Grundsatzurteil in Düsseldorf: Unternehmer in NRW müssen Corona-Soforthilfen nicht zurückzahlen

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Das Ver­wal­tungs­gericht Düs­sel­dorf hat drei Unternehmern aus NRW Recht gegeben: Die Rück­forderung von Coro­na-Soforthil­fen aus dem Früh­jahr 2020 sei rechtswidrig. Die Urteile sind aber noch nicht recht­skräftig.

Eine Kos­metik­erin aus Rem­scheid, ein Betreiber eines Schnell­restau­rants in Düs­sel­dorf und ein Steuer­ber­ater, der große Teile seines Umsatzes mit der Aus- und Fort­bil­dung ander­er Steuer­ber­ater erzielt: Alle drei Kläger, die am Dien­stag vor dem Düs­sel­dor­fer Ver­wal­tungs­gericht min­destens einen Etap­pen­sieg errun­gen haben, waren von den Coro­na-Maß­nah­men im Früh­jahr 2020 mas­siv betrof­fen. Der Gas­tronom und die Kos­metik­erin mussten ihre Betriebe im Lock­down schließen, der Steuer­ber­ater kon­nte keine Präsen­zvorträge mehr hal­ten. Die Unbill schien gelin­dert, als Bund und Län­der kurzfristig Pro­gramme auflegten, um die Wirtschaft zu unter­stützen: Ende März/Anfang April 2020 erhiel­ten die drei wie viele andere selb­ständi­ge Unternehmer in NRW entsprechende Bewil­li­gungs­beschei­de, das Land zahlte ihnen jew­eils 9.000 Euro als sog. Coro­na-Soforthil­fe aus.

Die Erle­ichterung währte allerd­ings nicht lange. Im Rah­men eines sog. Rück­melde­v­er­fahrens set­zte die Düs­sel­dor­fer Bezirk­sregierung die Höhe der Soforthil­fen auf nur 2.000 Euro fest – und forderte die Unternehmer auf, 7.000 Euro zurück­zuzahlen.

In den Rück­forderungs­beschei­den stellte das Land darauf ab, ob die Unternehmer einen Liq­uid­ität­sen­g­pass erlit­ten hat­ten. Nur eine Dif­ferenz zwis­chen Ein­nah­men und Aus­nah­men für den Geschäfts­be­trieb, ein Ver­lust also, sollte nun maßge­blich sein dafür, ob sie die Geldleis­tun­gen erhal­ten und mithin behal­ten durften. Die Bezirk­sregierung stützte das auf eine am 31. Mai 2020 in Kraft getretene Richtlin­ie des Wirtschaftsmin­is­teri­ums in NRW, die rück­wirk­end Wirkung ent­fal­ten sollte und zum ersten Mal den Begriff des Liq­uid­ität­sen­g­pass­es i.S.d. vor­ge­nan­nte Ver­lusts definierte. Für viele Unternehmer war das ein Schock, hat­ten sie doch erhe­bliche Umsatzein­bußen erlit­ten. Sie waren davon aus­ge­gan­gen, die aus­gezahlten Gelder behal­ten zu kön­nen.

Verwaltungsgericht: Land NRW darf nicht einfach von kommunizierter Förderpraxis abweichen

Zu Recht, urteilte nun das Ver­wal­tungs­gericht Düs­sel­dorf: Die Rück­forderungs­beschei­de der Bezirk­sregierung seien rechtswidrig, entsch­ieden die Düs­sel­dor­fer Richter am Dien­stag in drei Ver­fahren (VG Düs­sel­dorf, Az. 20 K 7488/20, 20 K 217/21, 20 K 393/22).

Das Ver­wal­tungs­gericht begrün­det seine Entschei­dung vor allem damit, dass das Land im Bewil­li­gungs- und im späteren Rück­forderungsver­fahren unter­schiedliche Maßstäbe angelegt hat: Auch die sog. Schluss­beschei­de, mit denen die Rück­forderung gel­tend gemacht wurde, müssten sich an der Förder­prax­is messen lassen, die das Land während des Antragsver­fahrens aufgestellt hat­te. Während dieses Antragsver­fahrens aber hät­ten die Unternehmer davon aus­ge­hen dür­fen, dass es für die Bewil­li­gung und das Behal­ten der Coro­na-Soforthil­fe auf einen pan­demiebe­d­ingten Umsatzaus­fall ankam. In dieser Weise seien die Antragsvor­drucke, die online bere­it­gestell­ten Hin­weise und schließlich auch die Bewil­li­gungs­beschei­de für die Coro­n­ahil­fen for­muliert gewe­sen, so die Ver­wal­tungsrichter.

