Baumängel: Und plötzlich ist die Abnahme trotzdem da

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Baurecht | 30. Januar 2025
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Die Fik­ti­on der Abnah­me nach § 640 Abs. 2 BGB setzt nicht vor­aus, dass das Werk abnah­me­r­eif ist. Viel­mehr kann sie auch ein­tre­ten, wenn noch wesent­li­che Män­gel an der Werk­leis­tung bestehen. Eine aktu­el­le Ent­schei­dung des Ober­lan­des­ge­richts Bran­den­burg erin­nert dar­an, was Bau­her­ren unbe­dingt beach­ten soll­ten, wenn der Unter­neh­mer die Abnah­me ver­langt.

 

Die Abnah­me der Werk­leis­tung ist für die Ver­trags­par­tei­en eines Werk­ver­trags sehr wich­tig. Mit ihr gehen bedeut­sa­me Rechts­fol­gen ein­her. Vor allem Auf­trag­ge­ber soll­ten sich die Vor­aus­set­zun­gen des Anspruchs des Werk­un­ter­neh­mers auf Abnah­me, aber auch das Insti­tut der Abnah­me­fik­ti­on klar machen.

Mit der Abnah­me erklärt der Auf­trag­ge­ber grund­sätz­lich, dass er das Werk als ver­trags­ge­mäß aner­kennt. Als Fol­ge der Abnah­me erlischt des­halb zunächst sein Anspruch auf Her­stel­lung der ver­trag­lich geschul­de­ten Leis­tung. Aller­dings ste­hen ihm nun Gewähr­leis­tungs­an­sprü­che zu, sofern und soweit die Leis­tung doch nicht ver­trags­ge­mäß, son­dern man­gel­be­haf­tet ist.

Dar­über hin­aus geht mit der Abnah­me die sog. Gefahr­tra­gung auf den Auf­trag­ge­ber über. Wird das Werk nach die­sem Zeit­punkt beschä­digt, ist die Beschä­di­gung also nicht mehr dem Auf­trag­neh­mer zuzu­rech­nen. Pro­zes­su­al ist zu beach­ten, dass sich die Beweis­last umkehrt: Jetzt muss der Auf­trag­ge­ber bewei­sen, dass Män­gel, die er behaup­tet, auch tat­säch­lich vor­lie­gen.

Schließ­lich ist die Abnah­me Vor­aus­set­zung für die Fäl­lig­keit des Werk­lohn­an­spruchs des Auf­trag­neh­mers. Auch die Ver­jäh­rungs­fris­ten für die Gewähr­leis­tungs­an­sprü­che fan­gen mit ihr an zu lau­fen. Der Auf­trag­neh­mer wird daher in aller Regel ein erheb­li­ches Inter­es­se an einer früh­zei­ti­gen Abnah­me haben. Für den Auf­trag­ge­ber kann hin­ge­gen Vor­sicht gebo­ten sein.

 

Die Abnah­me – und ihre Fik­ti­on

Natür­lich kann der Auf­trag­ge­ber die Abnah­me der Leis­tung auf frei­wil­li­ger Basis grund­sätz­lich immer erklä­ren. Aller­dings soll­te und wird er das in aller Regel erst nach Ein­tritt der sog. Abnah­me­r­ei­fe tun. Abnah­me­r­ei­fe liegt vor, wenn das Werk voll­stän­dig und ohne wesent­li­che Män­gel erstellt wur­de. Ist das nicht der Fall, gibt es grund­sätz­lich auch kei­ne Pflicht, die Abnah­me zu erklä­ren.

Doch Obacht: Nach § 640 Abs. 2 Bür­ger­li­ches Gesetz­buch (BGB) gilt ein Werk auch dann als abge­nom­men – mit allen genann­ten Fol­gen -, wenn der Auf­trag­neh­mer dem Auf­trag­ge­ber nach Fer­tig­stel­lung des Werks eine ange­mes­se­ne Frist zur Abnah­me gesetzt hat und die­ser die Abnah­me nicht ver­wei­gert und auf min­des­tens einen Man­gel ver­weist. Wer also auf ein Abnah­me­ver­lan­gen nicht oder nicht rich­tig reagiert, läuft Gefahr, dass die sog. Abnah­me­fik­ti­on ein­tritt, obwohl noch gar kei­ne Abnah­me­r­ei­fe vor­lag.

 

Män­gel hin­dern Abnah­me­fik­ti­on nicht

Zur Fra­ge, wann von einer „Fer­tig­stel­lung“ in die­sem Sin­ne (also im Sin­ne des § 640 Abs. 2 BGB) aus­zu­ge­hen ist, hat das Ober­lan­des­ge­richt (OLG) Bran­den­burg mit Urteil vom 21. Novem­ber 2024 (Az. 10 U 131/23) fol­gen­des klar­ge­stellt:

• Der Begriff der Fer­tig­stel­lung gemäß § 640 Abs. 2 BGB (Abnah­me­fik­ti­on) setzt kein abnah­me­r­ei­fes Werk vor­aus. Ein Anspruch des Werk­un­ter­neh­mers auf Abnah­me ist hier gera­de nicht erfor­der­lich.
• Das Werk muss ledig­lich voll­stän­dig her­ge­stellt sein.
• Män­gel der Werk­leis­tung hin­dern eine Abnah­me­fik­ti­on auch dann nicht, wenn die­se wesent­lich, also erheb­lich sind.

