Änderungen im Kartellrecht — Handlungsbedarf bei Betriebsvereinbarungen

Wettbewerbsrecht | 15. Dezember 2004
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Die EU hat mit der Kar­tell­rechts­ver­ord­nung – VO 01/2003 – das Kar­tell­recht – Gesetz gegen Wett­be­werbs­be­schrän­kun­gen – neu gere­gelt. Das Bun­des­ka­bi­nett hat des­halb am 26.05.2004 einen Ent­wurf des Geset­zes zur Ände­rung des Geset­zes gegen Wett­be­werbs­be­schrän­kun­gen – GWB – beschlos­sen, um das deut­sche Recht den euro­päi­schen Vor­ga­ben in der VO 01/2003 anzu­pas­sen Die Umset­zung hät­te dabei bis zum 01.05.2004 erfol­gen sol­len, was jedoch nicht gesche­hen ist. Es wird mit einem Inkraft­tre­ten zum 01.01.2005 gerech­net, was jedoch ange­sichts der vom Bun­des­rat ein­ge­brach­ten Ver­än­de­rungs­wün­sche zwei­fel­haft ist. Da eine euro­päi­sche Ver­ord­nung mit ihrem Inkraft­tre­ten unmit­tel­ba­re Rechts­wirk­sam­keit ent­fal­tet, muss davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass die VO 01/2003 bereits seit dem 01.05.2004 anwend­bar ist. Die Ver­ord­nung bringt erheb­li­che Ände­run­gen, die im fol­gen­den kurz skiz­ziert wer­den sol­len, wobei das Inter­es­se in ers­ter Linie dem Ver­triebs­be­reich gilt.

I.

Im Bereich der ver­ti­ka­len Wett­be­werbs­be­schrän­kun­gen – Abspra­chen zwi­schen Unter­neh­men, die auf unter­schied­li­chen Wirt­schafts­stu­fen tätig sind, wie z. B. Pro­du­zent und Händ­ler – hat sich eine ein­schnei­den­de Ände­rung erge­ben. Bis­her bestand die Mög­lich­kei­ten einen Antrag auf Frei­stel­lung bei der EG-Kom­mis­si­on ein­zu­rei­chen oder mit­tels der Grup­pen­frei­stel­lungs­ver­ord­nun­gen (GVO) zu prü­fen, wel­che Vor­aus­set­zun­gen für eine Frei­stel­lung erfüllt sein müs­sen, falls man in Ver­triebs­ver­trä­gen wett­be­werbs­be­schrän­ken­de Klau­seln – Preis‑, Gebiets‑, Bezugs­ver­ein­ba­run­gen, getrof­fen hat. Die­ses Frei­stel­lungs­ver­fah­ren ist nun­mehr abge­schafft.

Waren Abspra­chen zwi­schen einem Pro­du­zen­ten und Ver­trieb, z. B. bezüg­lich Gebiets­schutz, Preis­emp­feh­lung etc., bis­her grund­sätz­lich nach altem Recht zuläs­sig – die­se unter­la­gen ledig­lich einer Miss­brauchs­kon­trol­le nach § 16 GWB und ledig­lich Preis- und Kon­di­tio­nen­ab­spra­chen waren gemäß § 14 GWB grund­sätz­lich unzu­läs­sig und nich­tig – so sind die­se nun­mehr grund­sätz­lich ver­bo­ten.

Nach neu­em Recht besteht aber ein Erlaub­nis­vor­be­halt, wobei nun­mehr das Unter­neh­men selbst zu prü­fen hat, ob ein Erlaub­nis­tat­be­stand gege­ben ist oder nicht. Jedes Unter­neh­men wird daher sei­ne Ver­triebs­ver­trä­ge – auch bereits geschlos­se­ne –dar­auf hin über­prü­fen müs­sen, ob die ver­ein­bar­ten Klau­seln unter den Erlaub­nis­vor­be­halt fal­len oder nicht. Das birgt die Gefahr, dass die vom Unter­neh­men vor­ge­nom­me­ne Ein­schät­zung falsch ist mit der Fol­ge, dass nicht nur eine buß­geld­pflich­ti­ge Ord­nungs­wid­rig­keit vor­liegt, son­dern auch, dass der gesam­te Ver­trag gemäß §§ 134, 139 BGB nich­tig ist. Dies kann dann inner­halb einer Ver­triebs­or­ga­ni­sa­ti­on zu erheb­li­chen wirt­schaft­li­chen Pro­ble­men und Schä­den füh­ren. Den Unter­neh­men ist somit die Ent­schei­dung über­ant­wor­tet, ob wett­be­werbs­be­schrän­ken­de Abspra­chen die Frei­stel­lungs­vor­aus­set­zung nach § 81 III EGV erfül­len oder nicht.