Dann könne das Land bei den Schluss­beschei­den nicht plöt­zlich auf einen Liq­uid­ität­sen­g­pass abstellen und damit von der bis dahin kom­mu­nizierten und prak­tizierten Förder­prax­is abwe­ichen; auch nicht auf­grund ein­er rück­wirk­end in Kraft getrete­nen Richtlin­ie, argu­men­tiert die Kam­mer. Außer­dem seien die ursprünglichen Bewil­li­gungs­beschei­de unklar for­muliert gewe­sen, was die Para­me­ter ein­er Rück­zahlung anging.

Auch für andere Länder wegweisend

Wegen der grund­sät­zlichen Bedeu­tung des Ver­fahrens hat das Ver­wal­tungs­gericht die Beru­fung zuge­lassen, das Land NRW kann also noch Rechtsmit­tel gegen die Urteile ein­le­gen. Dann müsste das Oberver­wal­tungs­gericht in Mün­ster entschei­den. Bei dem Gericht in Düs­sel­dorf sind Hun­derte weit­ere Kla­gen rund um Coro­na-Soforthil­fen anhängig, die 2. Kam­mer erk­lärte die drei von ihr jet­zt entsch­iede­nen Fälle aus­drück­lich für „repräsen­ta­tiv für einen Großteil“ davon. Für Nor­drhein-West­falen sind die Entschei­dun­gen also echte, wenn auch noch nicht recht­skräftige Grund­satzurteile.

Die Coro­na-Soforthil­fen wur­den auf Lan­desebene bewil­ligt und zur Ver­fü­gung gestellt, also in allen Bun­deslän­dern unter­schiedlich gehand­habt. Unmit­tel­bare Aus­sagekraft haben die Urteile deshalb nur für Nor­drhein-West­falen. Für Län­der, in denen sich der Maßstab vom Bewil­li­gungs- zum Schluss­bescheid eben­falls geän­dert hat, sind die Entschei­dun­gen aber eben­so weg­weisend.

Auch hier zeigt sich wieder, dass die dama­li­gen Maß­nah­men nicht durch­dacht waren, son­dern – wie auch in anderen Fällen – unüber­legt und über­stürzt agiert wurde. Der rück­wirk­enden Besei­t­i­gung des Fehlers auf leg­isla­tiv­er Ebene hat das Ver­wal­tungs­gericht nun einen Riegel vorgeschoben. So teuer das wer­den mag, so ist es doch richtig, dies nicht auf den Rück­en der Betrof­fe­nen auszu­tra­gen. Auch in anderen Fällen wur­den die Unternehmen von leg­isla­tiv­er Seite allein damit gelassen, die häu­fig doch sehr unbes­timmten Regelun­gen umzuset­zen. Man kann nur hof­fen, dass die Gerichte auch hier der Recht­sun­sicher­heit Rech­nung tra­gen, der die Unternehmen aus­ge­set­zt waren, und die Ver­ant­wor­tung nicht bei den Unternehmen sehen.

Dr. Petra Oster­maier ist Part­ner bei SNP Schlaw­ien Part­ner­schaft mbB und schw­er­punk­t­mäßig im Arbeit­srecht tätig. Sie berät und betreut neben multi­na­tionalen Konz­er­nen auch mit­tel­ständis­che und kleinere Unternehmen in allen Fra­gen des indi­vidu­ellen und kollek­tiv­en Arbeit­srechts. Hier­bei ver­tritt sie Arbeit­ge­ber nicht nur vor Gericht, son­dern begleit­et diese auch bei Ver­hand­lun­gen mit Gew­erkschaften, Betrieb­sräten und in Eini­gungsstellen. Daneben unter­stützt Petra Oster­maier Vorstände, Geschäfts­führer und lei­t­ende Angestellte bei ihren Ver­tragsver­hand­lun­gen mit Unternehmen. Ihre Tätigkeit umfasst außer­dem die Beratung von Unternehmen im Daten­schutz sowie im Bere­ich des öffentlichen Rechts, vor­wiegend im öffentlichen Bau­recht und Kom­mu­nal­ab­gaben­recht.
https://de.linkedin.com/in/dr-petra-ostermaier-90069021

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