Big Boss is watching you – und den Detektiv bezahlt der Arbeitnehmer

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Am Anfang ist es meist nur ein Gefühl. Ein Mit­ar­bei­ter ist oft nicht erreich­bar oder irgend­et­was fehlt. Doch dann ver­dich­ten sich die Hin­wei­se, dass er das Unter­neh­men betrügt oder bestiehlt. Wann kön­nen Arbeit­ge­ber einen Detek­tiv auf ihn anset­zen, wann muss der Arbeit­neh­mer die Kos­ten dafür sogar über­neh­men? Gerich­te haben dafür kla­re Regeln defi­niert.

In einem erst jüngst vom Lan­des­ar­beits­ge­richt  Köln ent­schie­de­nen Fall (LAG Köln, Urt. v. 11.02.2025, Az. 7 Sa 635/23) hat­te ein Ver­kehrs­un­ter­neh­men Zwei­fel an der Arbeits­zeit­er­fas­sung eines Fahr­kar­ten­kon­trol­leurs. Zeu­gen berich­te­ten dem Arbeit­ge­ber, der Arbeit­neh­mer erle­di­ge wäh­rend der Arbeits­zeit pri­va­te Tätig­kei­ten und doku­men­tie­re Pau­sen nicht kor­rekt.

Um die­sem Ver­dacht nach­zu­ge­hen, beauf­trag­te der Arbeit­ge­ber eine Detek­tei damit, den Arbeit­neh­mer wäh­rend sei­ner Arbeits­zeit ziel­ge­rich­tet zu über­wa­chen. Die Detek­ti­ve beob­ach­te­ten den Mit­ar­bei­ter über knapp drei Wochen hin­weg. Die Obser­va­ti­on bestä­tig­te den Ver­dacht: Der Arbeit­neh­mer führ­te tat­säch­lich pri­va­te Tätig­kei­ten wäh­rend der bezahl­ten Arbeits­zeit aus und erfass­te Pau­sen falsch oder gar nicht im Zeit­er­fas­sungs­sys­tem. So hielt er sich mehr­fach an der Adres­se sei­ner Freun­din oder in Bäcke­rei­en und Cafés auf.

Der Arbeit­ge­ber spracht dar­auf­hin eine frist­lo­se Tat­kün­di­gung und eine hilfs­wei­se Ver­dachts­kün­di­gung aus. Als der Arbeit­neh­mer sich per Kla­ge dage­gen wehr­te, for­der­te der Unter­neh­mer im nun fol­gen­den Kün­di­gungs­schutz­ver­fah­ren von dem Arbeit­neh­mer zudem die Erstat­tung der Detek­tiv­kos­ten von mehr als 21.000 Euro.

Damit war er auf gan­zer Linie erfolg­reich. Das Arbeits­ge­richt Köln (Urt. v. 08.11. 2023, Az. 18 Ca 206/23) und im Beru­fungs­ver­fah­ren nun auch das LAG Köln hal­ten die Kün­di­gung wegen fort­ge­setz­ten Arbeits­zeit­be­trugs für wirk­sam und ver­ur­teil­ten den Arbeit­neh­mer zusätz­lich, sei­nem ehe­ma­li­gen Chef auch die Detek­tiv­kos­ten zu erstat­ten.

 

Detek­tiv­be­wei­se dür­fen ver­wer­tet wer­den

Mit sei­nem Ein­wand, der Arbeit­ge­ber habe gegen die Daten­schutz­grund­ver­ord­nung ver­sto­ßen und ihn in sei­nem Recht auf infor­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung ver­letzt, kam der Arbeit­neh­mer also nicht durch. Sein Argu­ment, die von der Detek­tei erlang­ten Bewei­se dürf­ten des­halb im Ver­fah­ren nicht ver­wer­tet wer­den, ver­wirft nun auch das LAG Köln.

Die Gerich­te gehen davon aus, dass die Obser­va­ti­on des Arbeit­neh­mers durch die Detek­tei nach § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG zuläs­sig war und des­halb auch kein Ver­bot besteht, die so erlang­ten Bewei­se im Ver­fah­ren zu ver­wer­ten.

Das LAG Köln geht sogar noch wei­ter: Selbst wenn die Über­wa­chung durch die Detek­ti­ve unzu­läs­sig gewe­sen wäre, sähen die Köl­ner Rich­ter kein Beweis­ver­wer­tungs­ver­bot. Der Ein­griff in das Per­sön­lich­keits­recht und in das Recht auf infor­mel­le Selbst­be­stim­mung des Arbeit­neh­mers sei näm­lich nur gering­fü­gig. Schließ­lich habe die Obser­va­ti­on wäh­rend sei­ner Arbeits­zeit und nur im öffent­li­chen Ver­kehrs­raum statt­ge­fun­den, so dass nur doku­men­tiert wor­den sei, was auch jeder Pas­sant hät­te wahr­neh­men kön­nen, argu­men­tiert der Senat. Außer­dem habe die Über­wa­chung nur weni­ge Tage gedau­ert.

