Wenn Gesellschafter sich trennen | Das muss eine Abfindungsklausel regeln

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Pläne kön­nen sich ändern, beru­flich wie pri­vat. Wenn Gesellschafter sich dann tren­nen, gibt es häu­fig Stre­it über die Abfind­ung für den Auss­chei­den­den. Wer wann was bekommt, was Gesellschafter früh klären soll­ten und was sie später vielle­icht noch ret­ten kön­nen, erk­lärt Dr. Wolf­gang Heinze.

Ob ein Gesellschafter selb­st kündigt oder von den übri­gen Gesellschaftern aus­geschlossen wird: Die Rechtsstre­it­igkeit­en über die Abfind­ung für den Auss­chei­den­den kön­nen sich über Jahre hinziehen. Für den Gesellschafter kann das gravierende Kon­se­quen­zen haben. Aber auch für die Gesellschaft kann allein die Ungewis­sheit darüber, was sie auszahlen muss, im schlimm­sten Fall exis­tenzbedro­hend sein.

Kün­ftige Gesellschafter soll­ten sich daher am besten im Vor­feld auf eine Abfind­ungsklausel eini­gen, die zu den eige­nen Plä­nen, aber auch zu der geplanten Gesellschaft und ihrer Zukun­ft passt. Selb­st wenn Klauseln unter Umstän­den vere­in­bart wur­den, die sich heute geän­dert haben oder den auss­chei­den­den Gesellschafter drastisch benachteili­gen, ist noch nichts ver­loren.

Der Grundsatz: Der Anteil, den man beim Ende der Gesellschaft bekäme.

Wer aus ein­er Gesellschaft auss­chei­det, bekommt eine Abfind­ung in Höhe des Wertes sein­er Beteili­gung. § 738 Abs. 1 S. 2 Bürg­er­lich­es Geset­zbuch (BGB) sieht vor, dass die Gesellschaft dem Auss­chei­den­den „das­jenige zahlen [muss], was er bei der Auseinan­der­set­zung erhal­ten würde“.

Bei der Auseinan­der­set­zung, wenn die Gesellschafter die Gesellschaft also ein­vernehm­lich been­den oder liq­ui­dieren, erhält jed­er von ihnen vom verbleiben­den Rein­ver­mö­gen der Gesellschaft den Anteil aus­bezahlt, der sein­er Beteili­gung entspricht. Der Rechts­gedanke dieser Vorschrift gilt für alle Gesellschafts­for­men mit Aus­nahme der Aktienge­sellschaft.

Der Anspruch auf die Abfind­ung entste­ht mit dem Auss­chei­den aus der Gesellschaft, d.h. zum Ablauf der jew­eili­gen Kündi­gungs­frist. Allerd­ings kann im Gesellschaftsver­trag eine abwe­ichende Auszahlungs­bes­tim­mung vere­in­bart wer­den. Schließlich kann die Abfind­ung auch beschränkt wer­den. Oft sollen solche Beschränkun­gen den Liq­uid­itätsabfluss bei der Gesellschaft ger­ing hal­ten, damit diese — im Inter­esse der verbleiben­den Gesellschafter — lebens­fähig bleibt.

Beschränkte Abfindungen — und ihre Grenzen

Unbe­gren­zt ist das allerd­ings nicht möglich. So kann eine Klausel, die eine Abfind­ung fes­tlegt, die schon bei Abschluss des Gesellschaftsver­trags unver­hält­nis­mäßig vom Verkehr­swert abwe­icht, wegen Sit­ten­widrigkeit nach § 138 BGB unwirk­sam sein. Die Abfind­ung ist dann nicht mehr nach dem Ver­trag, son­dern nach § 738 BGB zu bes­tim­men.

Außer­dem kann eine Abfind­ungsklausel nachträglich unwirk­sam wer­den, wenn der vere­in­barte Wert später drastisch vom Verkehr­swert abwe­icht. Dann kann ein Ver­stoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder eine ver­botene Kündi­gungs­beschränkung vor­liegen. In diesen Fällen wird ermit­telt, wie die Parteien die Abfind­ung fest­gelegt hät­ten, wenn sie gewusst hät­ten, wie sich der Verkehr­swert entwick­eln würde.

