Grundsatzurteil in Düsseldorf: Unternehmer in NRW müssen Corona-Soforthilfen nicht zurückzahlen

© Corona Borealis/stock.adobe.com
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Das Ver­wal­tungs­ge­richt Düs­sel­dorf hat drei Unter­neh­mern aus NRW Recht gege­ben: Die Rück­for­de­rung von Coro­na-Sofort­hil­fen aus dem Früh­jahr 2020 sei rechts­wid­rig. Die Urtei­le sind aber noch nicht rechts­kräf­tig.

Eine Kos­me­ti­ke­rin aus Rem­scheid, ein Betrei­ber eines Schnell­re­stau­rants in Düs­sel­dorf und ein Steu­er­be­ra­ter, der gro­ße Tei­le sei­nes Umsat­zes mit der Aus- und Fort­bil­dung ande­rer Steu­er­be­ra­ter erzielt: Alle drei Klä­ger, die am Diens­tag vor dem Düs­sel­dor­fer Ver­wal­tungs­ge­richt min­des­tens einen Etap­pen­sieg errun­gen haben, waren von den Coro­na-Maß­nah­men im Früh­jahr 2020 mas­siv betrof­fen. Der Gas­tro­nom und die Kos­me­ti­ke­rin muss­ten ihre Betrie­be im Lock­down schlie­ßen, der Steu­er­be­ra­ter konn­te kei­ne Prä­senz­vor­trä­ge mehr hal­ten. Die Unbill schien gelin­dert, als Bund und Län­der kurz­fris­tig Pro­gram­me auf­leg­ten, um die Wirt­schaft zu unter­stüt­zen: Ende März/Anfang April 2020 erhiel­ten die drei wie vie­le ande­re selb­stän­di­ge Unter­neh­mer in NRW ent­spre­chen­de Bewil­li­gungs­be­schei­de, das Land zahl­te ihnen jeweils 9.000 Euro als sog. Coro­na-Sofort­hil­fe aus.

Die Erleich­te­rung währ­te aller­dings nicht lan­ge. Im Rah­men eines sog. Rück­mel­de­ver­fah­rens setz­te die Düs­sel­dor­fer Bezirks­re­gie­rung die Höhe der Sofort­hil­fen auf nur 2.000 Euro fest – und for­der­te die Unter­neh­mer auf, 7.000 Euro zurück­zu­zah­len.

In den Rück­for­de­rungs­be­schei­den stell­te das Land dar­auf ab, ob die Unter­neh­mer einen Liqui­di­täts­eng­pass erlit­ten hat­ten. Nur eine Dif­fe­renz zwi­schen Ein­nah­men und Aus­nah­men für den Geschäfts­be­trieb, ein Ver­lust also, soll­te nun maß­geb­lich sein dafür, ob sie die Geld­leis­tun­gen erhal­ten und mit­hin behal­ten durf­ten. Die Bezirks­re­gie­rung stütz­te das auf eine am 31. Mai 2020 in Kraft getre­te­ne Richt­li­nie des Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­ums in NRW, die rück­wir­kend Wir­kung ent­fal­ten soll­te und zum ers­ten Mal den Begriff des Liqui­di­täts­eng­pas­ses i.S.d. vor­ge­nann­te Ver­lusts defi­nier­te. Für vie­le Unter­neh­mer war das ein Schock, hat­ten sie doch erheb­li­che Umsatz­ein­bu­ßen erlit­ten. Sie waren davon aus­ge­gan­gen, die aus­ge­zahl­ten Gel­der behal­ten zu kön­nen.

Verwaltungsgericht: Land NRW darf nicht einfach von kommunizierter Förderpraxis abweichen

Zu Recht, urteil­te nun das Ver­wal­tungs­ge­richt Düs­sel­dorf: Die Rück­for­de­rungs­be­schei­de der Bezirks­re­gie­rung sei­en rechts­wid­rig, ent­schie­den die Düs­sel­dor­fer Rich­ter am Diens­tag in drei Ver­fah­ren (VG Düs­sel­dorf, Az. 20 K 7488/20, 20 K 217/21, 20 K 393/22).

Das Ver­wal­tungs­ge­richt begrün­det sei­ne Ent­schei­dung vor allem damit, dass das Land im Bewil­li­gungs- und im spä­te­ren Rück­for­de­rungs­ver­fah­ren unter­schied­li­che Maß­stä­be ange­legt hat: Auch die sog. Schluss­be­schei­de, mit denen die Rück­for­de­rung gel­tend gemacht wur­de, müss­ten sich an der För­der­pra­xis mes­sen las­sen, die das Land wäh­rend des Antrags­ver­fah­rens auf­ge­stellt hat­te. Wäh­rend die­ses Antrags­ver­fah­rens aber hät­ten die Unter­neh­mer davon aus­ge­hen dür­fen, dass es für die Bewil­li­gung und das Behal­ten der Coro­na-Sofort­hil­fe auf einen pan­de­mie­be­ding­ten Umsatz­aus­fall ankam. In die­ser Wei­se sei­en die Antrags­vor­dru­cke, die online bereit­ge­stell­ten Hin­wei­se und schließ­lich auch die Bewil­li­gungs­be­schei­de für die Coro­na­hil­fen for­mu­liert gewe­sen, so die Ver­wal­tungs­rich­ter.