 

Wann Arbeit­neh­mer die eige­ne Über­wa­chung bezah­len müs­sen

Zu den Detek­tiv­kos­ten zur Auf­klä­rung der Pflicht­ver­let­zun­gen des Arbeit­neh­mers schließt sich das LAG Köln der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts an. Deutsch­lands höchs­te Arbeits­rich­ter haben schon vor Jah­ren ent­schie­den (BAG, Urt. v. 29.03.2021, Az. 8 AZR 276/20), dass ein Arbeit­ge­ber einen Erstat­tungs­an­spruch von Detek­tiv­kos­ten hat, wenn

  • gegen­über dem Arbeit­neh­mer der drin­gen­de Ver­dacht einer Straf­tat bestand,
  • ein ver­nünf­ti­ger, wirt­schaft­lich den­ken­der Arbeit­ge­ber zur Ver­mei­dung wei­te­rer – dro­hen­der – Ver­trags­ver­let­zun­gen eine Kün­di­gung in Betracht zie­hen konn­te und
  • nach den Umstän­den des Ein­zel­falls der Ein­satz des Detek­tivs oder ande­rer Ermitt­ler (zum Bei­spiel einer Anwalts­kanz­lei) zur Auf­klä­rung not­wen­dig war.

Das LAG Köln stellt in sei­nem aktu­el­len Urteil, das auf die­ser Recht­spre­chung basiert, noch­mals klar, dass Vor­aus­set­zung für einen Erstat­tungs­an­spruch außer­dem ist, dass der Arbeit­neh­mer einer vor­sätz­li­chen Ver­trags­pflicht­ver­let­zung dann auch über­führt wer­den muss. Rei­ne Ver­mu­tun­gen rei­chen also nicht aus.

 

Gericht hält 21.000 Euro Detek­tiv­kos­ten für ange­mes­sen

Die Gerich­te sahen auch die kom­plet­ten Kos­ten von mehr als 21.000 Euro als erstat­tungs­fä­hig an. Zwar muss auch ein ver­trags­brü­chi­ger Arbeit­neh­mer womög­lich nicht alle Detek­tiv­kos­ten erset­zen: Nach § 249 BGB erstreckt sich die Scha­dens­er­satz­pflicht auf alle Auf­wen­dun­gen des Arbeit­ge­bers, die nach den Umstän­den des Fal­les als not­wen­dig anzu­se­hen sind; der Arbeit­ge­ber muss also trotz des­sen Pflicht­ver­let­zung auch Rück­sicht auf die Inter­es­sen des Arbeit­neh­mers neh­men und des­sen Scha­den gering hal­ten. Wenn also der Ein­satz von Drit­ten (Detek­ti­ven, Anwäl­ten o.ä.) mehr kos­tet als Maß­nah­men des Arbeit­ge­bers bezie­hungs­wei­se der bei ihm beschäf­tig­ten Per­so­nen kos­ten wür­den, muss auch der betrü­ge­ri­sche Arbeit­neh­mer die­se nur dann erset­zen, wenn eige­ne Ermitt­lun­gen des Arbeit­ge­bers (oder ande­ren Per­so­nals) nicht in Betracht kom­men oder nicht zumut­bar wären.

Dem hier gekün­dig­ten Arbeit­neh­mer aber half das nicht. Das Gericht sah kei­ne Anhalts­punk­te dafür, dass der Arbeit­ge­ber auf eine güns­ti­ge­re Über­wa­chungs­op­ti­on hät­te zurück­grei­fen müs­sen. Wie auch schon das Arbeits­ge­richt in ers­ter Instanz ver­ur­teilt das LAG Köln den betrü­ge­ri­schen Ex-Arbeit­neh­mer zur Rück­zah­lung der vol­len Sum­me von über 21.000 Euro Detek­tiv­kos­ten.

 

Fazit

Unter­neh­men kön­nen also die berech­tig­te Hoff­nung hegen, not­wen­di­ge Detek­tiv­kos­ten erstat­tet zu bekom­men. Den­noch soll­te nicht jedes Miss­trau­en schon dazu füh­ren, eine Detek­tei los­zu­schi­cken.

Ein Arbeit­ge­ber, der einen Ver­dacht auf Arbeits­zeit­be­trug und ande­re Straf­ta­ten hat, kann vom Arbeit­neh­mer Detek­tiv­kos­ten dann zurück­ver­lan­gen, wenn

  • er im Vor­feld einen hin­rei­chend kon­kre­ten Tat­ver­dacht hat und
  • die ver­mu­te­te Pflicht­ver­let­zung des Arbeit­neh­mers sich auch bestä­tigt. Gelingt die­ser Nach­weis dem Arbeit­ge­ber nicht, bleibt er auf den Detek­tiv­kos­ten sit­zen.
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