Die Sit­ten­widrigkeit und der Ver­stoß gegen Treu und Glauben sind unbes­timmte Rechts­be­griffe, die Vorschriften sind die am wenig­stens präzisen Nor­men des deutschen Zivil­rechts. Entsprechend unsich­er sind Prog­nosen über den Aus­gang von Rechtsstre­it­igkeit­en: Es kommt maßge­blich darauf an, wie das Gericht den Sachver­halt bew­ertet und den Gesellschaftsver­trag auslegt.

Verkehrswert oder Buchwert?

Enthält der Ver­trag keine vom Gesetz abwe­ichende Regelung oder ist diese aus den genan­nten Grün­den unwirk­sam, ste­ht dem auss­chei­den­den Gesellschafter nach § 738 BGB eine Abfind­ung in Höhe des Wertes sein­er Beteili­gung zu. Nach der Recht­sprechung erhält er dann entsprechend sein­er Beteili­gungsquote einen Anteil am „wirk­lichen Wert des Unternehmens ein­schließlich aller stillen Reser­ven und ein­schließlich des good will des Unternehmens“, also den Anteil am Verkehr­swert der Gesellschaft.

Dieser Wert der Gesellschaft muss ermit­telt wer­den. Kön­nen die Gesellschafter sich nicht auf eine Bew­er­tungsmeth­ode eini­gen, wird ein Sachver­ständi­ger beauf­tragt, der anhand anerkan­nter Maßstäbe der Unternehmens­be­w­er­tung (z.B. der Stan­dard IDW S 1) ein — regelmäßig recht aufwändi­ges – Gutacht­en erstellt.

Um diesen Aufwand zu ver­mei­den, sehen viele Gesellschaftsverträge ein­fachere Bew­er­tungsmeth­o­d­en vor wie z.B. die sog. Buch­w­ertk­lausel: „Der Gesellschafter erhält eine Abfind­ung in Höhe des Buch­w­ertes sein­er Beteili­gung gemäß dem Jahresab­schluss für das let­zte vor dem Zeit­punkt des Auss­chei­dens abgeschlossene Geschäft­s­jahr.“ Eine solche Klausel will eine Beteili­gung an den stillen Reser­ven und dem zwis­chen­zeitlich geschaf­fe­nen Geschäftswert / good will auss­chließen. In anderen Fällen wird auf ähn­liche ver­gan­gen­heits­be­zo­gene Werte oder die Sub­stanzw­erte ver­wiesen oder z.B. ein Mul­ti­p­lika­tor auf den let­zten durch­schnit­tlichen Jahres­gewinn angenom­men.

Solche Klauseln kön­nen zu der Gesellschaft gut passen. Oft führen sie aber ihrer­seits zu Stre­it, weil der Auss­chei­dende seinen Anspruch für über­mäßig reduziert hält. Umgekehrt haben sich ger­ade in den ver­gan­genen Jahren viele Buch­w­ertk­lauseln als Bumerang erwiesen. Wenn im Rah­men eines Kon­junk­turab­schwungs wie der Coro­na-Krise beispiel­sweise auf die Jahresab­schlüsse 2019 oder 2020 abgestellt wird, weisen diese einen höheren Wert aus, Wert­min­derun­gen auf­grund der Pan­demie wer­den nicht berück­sichtigt. Dann kann der Buch­w­ert über dem tat­säch­lichen Verkehr­swert eines Gesellschafter­an­teils liegen. Bish­er haben Gerichte solche Klauseln nicht bean­standet.

Besser vorher prüfen

Ganz unab­hängig von der Größe der Beteili­gung und ihren zukün­fti­gen Plä­nen lohnt es sich also für Gesellschafter stets, schon vor dem Beitritt zu ein­er Gesellschaft oder ihrer Grün­dung die Auss­chei­dens- und Abfind­ungsklauseln im Ver­trag zu prüfen.

Wichtig ist es dabei, alle Per­spek­tiv­en einzunehmen: Selb­st wer dauer­haft in der Gesellschaft bleiben möchte, sollte sich über­legen, wann und mit welch­er Abfind­ung die Mit­ge­sellschafter zukün­ftig auss­chei­den kön­nen. Immer­hin belastet die Abfind­ung die Liq­uid­ität der Gesellschaft im Zweifel erhe­blich, im schlimm­sten Fall müssen die verbleiben­den Gesellschafter die Summe sog­ar finanzieren.

