Bei der Frage der Finanzierung des Startups gibt es nicht den „üblichen“ Finanzierungszyklus. Vielmehr gibt es verschiedene Wege, die alle in der jeweiligen Situation richtig sein können. Im ersten Teil der Serie „Finanzierungsmöglichkeiten für Startups“ führt Andreas Lieb durch den Dschungel der Kapitalmöglichkeiten.
Zunächst stellt sich die grundsätzliche Frage, ob man seine Unternehmung aus eigenen Mitteln finanzieren (sog. Bootstrapping) oder ob man auf externe Investoren als fremde Kapitalgeber setzen möchte. Nachfolgende Finanzierungsphasen beziehen sich auf Letztere. Die angegebenen Volumina in Bezug auf das einzuwerbende Kapital sind dabei nur ungefähre Schätzungen und können sowohl nach unten als auch nach oben deutlich abweichen.
In der ersten, sogenannten „Seed-Phase“, ist das Start-up meist nicht mehr als eine ungefähre Idee. Hier geht es zunächst darum, das Kapital für die Konkretisierung der Idee und Entwicklung eines Prototypens zu sichern. Dabei ist das oft die schwierigste Investitionsphase, da das Unternehmen über einen Businessplan hinaus nichts Greifbares hat, das Investoren überzeugen könnte. Daher müssen andere Geldquellen erschlossen werden.
Finanzierungsvolumen in dieser Phase ca. bis EUR 100.000
Zunächst werden die Gründer natürlich das eigene Ersparte “angreifen“. In der Regel sind sie in dieser Phase auch noch weiterhin angestellt, was auch sinnvoll ist. Zum einen können so auch Teile des Gehalts in das Start-up fließen und zum anderen sind die Lebenshaltungskosten gedeckt. Ein trauriger Trost: Wer neben dem Vollzeitjob gründet, hat ohnehin wenig Freizeit in der er das Gehalt ausgeben könnte.
Schnell ist das eigene Geld aufgebraucht und die nächsten Anlaufstellen sind dann häufig die drei „Fs“: Familie, Freunde und scherzhaft als „Fools“ Bezeichnete, d.h. alle sonstigen Waghalsigen, die aus unterschiedlichen Gründen gerne Geld in eine Idee stecken möchten. Diese Finanzierung bietet oft den (aus Unternehmenssicht) Vorteil geringer oder keiner Zinsen, wenig Aufwand und einer kurzen Entscheidungsdauer. Jedoch ist eine unbeschönigte Aufklärung über die Risiken eines solchen Frühphaseninvestments aufgrund der persönlichen Nähe zu den Investoren sehr zu empfehlen.
Erste externe Geldgeber sind dann gewöhnlicherweise Banken. In erster Linie bieten sich dafür die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder die Förderbanken der Bundesländer an. Dabei handelt es sich immer um Fremdkapital, welches selbstverständlich auch wieder zurückgezahlt werden muss. Die Förderung kann unter anderem in der leichteren Kreditzugänglichkeit, Zinsvorteilen oder der teilweisen Übernahme des Kreditrisikos bestehen.
Eine Pauschalisierung der Darlehenssummen oder Laufzeiten ist kaum möglich, da es vielfältige Möglichkeiten gibt. Einige Beispiele:
Startkredite können häufig bei der Hausbank beantragt werden. Über die Förderbanken der Länder wird dann Kapital von bis zu EUR 100.000 zu attraktiven Konditionen (tilgungsfreie Startphase, reduzierte Zinssätze) vergeben. Über die Startfinanzierung 80 der L‑Bank (Baden-Württemberg) können sogar insgesamt bis zu EUR 600.000 je Unternehmen bzw. EUR 150.000 je Unternehmer abgerufen werden, die mit einer 80-prozentigen Bürgschaft der Bürgschaftsbank abgesichert sind.
