Eskalation nach der Weihnachtsfeier: Darum sollten Arbeitnehmer nach der Party besser heimgehen

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Weih­nachts­fei­ern, die ein schlim­mes Ende neh­men, beschäf­ti­gen Gerich­te jedes Jahr. Heim­li­che Gela­ge im Auf­ent­halts­raum sind da noch das kleins­te Pro­blem – auch wenn sie eine Kün­di­gung recht­fer­ti­gen kön­nen. Doch so man­che Weih­nachts­fei­er endet tra­gi­scher. Rich­tig bit­ter wird es, wenn für die Kos­ten schwe­rer Unfäl­le dann kei­ne Unfall­ver­si­che­rung auf­kommt.

 

Weih­nachts­fei­er-Fort­set­zung im Auf­ent­halts­raum

In einem im Som­mer 2023 ver­han­del­ten Fall vor den Arbeits­ge­rich­ten in Nord­rhein-West­fa­len hat­te  bei einem Arbeit­ge­ber, einer süd­deut­schen Win­zer­ge­nos­sen­schaft, im Janu­ar eine (ver­spä­te­te) Weih­nachts­fei­er statt­ge­fun­den. Zunächst traf man sich im Betrieb zum Sekt­emp­fang. Um etwa 19:00 Uhr fuh­ren die Kol­le­gen gemein­sam mit einem vom Arbeit­ge­ber orga­ni­sier­ten Bus zur Loca­ti­on der Weih­nachts­fei­er. Der Bus brach­te gegen 23:00 Uhr die Mit­ar­bei­ter dann auch wie­der zum Betrieb des Arbeit­ge­bers zurück – auch den kla­gen­den Arbeit­neh­mer, einen Außen­dienst­mit­ar­bei­ter.

Doch dann ging es erst los: Im Anschluss traf er sich zunächst noch mit zwei Kol­le­gen in einem ca. 500 Meter ent­fern­ten Hotel, wo sie eine Fla­sche Wein tran­ken. Danach gin­gen der Arbeit­neh­mer und einer der bei­den Kol­le­gen zurück zum Betrieb des Arbeit­ge­bers.

Sie öff­ne­ten das Betriebs­tor mit der Schlüs­sel­kar­te des Kol­le­gen. Im Auf­ent­halts­raum setz­ten die bei­den ihre klei­ne Weih­nachts­fei­er fort und tran­ken gemein­sam vier Fla­schen Wein, was die Stim­mung offen­bar befeu­er­te. Im Abfall­ei­mer fan­den sich am nächs­ten Tag vie­le Ziga­ret­ten­stum­mel, es wur­de eine Man­da­ri­ne an die Wand gewor­fen, man ver­tausch­te im Rausch even­tu­ell sogar die Bril­len und am Boden fand sich Erbro­che­nes. Am nächs­ten Mor­gen stand das Hof­tor zum Betrieb des Arbeit­ge­bers offen.

Auch fan­den die bei­den eine Fahr­ge­le­gen­heit der ande­ren Art: Sie wur­den außer­halb des Betriebs­ge­län­des von der Poli­zei auf­ge­grif­fen und aus Angst vor einer Eigen­ge­fähr­dung nach Hau­se gefah­ren. Der Kol­le­ge, der sei­ne Schlüs­sel­kar­te zur Ver­fü­gung gestell­te hat­te, hat­te eini­ge Tage spä­ter gegen­über dem Arbeit­ge­ber ein­ge­stan­den, „etwas Schei­ße gebaut“ zu haben, und den getrun­ke­nen Wein dann auch bezahlt. Beim Arbeit­ge­ber exis­tiert eine Betriebs­ver­ein­ba­rung über ein Dro­gen- und Alko­hol­ver­bot sowie zum Rau­chen am Arbeits­platz.

 

Abmah­nung hät­te nicht gereicht: Kün­di­gung gerecht­fer­tigt

Das Unter­neh­men zeig­te dann auch für das Ver­hal­ten der bei­den Arbeit­neh­mer kein Ver­ständ­nis und kün­dig­te die Arbeits­ver­hält­nis­se frist­los, hilfs­wei­se ordent­lich. Der reu­ige Kol­le­ge akzep­tier­te die frist­lo­se Kün­di­gung und ent­schul­dig­te sich beim Arbeit­ge­ber für sein Ver­hal­ten. Der Außen­dienst­mit­ar­bei­ter hin­ge­gen zeig­te kei­ne Reue, son­dern erhob Kün­di­gungs­schutz­kla­ge.