Umgekehrt will, wer doch auss­chei­det, einen fairen Wert für seine Beteili­gung erhal­ten und nicht „aus­ge­hungert“ wer­den. Und schließlich möchte kein­er der Gesellschafter seinen Abfind­ungsanspruch ver­lieren, wenn die Gesellschaft in die Insol­venz rutscht, weil sie nicht liq­uide genug ist, um den Anspruch des Auss­chei­den­den zu begle­ichen.

Was Ausscheidensklauseln regeln sollten

Auss­chei­dens- und Abfind­ungsklauseln soll­ten daher min­destens fol­gende Punk­te umfassen:

  • die Bew­er­tungsmeth­ode zur Ermit­tlung des Unternehmenswertes
  • die Fes­tle­gung des Bew­er­tungsstich­tages
  • ein Ver­fahren zur Bes­tim­mung des Schiedsgutachters vorn­immt und zu den Kosten des Gutacht­ens
  • die Abfind­ung generell oder in bes­timmten Auss­chei­den­skon­stel­la­tio­nen (Tod, außeror­dentliche Kündi­gung etc.) reduzierende Vor­gaben
  • früh­ester Auszahlungszeit­punkt, Raten­zahlung­ster­mine und Verzin­sung unter Berück­sich­ti­gung etwaiger steuer­lich­er Verpflich­tun­gen des Auss­chei­den­den
  • vor­sor­glich das Recht der Gesellschaft, die Abfind­ung auch vorzeit­ig auszuzahlen
  • Regelun­gen zur Beteili­gung an noch schweben­den Geschäften bzw. dem laufend­en Geschäft­s­jahr
  • - abhängig von der Gesellschafts­form — ggf. Regelun­gen zu positiven/ neg­a­tiv­en Salden auf Gesellschafterkon­ten
  • den Auss­chluss der Verän­derung des fest­gestell­ten Unternehmenswertes durch spätere steuer­liche Änderun­gen.

Die Gesellschafter soll­ten in Abstim­mung mit den steuerlichen/ wirtschaftlichen Beratern eine Bew­er­tungsmeth­ode wählen, die zur Gesellschaft und ihrem Unternehmen passt.  Unter­schiedliche Geschäft­szwecke bee­in­flussen die Abfind­ungs­berech­nung deut­lich: Bei ein­er Grund­stücks­ge­sellschaft ste­hen andere Wer­ten­twick­lun­gen und Risiken im Raum als bei ein­er Han­dels­ge­sellschaft oder einem Indus­triebe­trieb.

Der Liq­uid­itäts­be­darf und die Inter­essen, aber auch z.B. die Altersstruk­turen der Gesellschafter kön­nen sich unter­schei­den. So sind beispiel­sweise bei Fam­i­lienge­sellschaften weit­erge­hende Beschränkun­gen möglich, um die Werte im Unternehmen zu erhal­ten.

In den Brun­nen gefall­en ist das Kind übri­gens erst, wenn das Auss­chei­den eines Gesellschafters wirk­lich anste­ht: Beste­hende Gesellschaften kön­nen und soll­ten ihre Abfind­ungsregelun­gen regelmäßig daraufhin über­prüfen, ob die gewählte Bew­er­tungsmeth­ode noch der aktuellen Wirtschaft­slage und den Inter­essen der Gesellschafter entspricht. Schließlich kön­nen Pläne sich ändern.

Der Autor Recht­san­walt Dr. Wolf­gang Heinze ist Part­ner bei SNP Schlaw­ien Recht­san­wälte. Der Fachan­walt für Han­dels- und Gesellschaft­srecht sowie für Ver­gaberecht berät schw­er­punk­t­mäßig mit­tel­ständis­che Unternehmen sowie Tochterge­sellschaften und Nieder­las­sun­gen deutsch­er und aus­ländis­ch­er Konz­erne in allen Fra­gen des Han­dels- und Gesellschaft­srechts.
https://www.linkedin.com/in/wolfgang-heinze-a935a324/

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