handelsregister.de: Was dort steht, muss man nicht mehr beweisen

© Gorodenkoff/stock.adobe.com
Gesellschaftsrecht | 25. April 2024
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Seit August 2022 kann jeder kos­ten­frei und ohne Regis­trie­rung das elek­tro­nisch geführ­te Han­dels­re­gis­ter ein­se­hen. Der Bun­des­ge­richts­hof hat in einem Beschluss vom 23. Mai 2023 bestä­tigt,  dass es sich bei den Inhal­ten der Web­sei­te um offen­kun­di­ge Tat­sa­che im Sin­ne der Zivil­pro­zess­ord­nung han­delt: Was dort steht, muss man nicht mehr unter Beweis stel­len.

Das Amts­ge­richt Kemp­ten (All­gäu) hat­te es im Jahr 2021 abge­lehnt, eine Rechts­nach­fol­ge­klau­sel für drei Voll­stre­ckungs­ti­tel zu ertei­len. Die Antrag­stel­le­rin habe im Ver­fah­ren trotz Auf­for­de­rung kei­ne öffent­lich beglau­big­ten Han­dels­re­gis­ter­aus­zü­ge über die behaup­te­te Ver­schmel­zung von zwei Unter­neh­men vor­ge­legt, so das Amts­ge­richt. Das stimm­te, denn die Antrag­stel­le­rin ver­wies dar­auf, dass die Ver­schmel­zung – als Vor­aus­set­zung der Ertei­lung der Rechts­nach­fol­ge­klau­sel – schließ­lich im elek­tro­ni­schen Han­dels­re­gis­ter ste­he.

Obwohl die Ver­schmel­zung der Rechts­trä­ger tat­säch­lich unter www.handelsregister.de doku­men­tiert war, sah auch die nächst­hö­he­re Instanz die Rechts­nach­fol­ge nicht als offen­kun­di­ge Tat­sa­che im Sin­ne des Geset­zes an. Das Land­ge­richt begrün­de­te das im Novem­ber 2021 noch mit dem Argu­ment, dass das öffent­lich zugäng­li­che Han­dels­re­gis­ter kos­ten­pflich­tig und damit nicht frei zugäng­lich sei.

Die­ses Argu­ment ist aller­dings spä­tes­tens seit dem 1. August 2022 über­holt, weil www.handelsregister.de seit­dem für jeder­mann ein­seh­bar ist.

 

„www.handelsregister.de“

Genau dar­auf ver­weist auch der Bun­des­ge­richts­hof und ver­wies das Ver­fah­ren zurück ans Amts­ge­richt: Die über das elek­tro­ni­sche Han­dels­re­gis­ter ersicht­li­che Ein­tra­gung der Ver­schmel­zung zwei­er Rechts­trä­ger sei eine all­ge­mein­kun­di­ge Tat­sa­che, befan­den die Bun­des­rich­ter, öffent­lich beglau­big­te Han­dels­re­gis­ter­aus­zü­ge müs­se die Antrag­stel­le­rin des­halb nicht vor­le­gen (Az. VII ZB 69/21).

Der Inhalt des von den Regis­ter­ge­rich­ten geführ­ten Han­dels­re­gis­ters sei, so der Bun­des­ge­richts­hof, eine zuver­läs­si­ge Infor­ma­ti­ons­quel­le, die all­ge­mein zugäng­lich sei. Es sei gera­de Sinn und Zweck des Han­dels­re­gis­ters, für die Ver­laut­ba­rung der für den Rechts­ver­kehr wesent­li­chen Tat­sa­chen und Rechts­ver­hält­nis­se der Kauf­leu­te und Han­dels­ge­sell­schaf­ten zu sor­gen.

Die All­ge­mein­heit kön­ne sei­nen Inhalt online über einen belie­bi­gen Inter­net­zu­gang oder vor Ort auf der Geschäfts­stel­le des Regis­ter­ge­richts zur Kennt­nis neh­men. Damit lehn­ten die Bun­des­rich­ter auch das Argu­ment der Instanz­ge­rich­te ab, man benö­ti­ge ein Grund­ver­ständ­nis über den Auf­bau und die Funk­ti­ons­fä­hig­keit sowie die damit ver­bun­de­nen Recher­che­mög­lich­kei­ten auf der Web­sei­te www.handelsregister.de: schlicht­weg nicht mehr zeit­ge­mäß, befand der BGH. Es sei schließ­lich gera­de der Sinn des elek­tro­ni­schen Han­dels­re­gis­ters, dass die Ein­tra­gun­gen jeder­zeit für jeder­mann frei zugäng­lich sei­en.

 

Aus­wir­kun­gen für die Pra­xis

Für die Pra­xis hat die­ses Ver­ständ­nis weit­rei­chen­de Kon­se­quen­zen. Vie­le Pro­zes­se schei­tern, selbst wenn Betei­lig­te der Sache nach im Recht sind, dar­an, dass sie eine Tat­sa­che, für die sie beweis­pflich­tig sind, nicht bewei­sen kön­nen. Was offen­kun­dig ist, muss man aber nicht bewei­sen.

Grund­sätz­lich obliegt die Fest­stel­lung, ob eine Tat­sa­che offen­kun­dig im Sin­ne der ZPO ist, dem Tat­rich­ter. Da die Inter­net­sei­te „www.handelsregister.de“ für jeder­mann ohne Beschrän­kun­gen zugäng­lich und kos­ten­frei ist, han­delt sich bei den dort ver­öf­fent­lich­ten Infor­ma­tio­nen nun auch laut höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung um offen­kun­di­ge Tat­sa­chen, die man nicht mehr bewei­sen und  wor­über auch kein Beweis erho­ben wer­den muss. Etwa­ige Pro­zes­se kön­nen somit beschleu­nigt und Pro­zess­kos­ten redu­ziert wer­den.

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Vesting-Klauseln in Start-ups: Legitime Bindung oder sittenwidrige Hinauskündigung?

Vesting-Klauseln verknüpfen die Gesellschafterstellung mit dem fortwährenden Einsatz des Gesellschafters für das Unternehmen. Sie sollen die Gründer an das Unternehmen binden und sie motivieren, ihr gesamtes Know-how einzubringen. Doch wann sind sie zulässig, und wo beginnt die sittenwidrige Hinauskündigung? Das Kammergericht Berlin zeigt sich unternehmensfreundlich. Vesting-Regelungen sind in der Start-up­-Branche gang und gäbe: Verlässt ein Gründer das Unternehmen vor Ablauf...

Datenraum-Dilemma: BGH klärt Aufklärungspflichten bei Transaktionen

Transaktionen sind oft hektisch, Wichtiges passiert häufig in letzter Minute. Inwieweit Verkäufer den Käufer informieren müssen, dem sie schon einen Datenraum zur Verfügung gestellt haben, hat vor kurzem der BGH entschieden. Das Urteil betraf zwar eine Immobilientransaktion, ist aber für alle Arten von Unternehmenstransaktionen relevant. Gerade weil Transaktionen nur selten ruhig und entspannt ablaufen, kommt es oft vor, dass Dokumente...