Dabei handelt es sich um Kleinkredite im Rahmen von bis zu EUR 25.000, die aus dem Mikrokreditfonds Deutschland stammen. Die Bundesregierung hat damit ein flächendeckendes System zu Vergabe von Mikrokrediten in Deutschland etabliert, um dem Finanzierungsbedarf von Kleinunternehmen zu begegnen, die sonst keinen Zugang zu Kreditfinanzierungen haben. Diese werden ausschließlich von akkreditierten Mikrofinanzinstituten bewilligt und haben von dem Fond vorgegebene Rahmenbedingungen bzgl. Laufzeit und Zinssatz.
Mit Mikromezzaninkapital ist eine Mischform aus Eigen- und Fremdkapital (sog. Hybridkapital) gemeint. Über eine stille Beteiligung wird dem Unternehmen Eigenkapital zugeführt, dessen Rating verbessert sich und es wird neuer Kreditspielraum geschaffen. Der Mikromezzaninfond Deutschland ermöglicht eine maximale Beteiligungshöhe von EUR 50.000 (bzw. bei Zielgruppen-Unternehmen bis zu EUR 150.000) bei einer Laufzeit von 10 Jahren.
Betriebsmitteldarlehen werden auch von den Hausbanken vergeben. Laufzeiten von bis zu fünf Jahren und Volumina über EUR 100.000 sind möglich. Diese dienen zur Finanzierung des Umlaufvermögens und damit dem gesamten Prozess von Beschaffung der Rohstoffe über die Produktion bis hin zum Verkauf der Produkte an den Endkunden. Er bietet einen finanziellen Puffer für ihre laufenden Betriebskosten.
Im Gegensatz zum Betriebsmittelkredit wird mit einem Investitionskredit nicht das Umlauf‑, sondern das Anlagevermögen finanziert. Dieses setzt sich bspw. aus Immobilien, Maschinen, Fuhrparks oder der Geschäftsausstattung zusammen. Bei Finanzierung über Banken sollte beachtet werden, dass diese häufig die Gründung einer Gesellschaft voraussetzen. Die bei Start-ups beliebte Rechtsform der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) ist dabei häufig nicht ausreichend. Viele Banken möchten eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) als Unternehmensform sehen.
Acceleratoren sind oft über mehrere Monate dauernde Förderprogramme für Startups. Manchmal mit bestimmten Schwerpunkten z.B. Deep Tech oder Green Tech.
Es handelt sich dabei um keine klassische Finanzierungsmöglichkeit. Der finanzielle Vorteil liegt oft darin, dass der Accelerator Räumlichkeiten und teilweise auch Hardware oder Dienstleistungen zur Verfügung stellt, die sich Start-ups sonst erkaufen müssten. Viel interessanter sind bei einem solchen Programm allerdings das vermittelte Wissen und Netzwerk.
So ist es beispielsweise nicht untypisch, dass die Förderung mit einem Pitch-Day endet. Hier können die Programmteilnehmer ihr Start-up vor Investoren präsentieren und sich bestenfalls eine Folgefinanzierung sichern. Die Geldgeber betrachten das Accelerator-Programm dabei gerne als Filter und Qualitätssiegel, da die Teilnehmer sowohl die Auswahl- als auch die Mentoring-Phase erfolgreich absolviert haben.
Ein Inkubator geht darüber nochmal einen Schritt hinaus. Neben den oben erwähnten Vorteilen eines Accelerators haben sie noch weitere unterstützende Funktionen, vor allem auch im operativen Bereich.
Dabei sind vor allem finanzielle Leistungen interessant: So vergeben Inkubatoren teilweise Darlehen an Gründer, um Lebenshaltungskosten zu decken oder benötigte Hardware anzuschaffen. Diese Darlehen sind in der Regel als Wandeldarlehen (Convertible Loan) ausgestaltet. Der Inkubator hat also die Möglichkeit sein Darlehen in Eigenkapital umzuwandeln. Dann hat er zwar keinen Anspruch mehr auf Rückzahlung, aber dafür Anteile am Unternehmen, die ggf. deutlich wertvoller sein könnten.