Das Arbeits­ge­richt Wup­per­tal gab ihm sogar Recht. Es hielt die aus­ge­spro­che­ne Kün­di­gung sowohl als frist­lo­se als auch als ordent­li­che Kün­di­gung für unwirk­sam. Es sei dem Arbeit­ge­ber trotz des ent­stan­de­nen Ver­trau­ens­ver­lus­tes zumut­bar, den Arbeit­neh­mer zunächst nur abzu­mah­nen und das Arbeits­ver­hält­nis fort­zu­set­zen. Das Arbeits­ge­richt Wup­per­tal gestand zwar ein, dass eine erheb­li­che Pflicht­ver­let­zung vor­liegt, aller­dings sah es kei­ne Wie­der­ho­lungs­ge­fahr. Auch sei für den Arbeit­neh­mer auf­grund sei­ner Alko­ho­li­sie­rung nicht erkenn­bar gewe­sen, dass sein Arbeit­ge­ber sein Ver­hal­ten nicht hin­neh­men wer­de und sein Arbeits­ver­hält­nis auf dem Spiel ste­he (ArbG Wup­per­tal, Urt. v. 24.03. 2023, Az. 1 Ca 180/23).

Die­ses Urteil ließ der Arbeit­ge­ber nicht auf sich sit­zen. Und auch die Kam­mer am Lan­des­ar­beits­ge­richt Düs­sel­dorf äußer­te in der münd­li­chen Ver­hand­lung im Sep­tem­ber im Beru­fungs­ver­fah­ren, dass sie die Pflicht­ver­let­zung für so schwer­wie­gend hal­te, dass kei­ne Abmah­nung nötig gewe­sen sei. Die Rich­ter in der zwei­ten Instanz lie­ßen jedoch durch­bli­cken, dass womög­lich kei­ne frist­lo­se Kün­di­gung gerecht­fer­tigt sei, son­dern ledig­lich eine ordent­li­che Kün­di­gung unter Ein­hal­tung der Kün­di­gungs­frist. Schließ­lich haben Arbeit­neh­mer und Arbeit­ge­ber einen Ver­gleich geschlos­sen und das Arbeits­ver­hält­nis mit einer sozia­len Aus­lauf­frist been­det (LAG Düs­sel­dorf, Az. 3 Sa 284/23, Ver­hand­lung am 12. Sep­tem­ber 2023).

 

Toi­let­ten­sturz nach Über­nach­tung im Betriebs­ge­bäu­de

Wesent­lich tra­gi­scher ver­lief eine Weih­nachts­fei­er für einen Elek­tro­ni­ker. Er nahm im Dezem­ber 2018 an der betrieb­li­chen Weih­nachts­fei­er sei­ner Fir­ma teil. Die Weih­nachts­fei­er fand in einem Lokal nur weni­ge hun­dert Meter vom Fir­men­sitz statt. Der Arbeit­neh­mer kam mit sei­nem PKW, den er auf dem Fir­men­ge­län­de abstell­te. Die Fei­er begann um ca. 18.00 Uhr und ende­te gegen 1:30 Uhr – und das  feucht­fröh­lich.

Weil sie stark alko­ho­li­siert waren, woll­ten der Arbeit­neh­mer und ein ande­rer Kol­le­ge nicht mehr selbst mit dem Auto fah­ren und ent­schlos­sen sich, ein Taxi zu neh­men. Weil aber keins ver­füg­bar war, kamen die bei­den auf die Idee, im betrieb­li­chen Auf­ent­halts­raum auf Stüh­len sit­zend zu über­nach­ten, was auch ande­re Kol­le­gen zuvor gele­gent­lich schon gemacht hat­ten. Der Arbeit­ge­ber wuss­te davon nichts.

Am nächs­ten Mor­gen gegen 6:00 Uhr woll­te der noch immer alko­ho­li­sier­te Arbeit­neh­mer zur Toi­let­te gehen. Licht mach­te er sich für die­sen Weg nicht. Er fiel schließ­lich die Trep­pen zu den Toi­let­ten­räu­men im Unter­ge­schoss hin­un­ter und zog sich dabei unter ande­rem eine Quer­schnitts­läh­mung zu.

