt die Insolvenz des Vertragspartners die für den Vertrag in der Regel schwerwiegendste Unwägbarkeit dar. Gerät der Vertragspartner in Insolvenz, besteht daher oft das Bedürfnis, sich schnellstmöglich vom Vertrag zu lösen, um dauerhaft die Lieferkette durch Auswahl eines neuen Vertragspartners sicherzustellen. Hierzu sieht der Vertrag in der Regel ein außerordentliches Kündigungsrecht vor. Da ein außerordentliches Kündigungsrecht der einen Vertragspartei das Recht gibt, „sich vom Vertrag zu lösen“, wird im insolvenzrechtlichen Kontext auch von sog. „Lösungsklauseln“ gesprochen. Das deutsche Recht erkennt solche Kündigungen jedoch nur eingeschränkt als wirksam an.
Das deutsche Insolvenzrecht hat mit § 103 InsO (Insolvenzordnung) die Grundentscheidung getroffen, dass ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens – nicht aber bereits mit der Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters – der Insolvenzverwalter über das Fortbestehen der vertraglichen Beziehungen entscheiden können soll. Er soll die Möglichkeit erhalten, über die Sanierungschancen bzw. die für die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger beste wirtschaftliche Lösung entscheiden zu können. Gemäß § 103 InsO entscheidet somit der Insolvenzverwalter, ob er einen gegenseitigen Vertrag nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterführen möchte oder nicht.
Abgesichert wird diese Grundentscheidung von § 119 InsO, der eine Vereinbarung verbietet, durch die das in § 103 InsO verankerte Wahlrecht des Insolvenzverwalters ausgeschlossen oder beschränkt wird. Eine vertragliche Regelung, die ein außerordentliches Kündigungsrecht für den nicht insolventen Vertragspartner vorsieht, muss sich somit an diesen Vorgaben messen lassen.
Ein vertragliches Kündigungsrecht ist uneingeschränkt zulässig, wenn es insolvenzunabhängig ist. Dies betrifft Kündigungsrechte, die
Bei den sog. insolvenzabhängigen Lösungsklauseln stellt sich dagegen das Bild differenzierter dar
Unwirksam sind Klauseln, die folgende Fälle betreffen:
Als wirksam sind dagegen Klauseln anerkannt worden mit einem außerordentlichen Kündigungsrecht
Diese Übersicht zeigt umgekehrt, dass ein vertragliches außerordentliches Kündigungsrecht für denjenigen, der „nur“ Geld vom Vertragspartner zu beanspruchen hat, regelmäßig unwirksam ist, wenn das Kündigungsrecht an der Insolvenz oder Insolvenzantragstellung anknüpft. Die Insolvenzordnung weist dem Geldleistungsgläubiger damit im Interesse der Erhaltung der Sanierungschancen bzw. Verwertung des Vermögens des insolventen Unternehmens zugunsten aller Gläubiger erheblich stärkere „Zumutungen“ zu als demjenigen, der die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen fordern kann.
Vor diesem Hintergrund ist bei der Formulierung von Kündigungsrechten in einem Vertrag, die an der Insolvenz eines Vertragspartners anknüpfen Vorsicht geboten, wenn es um die Insolvenz derjenigen Vertragspartei geht, die „nur“ Geld zu zahlen hat. Hier bleibt dem Vertragspartner nur, im Vertrag außerordentliche Kündigungsrechte vorzusehen und auszuüben, die an frühere Zeitpunkte anknüpfen, z.B. an den Verzug gemäß § 286 BGB oder an die Gefährdung der Leistungsfähigkeit im Sinne von § 321 Abs. 2, Abs. 1 BGB.
Dagegen kann sich diejenige Vertragspartei, die die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen verlangen kann, weitergehend absichern und z.B. in Allgemeinen Einkaufsbedingungen oder in Rahmenverträgen ein außerordentliches Kündigungsrecht für den Fall der Insolvenzeröffnung des Lieferanten/ Dienstleisters/ Werk-/Bauunternehmers aufnehmen. Knüpft ein solches Kündigungsrecht an typischen oder einzelfallbezogen beschriebenen, mit der Insolvenz des Vertragspartners einhergehenden, risikoerhöhenden Situationen an, z.B. bzgl. Gewährleistungsansprüchen oder zukünftigen Leistungen, ist eine solche Klausel wirksam. Sie bietet dann dem kündigenden Auftraggeber eine rechtssichere Möglichkeit, sich schnell vom Vertrag zu lösen und für die weitere Sicherung der Belieferung oder Fertigstellung des Werks neu disponieren zu können. Es empfiehlt sich daher durchaus, etwaige Regelungen in Rahmenverträgen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen insoweit einer Überprüfung zu unterziehen und diese konkretisierend zu ergänzen.
Der Autor Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Heinze ist Partner bei SNP Schlawien Rechtsanwälte. Der Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für Vergaberecht berät schwerpunktmäßig mittelständische Unternehmen sowie Tochtergesellschaften und Niederlassungen deutscher und ausländischer Konzerne in allen Fragen des Handels- und Gesellschaftsrechts. www.linkedin.com/in/wolfgang-heinze
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