Wie der Begriff der Fer­tig­stel­lung im Sin­ne von § 640 Abs. 2 BGB im Detail zu defi­nie­ren ist, hat das OLG nicht ent­schie­den. Einig ist man sich aller­dings, dass der Begriff iso­liert zu betrach­ten ist und die im sons­ti­gen Werk­recht im Zusam­men­hang mit der Fer­tig­stel­lung her­an­ge­zo­ge­nen Defi­ni­tio­nen hier nicht ver­wen­det wer­den kön­nen.

Stellt man, wie das Gericht es zur Nega­tiv­ab­gren­zung tut, auf die Geset­zes­be­grün­dung ab, ist das Werk fer­tig­ge­stellt, „wenn die im Ver­trag genann­ten Leis­tun­gen abge­ar­bei­tet bezie­hungs­wei­se erbracht sind – unab­hän­gig davon, ob Män­gel vor­lie­gen oder nicht“. Mit der Fra­ge, was dies im Detail zu bedeu­ten hat, wer­den sich die Gerich­te aller­dings noch aus­ein­an­der­set­zen müs­sen.

 

Vor­sorg­lich den Man­gel auch noch ein­mal anzei­gen

Ergän­zend hat das Ober­lan­des­ge­richt Bran­den­burg zur Fra­ge Stel­lung genom­men, ob der Auf­trag­ge­ber auch dann eine Man­gel­an­zei­ge machen muss, um die Abnah­me­fik­ti­on zu ver­hin­dern, wenn die Män­gel dem Auf­trag­neh­mer bereits vor sei­nem Abnah­me­ver­lan­gen ange­zeigt wor­den sind. Das OLG hält das auch in die­sem Fall für nötig, da es dem Auf­trag­ge­ber zuzu­mu­ten sei, erneut einen kon­kre­ten Man­gel zu benen­nen. Die­se Ansicht trägt auch die Geset­zes­be­grün­dung. Dort heißt es: „Die­se Rechts­fol­ge ist unter Abwä­gung der Inter­es­sen der bei­den Ver­trags­part­ner gerecht­fer­tigt, da sie vom Bestel­ler jeder­zeit durch die Anga­be von Män­geln ver­hin­dert wer­den kann. Durch die­se Vor­schrift wer­den die Par­tei­en ange­hal­ten, sich im Fal­le der Abnah­me­ver­wei­ge­rung über die Grün­de dafür aus­zu­tau­schen und der Unter­neh­mer hat zeit­nah die Mög­lich­keit, tat­säch­lich bestehen­de Män­gel zu besei­ti­gen.“

Auch wenn Recht­spre­chung und Lite­ra­tur sich zu der Fra­ge noch nicht einig sind, soll­ten Auf­trag­ge­ber sicher­heits­hal­ber einen Man­gel noch ein­mal anzei­gen, auch wenn die­ser dem Unter­neh­mer schon bekannt ist. Zwar gibt es Exper­ten, die eine erneu­te Anzei­ge der Män­gel nicht für nötig hal­ten, da es rechts­miss­bräuch­lich wäre, wenn der Auf­trag­neh­mer sich auf die Abnah­me­fik­ti­on beru­fen wür­de, obwohl er von Män­geln weiß. Doch die Gegen­mei­nung kann sich auf den Wort­laut von § 640 Abs. 2 BGB beru­fen. Die Vor­schrift erklärt eine Man­gel­ben­en­nung für zwin­gend.

 

Auf jedes Abnah­me­ver­lan­gen reagie­ren!

Die Abnah­me­fik­ti­on und ihre Fol­gen zu ken­nen, ist für die Ver­trags­par­tei­en, vor allem aber für den Auf­trag­ge­ber, von ent­schei­den­der Bedeu­tung.

Wer meint, dass man auf ein offen­sicht­lich unbe­rech­tig­tes Abnah­me­ver­lan­gen nicht reagie­ren müs­se, läuft Gefahr, dass die Abnah­me­fik­ti­on den­noch ein­tritt – vor­aus­ge­setzt, das Werk ist bereits im Sin­ne von § 640 Abs. 2 BGB „fer­tig­ge­stellt“.

Eine Aus­nah­me macht das Gesetz, wenn der Auf­trag­ge­ber ein Ver­brau­cher ist wie beim Bau eines Eigen­heims. Ver­brau­chern gegen­über tritt die Abnah­me­fik­ti­on nur dann ein, wenn sie zuvor ord­nungs­ge­mäß und form­ge­recht auf die Rechts­fol­gen des § 640 Abs. 2 S. 1 BGB hin­ge­wie­sen wor­den sind.

Ob nun Unter­neh­mer oder Ver­brau­cher: Auf­trag­ge­ber von Bau- und ande­ren Werk­vor­ha­ben soll­ten vor­sorg­lich auf jedes Abnah­me­ver­lan­gen – egal ob offen­sicht­lich unbe­rech­tigt oder nicht – reagie­ren und, wenn vor­han­den, min­des­tens einen Man­gel – not­falls auch zum wie­der­hol­ten Male – benen­nen. So kön­nen sie die unter­wünsch­te Rechts­fol­ge der Abnah­me­fik­ti­on ver­mei­den.

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