Mit ande­ren Wor­ten heißt das, dass nach Arti­kel 1 Abs. 2 der VO 01–2003 wett­be­werbs­be­schrän­ken­de Ver­ein­ba­run­gen, die die Frei­stel­lungs­vor­aus­set­zun­gen des Art. 81 Abs. 3 EGV erfül­len, nicht ver­bo­ten sind und daher kei­ner beson­de­ren Erlaub­nis bedür­fen. Abschlie­ßend wird zu den meist ver­wen­de­ten Klau­seln kurz Stel­lung genom­men.

1. Preis­bin­dun­gen und Preis­emp­feh­lun­gen

Die­se sind nach altem Recht grund­sätz­lich ver­bo­ten, § 14 GWB. Eben­so Konditionenbindungen‑, Fest­le­gun­gen in einem Erst­ver­trag über den Inhalt eines Zweit­ver­tra­ges. Ver­bo­ten sind nicht nur Fix­prei­se, son­dern auch Höchst- oder Min­dest­prei­se. Ver­bo­ten sind auch Meist­be­güns­ti­gungs­klau­seln. Nach neu­em Recht sind die­se Preis- und Kon­di­tio­nen­bin­dun­gen eben­falls unzu­läs­sig. Eine Ände­rung tritt aber inso­fern ein, als nun­mehr die nur nach deut­schem Recht unzu­läs­si­gen Meist­be­güns­ti­gungs­klau­seln und Höchst­preis­bin­dun­gen grund­sätz­lich zuläs­sig sein wer­den, es sei denn, dass es sich bei den Ver­wen­dern um markt­be­herr­schen­de Unter­neh­men han­delt.

Preis­emp­feh­lun­gen wer­den nach neu­em Recht eben­falls zuläs­sig sein.

2. Gebiets­schutz, Kun­den­schutz

Nach altem Recht war es in Ver­triebs­ver­trä­gen grund­sätz­lich zuläs­sig, Gebiets- oder Kun­den­schutz zu ver­ein­ba­ren. Der­ar­ti­ge Klau­seln unter­la­gen ledig­lich der Miss­brauchs­auf­sicht durch das Bun­des­kar­tell­amt. Nach bis­he­ri­gem euro­päi­schen Recht waren der­ar­ti­ge Abspra­chen grund­sätz­lich ver­bo­ten und bedurf­ten einer Frei­stel­lung, gemäß GVO 2790/99. Dabei wur­de dann zwi­schen akti­vem und pas­si­vem Gebiets­schutz unter­schie­den. Ähn­li­ches gilt auch für Aus­schließ­lich­keits­bin­dun­gen – die Beschrän­kung des Ver­trags­part­ners auf den Bezug von Waren oder Leis­tun­gen von oder an Drit­te.

Nach neu­em Recht sind der­ar­ti­ge Klau­seln grund­sätz­lich ver­bo­ten. Es ist nun­mehr vom Unter­neh­men zu prü­fen, ob der­ar­ti­ge Klau­seln unter einen Erlaub­nis­tat­be­stand der GVO 2790/99 fal­len.

II.

Auf hori­zon­ta­le Wett­be­werbs­be­schrän­kun­gen – Abspra­chen zwi­schen Unter­neh­men der glei­chen Wirt­schafts­stu­fe – soll hier nur hin­ge­wie­sen wer­den.

Danach sind Preis­ab­spra­chen sowohl nach altem als auch nach neu­em Recht grund­sätz­lich ver­bo­ten. Dies gilt auch für Gebiets­kar­tel­le. Im Rah­men der For­schung und Ent­wick­lung ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die­se nun­mehr grund­sätz­lich unter den gene­rel­len Ver­bots­tat­be­stand des § 1 GWB fal­len. Es ist aber zu prü­fen, ob eine Frei­stel­lung auf­grund der For­schungs- und Ent­wick­lungs GVO – GVO 2659/2000 – gemäß Art. 81 Abs. 3 EGV gege­ben ist. Bezüg­lich der Ratio­na­li­sie­rungs- und Spe­zia­li­sie­rungs­kar­tel­le wird man eben­falls eigen­ver­ant­wort­lich prü­fen müs­sen, ob ein Erlaub­nis­tat­be­stand gemäß GVO 2658/2000 – Spe­zia­li­sie­rungs GVO – gege­ben ist oder nicht.

Schluss­be­mer­kung

Auf­grund der geän­der­ten Rechts­la­ge muss über­prüft wer­den, ob gemäß Art. 81 Abs. 1 EGV wett­be­werbs­be­schrän­ken­de Klau­sel durch Art. 80 Abs. 3 EGV, zusam­men mit der GVO 2790/1999, frei­ge­stellt sind oder nicht. Lie­gen daher sämt­li­che Vor­aus­set­zun­gen der Ver­triebs GVO vor, so ist die Klau­sel mit dem Recht ver­ein­bar. Andern­falls liegt ein Ver­bots­tat­be­stand vor, der zu Buß­geld, Scha­den­er­satz und Gewinn­ab­schöp­fung füh­ren kann.

S • N • P
Dr. Ste­fan Schla­wi­en
Piaz­za Eleo­no­re Duse 1, I – 20122 Mila­no
stefan.schlawien@tin.it

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