Arbeitgeber können den Erholungsurlaub von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Elternzeit für jeden vollen Monat der Elternzeit um 1/12 kürzen. Von dieser Möglichkeit müssen sie aber aktiv und rechtzeitig Gebrauch machen. Das Bundesarbeitsgericht stellt in einem aktuellen Urteil klar, wie und wann die Kürzung erfolgen muss – und wann sie zu spät ist.
In dem Fall, über den das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden hatte (BAG, Urt. vom 16.04.2024, Az. 9 AZR 165/23) musste der Arbeitgeber nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einer Arbeitnehmerin 146 Urlaubstage abgelten. Knapp 25.000 Euro zuzüglich Zinsen wurden fällig, obwohl die Arbeitnehmerin nur noch einen Tag Resturlaub hatte, als sie in den Mutterschutz gegangen war und dann bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gearbeitet hatte.
Es ging um eine Konstellation, die so oder so ähnlich häufig vorkommen dürfte: Die Arbeitnehmerin hatte Anspruch auf 29 Urlaubstage im Jahr. Mit ihrem ersten Kind war sie ab Ende August 2015 im Mutterschutz. Im Anschluss an die mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote ging sie in Elternzeit. Sie wurde – noch in der Elternzeit für das erste Kind — erneut schwanger und nahm für das zweite Kind Elternzeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 25. November 2020. Danach verlangte sie Urlaubsabgeltung für 146 Tage.
Das BAG gab ihr – so wie schon die Vorinstanzen – Recht: Der Arbeitgeber hatte von seiner Kürzungsmöglichkeit für die Elternzeit nicht rechtzeitig Gebrauch gemacht. Der Anspruch der ehemaligen Arbeitnehmerin war auch noch nicht verjährt. Als Entgelt war das durchschnittliche Entgelt der letzten 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugrunde zu legen. Die Elternzeit bleibt außen vor.
Erholungsurlaub in Mutterschutz und Elternzeit
Auch während eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots erwerben Arbeitnehmerinnen Urlaubsansprüche. Soweit eine Frau ihren Urlaub wegen des Mutterschutzes nicht vollständig nehmen kann, kann sie das im laufenden oder darauf folgenden Urlaubsjahr nachholen, § 24 MuSchG. Der Urlaub verfällt also nicht nach der allgemeinen Regel des § 7 Abs. 3 BUrlG zum 31. März des Folgejahres.
Eine ähnliche Regelung gilt für die Elternzeit, § 17 Abs. 2 BEEG. Dann kann der Arbeitgeber allerdings — anders als bei Beschäftigungsverboten nach dem MuSchG – für jeden vollen Monat der Elternzeit den Erholungsurlaub um jeweils 1/12 kürzen, § 17 Abs. 1 BEEG. Er muss die Kürzung nicht ausdrücklich erklären, auch eine schlüssige oder stillschweigende Erklärung kann ausreichen, wenn sich daraus der Kürzungswille objektiv und deutlich ergibt, etwa indem er nur einen gekürzten Urlaub gewährt (BAG, Urt. v. 05.07.2022, Az. 9 AZR 341/21).
Wann muss der Arbeitgeber aktiv werden?
Wichtig ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Kürzung erklärt: Im laufenden Arbeitsverhältnis kann dies vor, während oder nach Ablauf der Elternzeit geschehen, jedoch frühestens dann, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin eine konkrete Elternzeit verlangt. Denn erst dann weiß der Arbeitgeber überhaupt, wie lange Elternzeit genommen wird und auf welchen Zeitraum sich eine Kürzung erstrecken kann. Die Kürzung kann sich nur auf eine bestimmte Elternzeit beziehen, also nicht pauschal „im Voraus“ erklärt werden (BAG, Urt. v. 19.03.2019, Az. 9 AZR 495/17).
Ist das Arbeitsverhältnis beendet, wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Abgeltungsanspruch um, § 7 Abs. 4 BUrlG. Dieser kann nicht mehr gekürzt werden. Darauf weist das BAG in seiner aktuellen Entscheidung ausdrücklich hin. Endet das Arbeitsverhältnis, ist also keine rückwirkende Kürzung mehr möglich.
Noch nicht fälliger Urlaub kann weder verfallen noch verjähren
Im Fall des BAG konnte sich der Arbeitgeber auch nicht auf Verjährung berufen: Vor Ablauf der zweiten Elternzeit war der Urlaubsanspruch wegen der Regelungen in § 24 MuSchG bzw. § 17 Abs. 1 BEEG noch nicht einmal fällig. Er konnte deshalb auch noch nicht verjähren, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
Da kam es schon nicht mehr darauf an, dass der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit in dem Fall nicht nachgekommen war. Er hatte die Arbeitnehmerin nämlich auch nicht rechtzeitig aufgefordert, ihren Urlaub zu nehmen.
Rechtzeitig richtig reagieren
Der Arbeitgeber versuchte sich noch mit dem Argument zu verteidigen, dass das Urlaubsentgelt mit „Null“ anzusetzen sei, weil die ehemalige Arbeitnehmerin während der Elternzeit kein Gehalt bezogen habe. Dass er die Gerichte mit diesem Argument nicht überzeugen konnte, war absehbar: Verdienstkürzungen wegen unverschuldeter Arbeitsversäumnis wirken sich auf die Höhe des Urlaubsentgeltes nicht aus, § 11 Abs. 1 S. 3 BurlG, und Elternzeit in Anspruch zu nehmen, ist weder rechtswidrig noch schuldhaft.
Die Kürzung des Erholungsurlaubs während der Elternzeit darf also nicht zu früh und nicht zu spät erklärt werden. Am besten sollten Unternehmen dies in dem Schreiben tun, mit dem sie die Inanspruchnahme von Elternzeit bestätigen. Das erspart beiden Seiten böse Überraschungen. Eine Kopie mit Empfangsquittung durch den Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin sollte zu Dokumentationszwecken zur Personalakte genommen werden.
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht