Die Reform des italienischen Gesellschaftsrechts, Teil 2

Gesellschaftsrecht | 29. März 2004
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Der ers­te Teil des Arti­kels: Die Reform des ita­lie­ni­schen Gesell­schafts­rechts, Teil 1

2. Die Società per azioni

Eine socie­tà per azio­ni (Akti­en­ge­sell­schaft) kann nun­mehr auch nur durch eine ein­zel­ne Per­son gegrün­det wer­den und alle Akti­en kön­nen ledig­lich von einem Aktio­när gehal­ten wer­den. In die­sem Fall muss der allei­ni­ge Aktio­när zwin­gend zur Ein­tra­gung im Han­dels­re­gis­ter ange­mel­det wer­den. Vor der Ein­tra­gung haf­tet der Ein­zel­grün­der unbe­schränkt.

Das Grund­ka­pi­tal der socie­tà per azio­ni muss nach den neu­en Bestim­mun­gen min­des­tens 120.000,- € (bis­her 100.000,- €) betra­gen und bei Fest­set­zung der Sat­zung vor dem Notar zu min­des­tens 25% (bis­her 30%) auf ein Bank­kon­to ein­ge­zahlt wer­den. Han­delt es sich um eine Ein­per­so­nen-Gesell­schaft, ist das gesam­te Grund­ka­pi­tal ein­zu­zah­len. Bereits vor dem Inkraft­tre­ten der Reform ein­ge­tra­ge­ne socie­tà per azio­ni kön­nen ihr Grund­ka­pi­tal von 100.000,- € bei­be­hal­ten.

Aus­drück­lich fest­ge­stellt wird zudem, dass eine socie­tà per azio­ni Antei­le an einer Gesell­schaft hal­ten darf, deren Gesell­schaf­ter unbe­schränkt haf­ten. Dies sind die socie­tà in nome col­le­tivo (offe­ne Han­dels­ge­sell­schaft) und die socie­tà in acco­man­di­ta sem­pli­ce (Kom­man­dit­ge­sell­schaft).

Die Geschäfts­füh­rung, Ver­tre­tung und Kon­trol­le der socie­tà per azio­ni ist nach einem der drei durch die Reform zur Dis­po­si­ti­on gestell­ten Sys­te­men auszurichten.Das soge­nann­te ein­fa­che Sys­tem (sis­te­ma ordi­na­rio) baut auf den bis­he­ri­gen Rege­lun­gen auf. Danach ver­fügt die Gesell­schaft über einen con­siglio di ammi­nis­tra­zio­ne (Ver­wal­tungs­rat) oder einen ammi­nis­tra­to­re uni­co (Ein­zel­ge­schäfts­füh­rer), wel­chen die Geschäfts­füh­rung und Ver­tre­tung obliegt, sowie ein col­le­gio sindaca­le (Prü­fungs­gre­mi­um) mit Kon­troll­funk­ti­on. Bei­de Orga­ne wer­den von der Haupt­ver­samm­lung bestellt. Dadurch ist die strik­te Tren­nung von Ver­wal­tung und Kon­trol­le gewähr­leis­tet. Der col­le­gio sindaca­le besteht aus min­des­tens drei Mit­glie­dern. Nur noch ein Mit­glied und ein Stell­ver­tre­ter müs­sen Wirt­schafts­prü­fer sein. Die übri­gen Mit­glie­der kön­nen auch Pro­fes­so­ren oder Berufs­trä­ger im wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­chen oder juris­ti­schen Bereich sein. Die ein­zel­nen Mit­glie­der des col­le­gio sindaca­le kön­nen jeder­zeit von den ammi­nis­tra­to­ri Aus­kunft über sämt­li­che Geschäf­te der Gesell­schaft ver­lan­gen. Mit ihrem Pen­dant bei einer beherrsch­ten Gesell­schaft kann der col­le­gio sindaca­le Infor­ma­tio­nen aus­tau­schen. Der con­siglio di ammi­nis­tra­zio­ne kann einem comi­ta­to esecu­tivo (Exe­ku­tiv­ko­mi­tee) oder einem oder meh­re­ren ammi­nis­tra­to­ri dele­ga­ti (geschäfts­füh­ren­de Ver­wal­tungs­rats­mit­glie­der) die Geschäfts­füh­rung über­tra­gen und Ver­tre­tungs­voll­macht ertei­len. Der amm­in­stra­to­re dele­ga­to hat dem con­siglio di ammi­nis­tra­zio­ne und dem col­le­gio sindaca­le wenigs­tens alle 6 Mona­te zu berich­ten.