Teilweise investieren Inkubatoren auch direkt mit Risikokapital (Venture Capital) zwischen EUR 100.000 und EUR 1.000.000, was andere Investoren in so einer frühen Phase eher nicht machen würden. Ein so frühes Investment hat aber auch Nachteile. Inkubatoren sichern sich deutlich mehr Anteile an eurem Unternehmen als es VC-Investoren in einer späteren Phase machen können. Gründer sollten Vor- und Nachteile sorgsam abwägen und definitiv vor Vertragsabschluss – egal ob Wandeldarlehen oder Beteiligungsvereinbarung – mit einem unabhängigen Experten Kontakt aufnehmen, um sich nicht zu einseitige Bedingungen aufdrücken zu lassen.
In dieser Phase geht es für ein Start-up darum, zu beweisen, dass das eigene Geschäftsmodell nicht nur in der Theorie funktioniert (Proof of Concept). Daneben kommen hier auch Kosten für die Gründung (Steuerberater, Rechtsanwalt, Notar, Handelsregister) dazu.
Da man noch keine aussagekräftigen Marktdaten hat, sind ein Business Plan und überzeugender (Elevator) Pitch, inkl. Pitch-Deck, entscheidend für den Erfolg der Finanzierungsrunde.
Häufig werden in dieser Phase die sogenannten „Business Angels“, meist wohlhabende Privatpersonen, die ersten professionellen Geldgeber sein. Neben dem finanziellen Investment bieten sie oft auch Erfahrungen, Fähigkeiten und Kontakte an.
In der Regel erhält der Business-Angel für seine Leistungen Geschäftsanteile im Rahmen einer Kapitalerhöhung, aber auch stille Beteiligung, oder Wandeldarlehen sind denkbar.
Wenn ein „professioneller Geldgeber“ ins Boot geholt wird, stellen Startups schnell fest, dass ihr eigenes Wissen oft nicht ausreichend für die Vertragsverhandlungen ist. Nicht jeder Business Angel ist auch wirklich ein Engel und schlecht verhandelte Beteiligungen können teuer werden.
Häufig werden in dieser Phase bis zu 20 % der Geschäftsanteile abgetreten. Bei Wandeldarlehen sichert sich der Business-Angel gerne Discounts, oder vereinbart Caps (Höchstbewertungen). Auch hohe Zinsen sind, aufgrund des erhöhten Risikos in der Frühphase, üblich. Auf bestimmte Regelungen (z.B. qualifizierter Rangrücktritt) sollte unbedingt geachtet werden.
Finanzierungsvolumen in dieser Phase ca.: bis EUR 100.000
In der nächsten Phase geht es an den Rollout des Produktes. Verfügt man nun aber nicht nur über einen Prototyp, sondern auch den Nachweis, dass das eigene Geschäftsmodell funktioniert, öffnet sich der Markt an potentiellen Investoren. Man wird so langsam interessant für Venture Capital Investoren, die nun die Chance sehen einzusteigen, bevor das Start-up abheben wird.
Hiervon gibt es verschiedene Ausprägungen.
VC-Gesellschaften investieren über Fonds in Start-ups. Teilweise haben diese Fonds verschiedene Branchen im Fokus und investieren nur in Start-ups, die in diesen Fokus passen.
Auch die Förderbanken der Länder stellen Wagniskapital über eigene Beteiligungsgesellschaften zur Verfügung. Diese meistens jedoch ohne Investitionsfokus. Daneben gibt es auch Fonds der KfW und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).
Viele Konzerne beteiligen sich über eigene Beteiligungsgesellschaften ebenfalls gerne an Start-ups, achten aber regelmäßig darauf, dass es dabei Synergien zu bereits bestehenden Produkten oder Branchen gibt. Ihnen geht es im Regelfall nicht nur um Hochskalierung des Start-ups.
