handelsregister.de: Was dort steht, muss man nicht mehr beweisen

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Gesellschaftsrecht | 25. April 2024
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Seit August 2022 kann jed­er kosten­frei und ohne Reg­istrierung das elek­tro­n­isch geführte Han­del­sreg­is­ter ein­se­hen. Der Bun­des­gericht­shof hat in einem Beschluss vom 23. Mai 2023 bestätigt,  dass es sich bei den Inhal­ten der Web­seite um offenkundi­ge Tat­sache im Sinne der Zivil­prozes­sor­d­nung han­delt: Was dort ste­ht, muss man nicht mehr unter Beweis stellen.

Das Amts­gericht Kempten (All­gäu) hat­te es im Jahr 2021 abgelehnt, eine Recht­snach­fol­geklausel für drei Voll­streck­ungsti­tel zu erteilen. Die Antrag­stel­lerin habe im Ver­fahren trotz Auf­forderung keine öffentlich beglaubigten Han­del­sreg­is­ter­auszüge über die behauptete Ver­schmelzung von zwei Unternehmen vorgelegt, so das Amts­gericht. Das stimmte, denn die Antrag­stel­lerin ver­wies darauf, dass die Ver­schmelzung – als Voraus­set­zung der Erteilung der Recht­snach­fol­geklausel – schließlich im elek­tro­n­is­chen Han­del­sreg­is­ter ste­he.

Obwohl die Ver­schmelzung der Recht­sträger tat­säch­lich unter www.handelsregister.de doku­men­tiert war, sah auch die näch­sthöhere Instanz die Recht­snach­folge nicht als offenkundi­ge Tat­sache im Sinne des Geset­zes an. Das Landgericht begrün­dete das im Novem­ber 2021 noch mit dem Argu­ment, dass das öffentlich zugängliche Han­del­sreg­is­ter kostenpflichtig und damit nicht frei zugänglich sei.

Dieses Argu­ment ist allerd­ings spätestens seit dem 1. August 2022 über­holt, weil www.handelsregister.de seit­dem für jed­er­mann ein­se­hbar ist.

 

„www.handelsregister.de“

Genau darauf ver­weist auch der Bun­des­gericht­shof und ver­wies das Ver­fahren zurück ans Amts­gericht: Die über das elek­tro­n­is­che Han­del­sreg­is­ter ersichtliche Ein­tra­gung der Ver­schmelzung zweier Recht­sträger sei eine all­ge­meinkundi­ge Tat­sache, befan­den die Bun­desrichter, öffentlich beglaubigte Han­del­sreg­is­ter­auszüge müsse die Antrag­stel­lerin deshalb nicht vor­legen (Az. VII ZB 69/21).

Der Inhalt des von den Reg­is­terg­ericht­en geführten Han­del­sreg­is­ters sei, so der Bun­des­gericht­shof, eine zuver­läs­sige Infor­ma­tion­squelle, die all­ge­mein zugänglich sei. Es sei ger­ade Sinn und Zweck des Han­del­sreg­is­ters, für die Ver­laut­barung der für den Rechtsverkehr wesentlichen Tat­sachen und Rechtsver­hält­nisse der Kau­fleute und Han­dels­ge­sellschaften zu sor­gen.

Die All­ge­mein­heit könne seinen Inhalt online über einen beliebi­gen Inter­net­zu­gang oder vor Ort auf der Geschäftsstelle des Reg­is­terg­erichts zur Ken­nt­nis nehmen. Damit lehn­ten die Bun­desrichter auch das Argu­ment der Instanzgerichte ab, man benötige ein Grund­ver­ständ­nis über den Auf­bau und die Funk­tions­fähigkeit sowie die damit ver­bun­de­nen Recherchemöglichkeit­en auf der Web­seite www.handelsregister.de: schlichtweg nicht mehr zeit­gemäß, befand der BGH. Es sei schließlich ger­ade der Sinn des elek­tro­n­is­chen Han­del­sreg­is­ters, dass die Ein­tra­gun­gen jed­erzeit für jed­er­mann frei zugänglich seien.

 

Auswirkun­gen für die Prax­is

Für die Prax­is hat dieses Ver­ständ­nis weitre­ichende Kon­se­quen­zen. Viele Prozesse scheit­ern, selb­st wenn Beteiligte der Sache nach im Recht sind, daran, dass sie eine Tat­sache, für die sie beweispflichtig sind, nicht beweisen kön­nen. Was offenkundig ist, muss man aber nicht beweisen.

Grund­sät­zlich obliegt die Fest­stel­lung, ob eine Tat­sache offenkundig im Sinne der ZPO ist, dem Tatrichter. Da die Inter­net­seite „www.handelsregister.de“ für jed­er­mann ohne Beschränkun­gen zugänglich und kosten­frei ist, han­delt sich bei den dort veröf­fentlicht­en Infor­ma­tio­nen nun auch laut höch­strichter­lich­er Recht­sprechung um offenkundi­ge Tat­sachen, die man nicht mehr beweisen und  worüber auch kein Beweis erhoben wer­den muss. Etwaige Prozesse kön­nen somit beschle­u­nigt und Prozesskosten reduziert wer­den.

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