Die Reform des italienischen Gesellschaftsrechts, Teil 2

Gesellschaftsrecht | 29. März 2004
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Der erste Teil des Artikels: Die Reform des ital­ienis­chen Gesellschaft­srechts, Teil 1

2. Die Società per azioni

Eine soci­età per azioni (Aktienge­sellschaft) kann nun­mehr auch nur durch eine einzelne Per­son gegrün­det wer­den und alle Aktien kön­nen lediglich von einem Aktionär gehal­ten wer­den. In diesem Fall muss der alleinige Aktionär zwin­gend zur Ein­tra­gung im Han­del­sreg­is­ter angemeldet wer­den. Vor der Ein­tra­gung haftet der Einzel­grün­der unbeschränkt.

Das Grund­kap­i­tal der soci­età per azioni muss nach den neuen Bes­tim­mungen min­destens 120.000,- € (bish­er 100.000,- €) betra­gen und bei Fest­set­zung der Satzung vor dem Notar zu min­destens 25% (bish­er 30%) auf ein Bankkon­to eingezahlt wer­den. Han­delt es sich um eine Ein­per­so­n­en-Gesellschaft, ist das gesamte Grund­kap­i­tal einzuzahlen. Bere­its vor dem Inkraft­treten der Reform einge­tra­gene soci­età per azioni kön­nen ihr Grund­kap­i­tal von 100.000,- € beibehal­ten.

Aus­drück­lich fest­gestellt wird zudem, dass eine soci­età per azioni Anteile an ein­er Gesellschaft hal­ten darf, deren Gesellschafter unbeschränkt haften. Dies sind die soci­età in nome col­leti­vo (offene Han­dels­ge­sellschaft) und die soci­età in acco­man­di­ta sem­plice (Kom­man­dit­ge­sellschaft).

Die Geschäfts­führung, Vertre­tung und Kon­trolle der soci­età per azioni ist nach einem der drei durch die Reform zur Dis­po­si­tion gestell­ten Sys­te­men auszurichten.Das soge­nan­nte ein­fache Sys­tem (sis­tema ordi­nario) baut auf den bish­eri­gen Regelun­gen auf. Danach ver­fügt die Gesellschaft über einen con­siglio di ammin­is­trazione (Ver­wal­tungsrat) oder einen ammin­is­tra­tore uni­co (Einzelgeschäfts­führer), welchen die Geschäfts­führung und Vertre­tung obliegt, sowie ein col­le­gio sin­da­cale (Prü­fungs­gremi­um) mit Kon­troll­funk­tion. Bei­de Organe wer­den von der Hauptver­samm­lung bestellt. Dadurch ist die strik­te Tren­nung von Ver­wal­tung und Kon­trolle gewährleis­tet. Der col­le­gio sin­da­cale beste­ht aus min­destens drei Mit­gliedern. Nur noch ein Mit­glied und ein Stel­lvertreter müssen Wirtschaft­sprüfer sein. Die übri­gen Mit­glieder kön­nen auch Pro­fes­soren oder Beruf­sträger im wirtschaftswis­senschaftlichen oder juris­tis­chen Bere­ich sein. Die einzel­nen Mit­glieder des col­le­gio sin­da­cale kön­nen jed­erzeit von den ammin­is­tra­tori Auskun­ft über sämtliche Geschäfte der Gesellschaft ver­lan­gen. Mit ihrem Pen­dant bei ein­er beherrscht­en Gesellschaft kann der col­le­gio sin­da­cale Infor­ma­tio­nen aus­tauschen. Der con­siglio di ammin­is­trazione kann einem comi­ta­to esec­u­ti­vo (Exeku­tivkomi­tee) oder einem oder mehreren ammin­is­tra­tori del­e­gati (geschäfts­führende Ver­wal­tungsratsmit­glieder) die Geschäfts­führung über­tra­gen und Vertre­tungsvoll­macht erteilen. Der ammin­stra­tore del­e­ga­to hat dem con­siglio di ammin­is­trazione und dem col­le­gio sin­da­cale wenig­stens alle 6 Monate zu bericht­en.

Voll­ständig neu einge­führt wer­den das dual­is­tis­che Sys­tem (sis­tema dual­is­ti­co) bzw. das monis­tis­che Sys­tem (sis­tema monis­ti­co). Gemäß dem dual­is­tis­chen Sys­tem (sis­tema dual­is­ti­co) ver­fügt die Gesellschaft über einen con­siglio di ges­tione (Leitungsrat) und einen con­siglio di sorveg­lian­za (Überwachungsrat). Hier bestellt die Hauptver­samm­lung den con­siglio di sorveg­lian­za, welch­er sein­er­seits den con­siglio di ges­tione bestellt. Diese Organe ähneln stark dem Auf­sicht­srat bzw. dem Vor­stand ein­er Aktienge­sellschaft nach deutschem Recht. Der con­siglio di ges­tione beste­ht aus min­destens zwei Mit­gliedern, führt die Geschäfte und ver­tritt die Gesellschaft. Die ersten Mit­glieder sind in der Grün­dung­surkunde zu benen­nen. Dem con­siglio di sorveg­lian­za obliegt die Genehmi­gung der Bilanzen und die Überwachung der Geschäfts­führung. Er berichtet wenig­stens ein­mal im Jahr der Hauptver­samm­lung. Der con­siglio di sorveg­lian­za beste­ht aus min­destens drei Mit­gliedern, wobei ein Mit­glied und ein Stel­lvertreter Wirtschaft­sprüfer sein müssen. Die ersten Mit­glieder sind wiederum in der Grün­dung­surkunde zu benen­nen.