Voll­stän­dig neu ein­ge­führt wer­den das dua­lis­ti­sche Sys­tem (sis­te­ma dua­li­sti­co) bzw. das monis­ti­sche Sys­tem (sis­te­ma moni­sti­co). Gemäß dem dua­lis­ti­schen Sys­tem (sis­te­ma dua­li­sti­co) ver­fügt die Gesell­schaft über einen con­siglio di ges­tio­ne (Lei­tungs­rat) und einen con­siglio di sor­ve­gli­anza (Über­wa­chungs­rat). Hier bestellt die Haupt­ver­samm­lung den con­siglio di sor­ve­gli­anza, wel­cher sei­ner­seits den con­siglio di ges­tio­ne bestellt. Die­se Orga­ne ähneln stark dem Auf­sichts­rat bzw. dem Vor­stand einer Akti­en­ge­sell­schaft nach deut­schem Recht. Der con­siglio di ges­tio­ne besteht aus min­des­tens zwei Mit­glie­dern, führt die Geschäf­te und ver­tritt die Gesell­schaft. Die ers­ten Mit­glie­der sind in der Grün­dungs­ur­kun­de zu benen­nen. Dem con­siglio di sor­ve­gli­anza obliegt die Geneh­mi­gung der Bilan­zen und die Über­wa­chung der Geschäfts­füh­rung. Er berich­tet wenigs­tens ein­mal im Jahr der Haupt­ver­samm­lung. Der con­siglio di sor­ve­gli­anza besteht aus min­des­tens drei Mit­glie­dern, wobei ein Mit­glied und ein Stell­ver­tre­ter Wirt­schafts­prü­fer sein müs­sen. Die ers­ten Mit­glie­der sind wie­der­um in der Grün­dungs­ur­kun­de zu benen­nen.

Nach dem monis­ti­schen Sys­tem (sis­te­ma moni­sti­co) schließ­lich gibt es nach US-ame­ri­ka­ni­schem Vor­bild einen von der Haupt­ver­samm­lung bestell­ten con­siglio di ammi­nis­tra­zio­ne (Ver­wal­tungs­rat), wel­cher ein aus sei­nen Mit­glie­dern zusam­men­ge­setz­ten inter­nen comi­ta­to di con­trol­lo (Kon­troll­ko­mi­tee) bestellt. Min­des­tens die Hälf­te der ammi­nis­tra­to­ri im monis­ti­schen Sys­tem müs­sen bestimm­te Vor­aus­set­zun­gen erfül­len. Sie dür­fen mit einem ammi­nis­tra­to­re einer beherrsch­ten Gesell­schaft, der beherr­schen­den Gesell­schaft oder einer Betei­li­gungs­ge­sell­schaft weder ver­hei­ra­tet noch ver­wandt sein. Ihre Unab­hän­gig­keit darf fer­ner nicht durch wirt­schaft­li­che oder per­sön­li­che Bezie­hun­gen zu die­sen Gesell­schaf­ten gefähr­det sein. Der comi­ta­to di con­trol­lo besteht bei einer bör­sen­no­tier­ten Gesell­schaft oder bei einer Gesell­schaft mit mehr als 5.000.000,- € Net­to-Ver­mö­gen und mehr als 200 Aktio­nä­ren aus wenigs­tens drei Mit­glie­dern und über­wacht die Geschäfts­füh­rung. Min­des­tens ein Mit­glied muss Wirt­schafts­prü­fer sein. Kei­nes der Mit­glie­der darf mit einem ammi­nis­tra­to­re einer beherrsch­ten Gesell­schaft, der beherr­schen­den Gesell­schaft oder einer Betei­li­gungs­ge­sell­schaft ver­hei­ra­tet oder ver­wandt sein. Die Unab­hän­gig­keit der Mit­glie­der darf auch nicht durch wirt­schaft­li­che oder per­sön­li­che Bezie­hun­gen zu die­sen Gesell­schaf­ten gefähr­det sein.