Dann kön­ne das Land bei den Schluss­be­schei­den nicht plötz­lich auf einen Liqui­di­täts­eng­pass abstel­len und damit von der bis dahin kom­mu­ni­zier­ten und prak­ti­zier­ten För­der­pra­xis abwei­chen; auch nicht auf­grund einer rück­wir­kend in Kraft getre­te­nen Richt­li­nie, argu­men­tiert die Kam­mer. Außer­dem sei­en die ursprüng­li­chen Bewil­li­gungs­be­schei­de unklar for­mu­liert gewe­sen, was die Para­me­ter einer Rück­zah­lung anging.

Auch für andere Länder wegweisend

Wegen der grund­sätz­li­chen Bedeu­tung des Ver­fah­rens hat das Ver­wal­tungs­ge­richt die Beru­fung zuge­las­sen, das Land NRW kann also noch Rechts­mit­tel gegen die Urtei­le ein­le­gen. Dann müss­te das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt in Müns­ter ent­schei­den. Bei dem Gericht in Düs­sel­dorf sind Hun­der­te wei­te­re Kla­gen rund um Coro­na-Sofort­hil­fen anhän­gig, die 2. Kam­mer erklär­te die drei von ihr jetzt ent­schie­de­nen Fäl­le aus­drück­lich für „reprä­sen­ta­tiv für einen Groß­teil“ davon. Für Nord­rhein-West­fa­len sind die Ent­schei­dun­gen also ech­te, wenn auch noch nicht rechts­kräf­ti­ge Grund­satz­ur­tei­le.

Die Coro­na-Sofort­hil­fen wur­den auf Lan­des­ebe­ne bewil­ligt und zur Ver­fü­gung gestellt, also in allen Bun­des­län­dern unter­schied­lich gehand­habt. Unmit­tel­ba­re Aus­sa­ge­kraft haben die Urtei­le des­halb nur für Nord­rhein-West­fa­len. Für Län­der, in denen sich der Maß­stab vom Bewil­li­gungs- zum Schluss­be­scheid eben­falls geän­dert hat, sind die Ent­schei­dun­gen aber eben­so weg­wei­send.

Auch hier zeigt sich wie­der, dass die dama­li­gen Maß­nah­men nicht durch­dacht waren, son­dern – wie auch in ande­ren Fäl­len – unüber­legt und über­stürzt agiert wur­de. Der rück­wir­ken­den Besei­ti­gung des Feh­lers auf legis­la­ti­ver Ebe­ne hat das Ver­wal­tungs­ge­richt nun einen Rie­gel vor­ge­scho­ben. So teu­er das wer­den mag, so ist es doch rich­tig, dies nicht auf den Rücken der Betrof­fe­nen aus­zu­tra­gen. Auch in ande­ren Fäl­len wur­den die Unter­neh­men von legis­la­ti­ver Sei­te allein damit gelas­sen, die häu­fig doch sehr unbe­stimm­ten Rege­lun­gen umzu­set­zen. Man kann nur hof­fen, dass die Gerich­te auch hier der Rechts­un­si­cher­heit Rech­nung tra­gen, der die Unter­neh­men aus­ge­setzt waren, und die Ver­ant­wor­tung nicht bei den Unter­neh­men sehen.

Dr. Petra Oster­mai­er ist Part­ner bei SNP Schla­wi­en Part­ner­schaft mbB und schwer­punkt­mä­ßig im Arbeits­recht tätig. Sie berät und betreut neben mul­ti­na­tio­na­len Kon­zer­nen auch mit­tel­stän­di­sche und klei­ne­re Unter­neh­men in allen Fra­gen des indi­vi­du­el­len und kol­lek­ti­ven Arbeits­rechts. Hier­bei ver­tritt sie Arbeit­ge­ber nicht nur vor Gericht, son­dern beglei­tet die­se auch bei Ver­hand­lun­gen mit Gewerk­schaf­ten, Betriebs­rä­ten und in Eini­gungs­stel­len. Dane­ben unter­stützt Petra Oster­mai­er Vor­stän­de, Geschäfts­füh­rer und lei­ten­de Ange­stell­te bei ihren Ver­trags­ver­hand­lun­gen mit Unter­neh­men. Ihre Tätig­keit umfasst außer­dem die Bera­tung von Unter­neh­men im Daten­schutz sowie im Bereich des öffent­li­chen Rechts, vor­wie­gend im öffent­li­chen Bau­recht und Kom­mu­nal­ab­ga­ben­recht.
https://de.linkedin.com/in/dr-petra-ostermaier-90069021

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Über den autor

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Kündigung pünktlich zustellen: Neues zur Beweislast vom BAG

In den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers eingeworfene Kündigungsschreiben gelten als zugestellt, sobald mit der Leerung unmittelbar nach Abschluss der üblichen Postzustellzeiten zu rechnen ist – unabhängig davon, wann der Briefkasten tatsächlich geleert oder die Post gelesen wird. Was bedeutet das für Arbeitgeber?   Der Zeitpunkt der Zustellung einer Kündigung ist aus mehreren Gründen wichtig. Wann die Kündigung zugegangen ist, ist sowohl...

Handel mit Urlaubstagen: Darf‘s ein bisschen mehr sein?

Aus den USA kommt ein Trend auch nach Deutschland: Beschäftigte wollen mehr Urlaubstage – und sind bereit, sie von anderen Beschäftigten zu kaufen. Unternehmen, die sich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren wollen, sind geneigt, solchen Wünschen nachzugeben. Doch der Trend bringt auch Herausforderungen mit sich. Vorab ist festzuhalten, dass der gesetzliche Mindesturlaub - das sind bei einer Fünf-Tage-Woche 20 Tage -...