Nach dem monis­tis­chen Sys­tem (sis­tema monis­ti­co) schließlich gibt es nach US-amerikanis­chem Vor­bild einen von der Hauptver­samm­lung bestell­ten con­siglio di ammin­is­trazione (Ver­wal­tungsrat), welch­er ein aus seinen Mit­gliedern zusam­menge­set­zten inter­nen comi­ta­to di con­trol­lo (Kon­trol­lkomi­tee) bestellt. Min­destens die Hälfte der ammin­is­tra­tori im monis­tis­chen Sys­tem müssen bes­timmte Voraus­set­zun­gen erfüllen. Sie dür­fen mit einem ammin­is­tra­tore ein­er beherrscht­en Gesellschaft, der beherrschen­den Gesellschaft oder ein­er Beteili­gungs­ge­sellschaft wed­er ver­heiratet noch ver­wandt sein. Ihre Unab­hängigkeit darf fern­er nicht durch wirtschaftliche oder per­sön­liche Beziehun­gen zu diesen Gesellschaften gefährdet sein. Der comi­ta­to di con­trol­lo beste­ht bei ein­er börsen­notierten Gesellschaft oder bei ein­er Gesellschaft mit mehr als 5.000.000,- € Net­to-Ver­mö­gen und mehr als 200 Aktionären aus wenig­stens drei Mit­gliedern und überwacht die Geschäfts­führung. Min­destens ein Mit­glied muss Wirtschaft­sprüfer sein. Keines der Mit­glieder darf mit einem ammin­is­tra­tore ein­er beherrscht­en Gesellschaft, der beherrschen­den Gesellschaft oder ein­er Beteili­gungs­ge­sellschaft ver­heiratet oder ver­wandt sein. Die Unab­hängigkeit der Mit­glieder darf auch nicht durch wirtschaftliche oder per­sön­liche Beziehun­gen zu diesen Gesellschaften gefährdet sein.

Den soci­età per azioni (Aktienge­sellschaften) und soci­età in acco­man­di­ta per azioni (Kom­man­dit­ge­sellschaften auf Aktien) wird durch die Reform ein weit­eres Instru­ment zur Finanzierung bzw. Haf­tungs­beschränkung an die Hand gegeben. Den Gesellschaften wird es erlaubt, durch Beschluss des con­siglio di ammin­is­trazione (Ver­wal­tungsrats) oder des con­siglio di ges­tione (Leitungsrats) pat­ri­moni des­ti­nati ad un sin­go­lo affare (für ein einzelnes Geschäfts bes­timmtes Ver­mö­gen) zu bilden. Dadurch wird erre­icht, dass die Gesellschaft auss­chließlich mit diesem Ver­mö­gen für Verbindlichkeit­en aus dem Geschäft haftet. Der Wert des Ver­mö­gens darf 10% des pat­ri­mo­nio net­to (Net­to-Ver­mö­gens) der Gesellschaft nicht über­schre­it­en. Der Gesellschafterbeschluss muss im Han­del­sreg­is­ter zur Ein­tra­gung angemeldet wer­den. Falls die Gläu­biger, denen einen Anspruch gegen die Gesellschaft aus der Zeit vor der Ein­tra­gung im Han­del­sreg­is­ter zuste­ht, nicht inner­halb von zwei Monat­en nach der Ein­tra­gung Wider­spruch erheben, wird die Bil­dung des pat­ri­mo­nio des­ti­na­to ad un sin­go­lo affare wirk­sam.

Um ein pat­ri­mo­nio des­ti­na­to ad un sin­go­lo affare zu bilden, wird der Gesellschaft zudem die Möglichkeit gegeben, auf ein finanzi­a­men­to des­ti­na­to ad un affare deter­mi­na­to (für ein einzelnes Geschäft bes­timmte Finanzierung) zurück­zu­greifen. Auf diese Weise haftet die Gesellschaft auss­chließlich mit den aus dem bes­timmten Geschäft erziel­ten Einkün­ften für die Rück­zahlung der Finanzierung. Andere Gläu­biger kön­nen auf diese Einkün­fte nicht zugreifen. Voraus­set­zung dafür ist, dass eine Kopie des Finanzierungsver­trags beim Han­del­sreg­is­ter niedergelegt wird und die Einkün­fte aus dem Geschäft vom übri­gen Gesellschaftsver­mö­gen auch buch­hal­ter­isch getren­nt wer­den.

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