Die EU hat mit der Kartellrechtsverordnung – VO 01/2003 – das Kartellrecht – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – neu geregelt. Das Bundeskabinett hat deshalb am 26.05.2004 einen Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen – GWB – beschlossen, um das deutsche Recht den europäischen Vorgaben in der VO 01/2003 anzupassen Die Umsetzung hätte dabei bis zum 01.05.2004 erfolgen sollen, was jedoch nicht geschehen ist. Es wird mit einem Inkrafttreten zum 01.01.2005 gerechnet, was jedoch angesichts der vom Bundesrat eingebrachten Veränderungswünsche zweifelhaft ist. Da eine europäische Verordnung mit ihrem Inkrafttreten unmittelbare Rechtswirksamkeit entfaltet, muss davon ausgegangen werden, dass die VO 01/2003 bereits seit dem 01.05.2004 anwendbar ist. Die Verordnung bringt erhebliche Änderungen, die im folgenden kurz skizziert werden sollen, wobei das Interesse in erster Linie dem Vertriebsbereich gilt.
I.
Im Bereich der vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen – Absprachen zwischen Unternehmen, die auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen tätig sind, wie z. B. Produzent und Händler – hat sich eine einschneidende Änderung ergeben. Bisher bestand die Möglichkeiten einen Antrag auf Freistellung bei der EG-Kommission einzureichen oder mittels der Gruppenfreistellungsverordnungen (GVO) zu prüfen, welche Voraussetzungen für eine Freistellung erfüllt sein müssen, falls man in Vertriebsverträgen wettbewerbsbeschränkende Klauseln – Preis‑, Gebiets‑, Bezugsvereinbarungen, getroffen hat. Dieses Freistellungsverfahren ist nunmehr abgeschafft.
Waren Absprachen zwischen einem Produzenten und Vertrieb, z. B. bezüglich Gebietsschutz, Preisempfehlung etc., bisher grundsätzlich nach altem Recht zulässig – diese unterlagen lediglich einer Missbrauchskontrolle nach § 16 GWB und lediglich Preis- und Konditionenabsprachen waren gemäß § 14 GWB grundsätzlich unzulässig und nichtig – so sind diese nunmehr grundsätzlich verboten.
Nach neuem Recht besteht aber ein Erlaubnisvorbehalt, wobei nunmehr das Unternehmen selbst zu prüfen hat, ob ein Erlaubnistatbestand gegeben ist oder nicht. Jedes Unternehmen wird daher seine Vertriebsverträge – auch bereits geschlossene –darauf hin überprüfen müssen, ob die vereinbarten Klauseln unter den Erlaubnisvorbehalt fallen oder nicht. Das birgt die Gefahr, dass die vom Unternehmen vorgenommene Einschätzung falsch ist mit der Folge, dass nicht nur eine bußgeldpflichtige Ordnungswidrigkeit vorliegt, sondern auch, dass der gesamte Vertrag gemäß §§ 134, 139 BGB nichtig ist. Dies kann dann innerhalb einer Vertriebsorganisation zu erheblichen wirtschaftlichen Problemen und Schäden führen. Den Unternehmen ist somit die Entscheidung überantwortet, ob wettbewerbsbeschränkende Absprachen die Freistellungsvoraussetzung nach § 81 III EGV erfüllen oder nicht.
Mit anderen Worten heißt das, dass nach Artikel 1 Abs. 2 der VO 01–2003 wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, die die Freistellungsvoraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 EGV erfüllen, nicht verboten sind und daher keiner besonderen Erlaubnis bedürfen. Abschließend wird zu den meist verwendeten Klauseln kurz Stellung genommen.
1. Preisbindungen und Preisempfehlungen
Diese sind nach altem Recht grundsätzlich verboten, § 14 GWB. Ebenso Konditionenbindungen‑, Festlegungen in einem Erstvertrag über den Inhalt eines Zweitvertrages. Verboten sind nicht nur Fixpreise, sondern auch Höchst- oder Mindestpreise. Verboten sind auch Meistbegünstigungsklauseln. Nach neuem Recht sind diese Preis- und Konditionenbindungen ebenfalls unzulässig. Eine Änderung tritt aber insofern ein, als nunmehr die nur nach deutschem Recht unzulässigen Meistbegünstigungsklauseln und Höchstpreisbindungen grundsätzlich zulässig sein werden, es sei denn, dass es sich bei den Verwendern um marktbeherrschende Unternehmen handelt.
Preisempfehlungen werden nach neuem Recht ebenfalls zulässig sein.
2. Gebietsschutz, Kundenschutz
Nach altem Recht war es in Vertriebsverträgen grundsätzlich zulässig, Gebiets- oder Kundenschutz zu vereinbaren. Derartige Klauseln unterlagen lediglich der Missbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt. Nach bisherigem europäischen Recht waren derartige Absprachen grundsätzlich verboten und bedurften einer Freistellung, gemäß GVO 2790/99. Dabei wurde dann zwischen aktivem und passivem Gebietsschutz unterschieden. Ähnliches gilt auch für Ausschließlichkeitsbindungen – die Beschränkung des Vertragspartners auf den Bezug von Waren oder Leistungen von oder an Dritte.
Nach neuem Recht sind derartige Klauseln grundsätzlich verboten. Es ist nunmehr vom Unternehmen zu prüfen, ob derartige Klauseln unter einen Erlaubnistatbestand der GVO 2790/99 fallen.
II.
Auf horizontale Wettbewerbsbeschränkungen – Absprachen zwischen Unternehmen der gleichen Wirtschaftsstufe – soll hier nur hingewiesen werden.
Danach sind Preisabsprachen sowohl nach altem als auch nach neuem Recht grundsätzlich verboten. Dies gilt auch für Gebietskartelle. Im Rahmen der Forschung und Entwicklung ist darauf hinzuweisen, dass diese nunmehr grundsätzlich unter den generellen Verbotstatbestand des § 1 GWB fallen. Es ist aber zu prüfen, ob eine Freistellung aufgrund der Forschungs- und Entwicklungs GVO – GVO 2659/2000 – gemäß Art. 81 Abs. 3 EGV gegeben ist. Bezüglich der Rationalisierungs- und Spezialisierungskartelle wird man ebenfalls eigenverantwortlich prüfen müssen, ob ein Erlaubnistatbestand gemäß GVO 2658/2000 – Spezialisierungs GVO – gegeben ist oder nicht.
Schlussbemerkung
Aufgrund der geänderten Rechtslage muss überprüft werden, ob gemäß Art. 81 Abs. 1 EGV wettbewerbsbeschränkende Klausel durch Art. 80 Abs. 3 EGV, zusammen mit der GVO 2790/1999, freigestellt sind oder nicht. Liegen daher sämtliche Voraussetzungen der Vertriebs GVO vor, so ist die Klausel mit dem Recht vereinbar. Andernfalls liegt ein Verbotstatbestand vor, der zu Bußgeld, Schadenersatz und Gewinnabschöpfung führen kann.
S • N • P
Dr. Stefan Schlawien
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