Den socie­tà per azio­ni (Akti­en­ge­sell­schaf­ten) und socie­tà in acco­man­di­ta per azio­ni (Kom­man­dit­ge­sell­schaf­ten auf Akti­en) wird durch die Reform ein wei­te­res Instru­ment zur Finan­zie­rung bzw. Haf­tungs­be­schrän­kung an die Hand gege­ben. Den Gesell­schaf­ten wird es erlaubt, durch Beschluss des con­siglio di ammi­nis­tra­zio­ne (Ver­wal­tungs­rats) oder des con­siglio di ges­tio­ne (Lei­tungs­rats) patri­mo­ni desti­na­ti ad un sin­go­lo affa­re (für ein ein­zel­nes Geschäfts bestimm­tes Ver­mö­gen) zu bil­den. Dadurch wird erreicht, dass die Gesell­schaft aus­schließ­lich mit die­sem Ver­mö­gen für Ver­bind­lich­kei­ten aus dem Geschäft haf­tet. Der Wert des Ver­mö­gens darf 10% des patri­mo­nio net­to (Net­to-Ver­mö­gens) der Gesell­schaft nicht über­schrei­ten. Der Gesell­schaf­ter­be­schluss muss im Han­dels­re­gis­ter zur Ein­tra­gung ange­mel­det wer­den. Falls die Gläu­bi­ger, denen einen Anspruch gegen die Gesell­schaft aus der Zeit vor der Ein­tra­gung im Han­dels­re­gis­ter zusteht, nicht inner­halb von zwei Mona­ten nach der Ein­tra­gung Wider­spruch erhe­ben, wird die Bil­dung des patri­mo­nio desti­na­to ad un sin­go­lo affa­re wirk­sam.

Um ein patri­mo­nio desti­na­to ad un sin­go­lo affa­re zu bil­den, wird der Gesell­schaft zudem die Mög­lich­keit gege­ben, auf ein finan­zia­men­to desti­na­to ad un affa­re deter­mi­na­to (für ein ein­zel­nes Geschäft bestimm­te Finan­zie­rung) zurück­zu­grei­fen. Auf die­se Wei­se haf­tet die Gesell­schaft aus­schließ­lich mit den aus dem bestimm­ten Geschäft erziel­ten Ein­künf­ten für die Rück­zah­lung der Finan­zie­rung. Ande­re Gläu­bi­ger kön­nen auf die­se Ein­künf­te nicht zugrei­fen. Vor­aus­set­zung dafür ist, dass eine Kopie des Finan­zie­rungs­ver­trags beim Han­dels­re­gis­ter nie­der­ge­legt wird und die Ein­künf­te aus dem Geschäft vom übri­gen Gesell­schafts­ver­mö­gen auch buch­hal­te­risch getrennt wer­den.

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Über den autor

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Wettbewerbsrecht 15. Dezember 2004

Änderungen im Kartellrecht — Handlungsbedarf bei Betriebsvereinbarungen

Die EU hat mit der Kartellrechtsverordnung – VO 01/2003 – das Kartellrecht – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – neu geregelt. Das Bundeskabinett hat deshalb am 26.05.2004 einen Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen – GWB – beschlossen, um das deutsche Recht den europäischen Vorgaben in der VO 01/2003 anzupassen Die Umsetzung hätte dabei bis zum 01.05.2004 erfolgen sollen,...

Gesellschaftsrecht 15. September 2004

Die Europäische Aktiengesellschaft (SE)

Die erste für alle EU-Mitgliedsstaaten einheitliche Gesellschaftsform. Ab dem 08.10.2004 steht mit der Rechtsform der europäischen Aktiengesellschaft (SE) im Gemeinschaftsgebiet eine neue supranationale Gesellschaftsform zur Verfügung, die in allen EU-Mitgliedsstaaten in Kraft treten wird. Dies wurde durch die EG-Verordnung Nr. 2157/2001 des Rates vom 08.10.2001 über das Statut der europäischen Gesellschaft (SE) möglich gemacht, die nunmehr am 08.10.2004 in Kraft...