Bewerbung per eBay-Chat? „Unternehmen sollten nur Bewerbungskanäle anbieten, die sie auch wirklich betreuen“

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Arbeitsrecht | 1. September 2022
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Ein Lan­des­ar­beits­ge­richt hat kürz­lich fest­ge­stellt, dass auch eine Chat-Nach­richt über eBay-Klein­an­zei­gen eine Bewer­bung im Rechts­sin­ne sein kann. Was das für die Bewer­bungs­pro­zes­se in Unter­neh­men bedeu­tet, erklärt Dr. Petra Oster­mai­er.

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Schles­wig-Hol­stein hat vor eini­gen Wochen ent­schie­den, dass auch eine Chat­nach­richt über ein Inter­net­por­tal eine „Bewer­bung“ im Rechts­sin­ne ist. Wor­um ging es in dem Fall und wie­so spiel­te die­se Fra­ge eine Rol­le?

Dr. Petra Oster­mai­er: In dem ent­schie­de­nen Fall hat­te sich ein Mann auf eine Stel­len­an­zei­ge bewor­ben, die das suchen­de Unter­neh­men über eBay-Klein­an­zei­gen ver­öf­fent­licht hat­te. Gesucht wur­de eine „Sekre­tä­rin“. Nach­dem der Mann über die Chat-Funk­ti­on von eBay-Klein­an­zei­gen eine kur­ze Nach­richt zu sei­nen Qua­li­fi­ka­tio­nen geschickt und geschrie­ben hat­te, dass er sich hier­mit auf die Stel­le bewirbt, ant­wor­te­te das Unter­neh­men, dass eine Dame als Sekre­tä­rin gesucht wür­de.

Das ist natür­lich, wenn eine Bewer­bung vor­lag, ein kla­rer Ver­stoß gegen das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG). Wenn es nicht sehr plau­si­ble Grün­de dafür gibt, dass nur eine Frau den Job machen kann, darf man einen Bewer­ber nicht ableh­nen, weil er männ­lich ist; das soll­te ohne­hin eine Selbst­ver­ständ­lich­keit sein. Bei einem sol­chen Ver­stoß gegen das Benach­tei­li­gungs­ver­bot kann der abge­lehn­te Bewer­ber eine Ent­schä­di­gung gel­tend machen – eigent­lich soll­te man heut­zu­ta­ge auch anneh­men, dass das all­ge­mein bekannt ist.

Das galt aber nur, wenn eine Bewer­bung im Rechts­sin­ne vor­lag, obwohl es nur eine Chat­nach­richt gab, aber kei­nen Lebens­lauf und kei­ne Bewer­bungs­un­ter­la­gen, wie das tra­di­tio­nell üblich ist. Das erst­in­stanz­lich zustän­di­ge Arbeits­ge­richt war des­halb nicht von einer Bewer­bung aus­ge­gan­gen. Wie­so hat das LAG jetzt eine Bewer­bung bejaht?

Oster­mai­er: Nach Ansicht des LAG muss, wer eine Stel­len­an­zei­ge bei eBay ver­öf­fent­licht, damit rech­nen, dass sich Men­schen auch über die­sen Kanal bewer­ben – und eben nicht wie frü­her schrift­lich mit Bewer­bungs­un­ter­la­gen. Das LAG stellt klar fest, dass das Gesetz kei­ne Vor­ga­ben dazu macht, wann eine Bewer­bung eine Bewer­bung im Rechts­sin­ne ist und wie sie aus­zu­se­hen hat – nur die Per­son des Bewer­bers müs­se iden­ti­fi­zier­bar sein. Das kann auch bei einer Bewer­bung über eBay Klein­an­zei­gen der Fall sein.

„Als Unternehmen nur Kanäle anbieten, die man auch wirklich betreuen kann“

Was bedeu­tet die Ent­schei­dung für Unter­neh­men und ihr Bewer­bungs­ver­fah­ren? In Zei­ten des Fach­kräf­te­man­gels kann es doch ent­schei­dend sein, nied­rig­schwel­li­ge Kon­takt­ka­nä­le anzu­bie­ten, an deren Benut­zung poten­zi­el­le Kan­di­da­ten gewöhnt sind. Eine Bewer­bung mit kom­plet­ten Unter­la­gen und womög­lich noch per Post zu for­dern, das gin­ge doch an den Nut­zer­ge­wohn­hei­ten der Gene­ra­ti­on Z, die digi­tal auf­ge­wach­sen ist und jetzt auf dem Arbeits­markt drin­gend gebraucht wird, kom­plett vor­bei?