 

Kein ver­si­cher­ter Arbeits­un­fall

Die zustän­di­ge Unfall­ver­si­che­rung lehn­te die Aner­ken­nung die­ses Vor­falls als Arbeits­un­fall ab. Das Sozi­al­ge­richt Stutt­gart wies die Kla­ge eben­falls ab. Hier­ge­gen leg­te der Arbeit­neh­mer beim LSG Baden-Würt­tem­berg Beru­fung ein, doch Erfolg hat­te er damit nicht.

Bei einer Weih­nachts­fei­er han­delt es sich grund­sätz­lich um eine ver­si­cher­te betrieb­li­che Gemein­schafts­ver­an­stal­tung. Da die Fei­er, über deren Ver­lauf die Sozi­al­rich­ter in Stutt­gart nun zu ent­schei­den hat­ten, jedoch bereits gegen 1:30 Uhr ende­te, stand das Ver­let­zungs­er­eig­nis am nächs­ten Mor­gen in kei­nem zeit­li­chen und räum­li­chen Zusam­men­hang mehr zur Weih­nachts­fei­er.

Auch das anschlie­ßend eigen­mäch­tig auf­ge­schla­ge­ne Über­nach­tungs­la­ger stell­te kei­ne Fort­set­zung der Weih­nachts­fei­er im Betriebs­ge­bäu­de dar, stell­ten die Stutt­gar­ter Rich­ter fest. Die Über­nach­tung dort erfolg­te nicht im Ein­ver­neh­men mit dem Arbeit­ge­ber und sei somit eine pri­va­te, eigen­wirt­schaft­li­che Ent­schei­dung des Arbeit­neh­mers gewe­sen. Dass er zu betriebs­frem­den Zwe­cken im Betrieb über­nach­te­te, begrün­det laut dem LSG kei­nen Unfall­ver­si­che­rungs­schutz, selbst wenn der Arbeit­ge­ber frü­he­re Über­nach­tun­gen gedul­det haben soll­te (LSG Baden-Würt­tem­berg, Urt. v. 20.07.2023, Az. L 10 U 2477/20).

 

Kein ver­si­cher­ter Wege­un­fall

Schließ­lich war das Unfall­ereig­nis auch kein ver­si­cher­ter Wege­un­fall. Es ereig­ne­te sich schließ­lich nicht auf dem unmit­tel­ba­ren Heim­weg nach der Weih­nachts­fei­er, son­dern nach einer län­ge­ren, eigen­wirt­schaft­li­chen Unter­bre­chung des Weges. Hin­zu kommt, dass der Arbeit­neh­mer zum Unfall­zeit­punkt nicht auf dem Weg von der Fei­er nach Hau­se, son­dern zum Betriebs-WC war.

Der Elek­tro­ni­ker habe sich auf einem nicht not­wen­di­gen und somit nicht ver­si­cher­ten soge­nann­ten „Abweg“ befun­den, begrün­de­ten die Sozi­al­rich­ter ihre Ent­schei­dung. Er habe sei­nen Heim­weg nicht nur gering­fü­gig wegen sei­ner alko­hol­be­ding­ten Fahr­un­tüch­tig­keit unter­bro­chen. Die­se Gescheh­nis­se in der Unglücks­nacht wie auch die Unmög­lich­keit, ein Taxi zu rufen und schließ­lich den Ent­schluss, eigen­mäch­tig im Betrieb zu über­nach­ten, sah das LSG als pri­va­te, nicht betriebs­be­ding­te Grün­de an.

Zusam­men­fas­send kann man somit fest­hal­ten: Unfäl­le nach dem offi­zi­el­len Ende einer betrieb­li­chen Weih­nachts­fei­er sind grund­sätz­lich nicht mehr ver­si­chert. Eigen­mäch­ti­ge, pri­va­te Auf­ent­hal­te auf dem Betriebs­ge­län­de, um zum Bei­spiel wei­ter zu fei­ern, begrün­den kei­nen Unfall­ver­si­che­rungs­schutz. Ein Wege­un­fall-Ver­si­che­rungs­schutz besteht nur auf dem unmit­tel­ba­ren Weg. Durch län­ge­re, eigen­wirt­schaft­li­che Unter­bre­chun­gen wie eine Über­nach­tung wird er unter­bro­chen.

 

Pra­xis­tipp

Unter­neh­men kön­nen vor­beu­gen: durch kla­re Vor­ga­ben, einen defi­nier­ten End­punkt der Ver­an­stal­tung und deut­li­che Hin­wei­se, was nicht mehr betrieb­li­che Tätig­keit ist.

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