Bevor es an die Verhandlung mit potentiellen VC-Investoren geht, müssen einige wichtige rechtliche Aspekte abgedeckt werden. Um mit den Investoren zu verhandeln, benötigen diese Informationen über Produkt und Geschäftsmodell. Diese sollte das Start-up natürlich nicht einfach rausgeben. Wichtig ist es, sich durch Vertraulichkeitsvereinbarungen (Non Disclosure Agreements) abzusichern. Verträge werden den Investoren in einem Datenraum zur Verfügung gestellt und von dem M&A Team sorgfältig geprüft. Hier kann rechtliche Nachlässigkeit das Investment kosten.
Kommt es zu einem Investment müssen Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung sowie Geschäftsordnung verhandelt werden, welche den Rahmen für die Zusammenarbeit abstecken.
Finanzierungsvolumen in dieser Phase ungefähr: ab EUR 100.000 bis EUR 1.000.000
Das Geschäftsmodell hat sich am Markt bewährt und das Unternehmen wird profitabel. Die Bewertung des Start-ups steigt. Nun geht es darum neue Märkte zu erobern und hoch zu skalieren. Neben Geld wird für neue Märkte teilweise auch strategisches Knowhow benötigt. Auch in dieser Phase sind die oben genannten VC Kapitalgeber regelmäßig noch involviert. Teilweise gibt es hier aber auch schon Private Equity Investoren, die Wachstumskapital anbieten.
Finanzierungsvolumen in dieser Phase ungefähr: ab EUR 1.000.000 bis zu mehreren Millionen
Je nach Bedarf kann in weiteren Finanzierungsrunden natürlich durch bestehende oder neue Investoren weiteres Kapital eingesammelt werden. Manchmal ist auch das „going public“ gewollt, also der Gang an die Börse um durch die öffentliche Ausgabe von Aktien der breiten Maße sowie institutionellen Investoren Zugang zu verschaffen. Aber Achtung: hiermit sind enorme Anforderungen verbunden.
Die Finanzierungsmöglichkeiten eines jungen Unternehmens sind vielfältig und komplex. Ab einem gewissen Zeitpunkt ist ein Experte unverzichtbar. Wir beraten sowohl Start-ups, als auch Investoren und kennen daher beide Seiten einer Finanzierung. Wie so oft gilt auch hier: Guter Rat ist teuer, aber schlechter Rat (oder gar kein Rat) wird am Ende noch viel teurer.
Gerne stehen wir bei diesen schwierigen Fragen an Eurer Seite und freuen uns über eine Kontaktaufnahme und ein erstes Gespräch zum Kennenlernen. Das natürlich ganz unverbindlich und kostenlos.
Andreas Lieb berät mittelständische Unternehmen und Startups im Handels- und Gesellschaftsrecht. Dabei unterstützt er bei der Gründung von Gesellschaften, Kapitalmaßnahmen, Strukturierungen, Finanzierungen und Erstellung von Beteiligungsverträgen sowie bei Unternehmenskäufen. https://www.linkedin.com/in/andreaslieb/
„Die Entscheidungsträger müssen wieder in die Haftung“, sagte der Familienunternehmer Wolfgang Grupp kurz vor seinem Rückzug als Chef von TRIGEMA, die Familie führt das Textilunternehmen persönlich haftend weiter. Doch ist die persönliche Haftung für jeden Unternehmer das Richtige? Wolfgang Grupp ist ein bekannter deutscher Unternehmer und ehemaliger Inhaber von TRIGEMA W. Grupp KG (ehemals TRIGEMA Inh. W. Grupp e.K.)....
In der dynamischen Start-up-Welt sind Acceleratoren und Inkubatoren entscheidende Instrumente, um Ihr Unternehmen voranzubringen. Acceleratoren bieten intensive Starthilfen für einen raschen Markteintritt, während Inkubatoren einen gezielten Nährboden für die detaillierte Ausarbeitung Ihrer Geschäftsidee schaffen. Doch welches Programm ist das richtige für Sie? Andreas Lieb bietet einen fundierten Einblick in beide Ansätze. (mehr …)