Oster­mai­er: In der Tat ent­spricht das nicht mehr den Gewohn­hei­ten der Gene­ra­ti­on Z. Den­noch soll­te sich jedes Unter­neh­men gut über­le­gen, wel­che Kanä­le es nutzt und auch beherr­schen kann. Es hilft nichts, alle mög­li­chen Kanä­le anzu­bie­ten, weil das modern ist, die­se dann aber womög­lich gar nicht zu kon­trol­lie­ren und zu bespie­len. Nach außen und gegen­über ernst­haft inter­es­sier­ten Bewer­bern wirkt es natür­lich wenig kom­pe­tent, wenn ein Unter­neh­men einen Bewer­bungs­ka­nal anbie­tet, aber Bewer­bun­gen, die dort lan­den, womög­lich gar nicht beant­wor­tet, weil es sie viel­leicht nicht ein­mal wahr­ge­nom­men hat.

Sol­che Kanä­le zu eröff­nen, aber dann nicht regel­mä­ßig zu betreu­en, kann zudem sogar scha­den, wie man in dem ent­schie­de­nen Fall sieht. Offen­bar gab es in dem Unter­neh­men kaum ein Bewusst­sein dafür, dass es sich bei der Chat­nach­richt um eine Bewer­bung han­del­te, die zu behan­deln ist wie jede ande­re Bewer­bung auch. Es gibt genü­gend Men­schen, die auf Feh­ler war­ten und dar­aus Pro­fit schla­gen wol­len. Die soge­nann­ten AGG-Hop­per, also Men­schen, die sich auf Stel­len bloß bewer­ben, um abge­lehnt zu wer­den und eine Ent­schä­di­gung zu erstrei­ten, wer­den ohne­hin immer per­fi­der in ihren Metho­den.

Bezüg­lich der Bewer­bungs­un­ter­la­gen: Für die Beset­zung der aller­meis­ten Posi­tio­nen sind der Lebens­lauf und zumin­dest bei Berufs­an­fän­gern auch Aus­bil­dungs­zeug­nis­se für den Aus­wahl­pro­zess des Arbeit­ge­bers rele­vant. Übri­gens müs­sen Arbeit­ge­ber auch im Fall einer AGG-Kla­ge den Aus­wahl­pro­zess ohne­hin dar­le­gen kön­nen, was am bes­ten auf­grund objek­ti­ver Tat­sa­chen, also Lebens­lauf und Zeug­nis­sen, geschieht. Wich­ti­ge Bewer­bungs­un­ter­la­gen digi­tal zu ver­sen­den, kann man auch von der Gene­ra­ti­on Z erwar­ten.

Was raten Sie Arbeit­ge­bern, die Bewer­bun­gen nicht nur per Mail und Post anneh­men möch­ten?

Oster­mai­er: Die Unter­neh­men kön­nen auch digi­tal sein, indem sie seriö­se Bewer­bungs­tools nut­zen, die dann auch daten­schutz­kon­form sind. Hier­bei soll­ten sie expli­zit ange­ben, wel­che Unter­la­gen tat­säch­lich gewünscht sind. Wem das zu viel ist, ist wahr­schein­lich auch der fal­sche Kan­di­dat für das Unter­neh­men. Wei­te­re Unter­la­gen kön­nen dann immer noch im Lau­fe des wei­te­ren Ver­fah­rens ange­for­dert wer­den, soll­te es dar­auf ankom­men. Das wäre aus mei­ner Sicht ein ver­nünf­ti­ger Mit­tel­weg.

Dr. Petra Oster­mai­er ist Part­ner bei SNP Schla­wi­en Part­ner­schaft mbB und schwer­punkt­mä­ßig im Arbeits­recht tätig. Sie berät und betreut neben mul­ti­na­tio­na­len Kon­zer­nen auch mit­tel­stän­di­sche und klei­ne­re Unter­neh­men in allen Fra­gen des indi­vi­du­el­len und kol­lek­ti­ven Arbeits­rechts. Hier­bei ver­tritt sie Arbeit­ge­ber nicht nur vor Gericht, son­dern beglei­tet die­se auch bei Ver­hand­lun­gen mit Gewerk­schaf­ten, Betriebs­rä­ten und in Eini­gungs­stel­len. Dane­ben unter­stützt Petra Oster­mai­er Vor­stän­de, Geschäfts­füh­rer und lei­ten­de Ange­stell­te bei ihren Ver­trags­ver­hand­lun­gen mit Unter­neh­men. Ihre Tätig­keit umfasst außer­dem die Bera­tung von Unter­neh­men im Daten­schutz sowie im Bereich des öffent­li­chen Rechts, vor­wie­gend im öffent­li­chen Bau­recht und Kom­mu­nal­ab­ga­ben­recht.
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