Gender Pay Gap und Equal Pay: Läutet das BAG das Ende von Gehaltsverhandlungen ein?

© Prostock-studio/stock.adobe.com
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

„Equal Pay“ ist in aller Munde: Selb­stver­ständlich sollte der Grund­satz herrschen, dass gle­ich­es Gehalt bei gle­ich­er Arbeit bezahlt wer­den sollte, ungeachtet des Geschlechts oder ander­er Merk­male. 

Doch hän­gen die konkreten Gehäl­ter, jeden­falls bei fehlen­den Tar­ifverträ­gen, von der Arbeits­mark­t­si­t­u­a­tion, dem Inter­esse des Arbeit­ge­bers, ger­ade den einen Mitar­beit­er „abzuwer­ben“ oder zu behal­ten, und dem Ver­hand­lungs­geschick bei­der Parteien ab. Diese Grund­la­gen wer­den nun durch zwei neuere Entschei­dun­gen des Bun­de­sar­beits­gerichts erschüt­tert, mit noch ungewis­sen Kon­se­quen­zen für die Prax­is. Dass das hehre Ziel der Gle­ich­be­hand­lung bei Gehäl­tern einige Tück­en birgt, erk­lärt Dr. Petra Oster­maier

Auf­grund des arbeit­srechtlichen Gle­ich­be­hand­lungs­grund­satzes dür­fen Arbeit­ge­ber bei Begün­s­ti­gun­gen einzelne Arbeit­nehmer nicht aus willkür­lichen Grün­den schlechter stellen als ver­gle­ich­bare Arbeit­nehmer – willkür­liche Begün­s­ti­gun­gen einzel­ner Arbeit­nehmer sind dage­gen grund­sät­zlich zuläs­sig.

Sowohl das Teilzeit- und Befris­tungs­ge­setz (TzBfG) als auch das All­ge­meine Gle­ich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) ver­bi­eten zudem spez­i­fis­che Benachteili­gun­gen, näm­lich die Benachteili­gung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vol­lzeitbeschäftigten und die Benachteili­gung von Beschäftigten aus Grün­den der „Rasse“ oder wegen der eth­nis­chen Herkun­ft, des Geschlechts, der Reli­gion oder Weltan­schau­ung, ein­er Behin­derung, des Alters oder der sex­uellen Iden­tität, wobei eine Ungle­ich­be­hand­lung bei Vor­liegen sach­lich­er Gründe aber gerecht­fer­tigt sein kann.

Hier­aus fol­gt aber noch nicht der Grund­satz „Gle­ich­er Lohn für gle­iche Arbeit“. Denn die Ver­trags­frei­heit erlaubte es bis­lang den Arbeit­ge­bern, bei Ein­stel­lun­gen über das Gehalt zu ver­han­deln – wer schlecht ver­han­delte, erhielt meist dauer­haft weniger Gehalt als jemand, der gut ver­han­delt hat­te, da z.B. prozen­tuale Gehalt­ser­höhun­gen für alle die ursprünglich beste­hende Gehalts­d­if­ferenz nicht hat­ten schließen kön­nen. Allerd­ings ver­bi­etet das Ent­gelt­trans­paren­zge­setz ein­er Per­son bei gle­ich­w­er­tiger Arbeit wegen des Geschlechts eines (oder ein­er) Beschäftigten ein gerin­geres Ent­gelt zu zahlen als bei einem (oder ein­er) Beschäftigten anderen Geschlechts.

Seit jeher wird bemän­gelt, dass Frauen für die gle­iche Tätigkeit zumeist weniger ver­di­enen als Män­ner, was häu­fig mit dem schlechteren Ver­hand­lungs­geschick von Frauen begrün­det wird. Bei Teilzeitkräften ist es so, dass ein­er­seits Aushil­fen häu­fig weniger ver­di­enen als die fest angestell­ten Beschäftigten, ander­er­seits Teilzeitbeschäftigte aber dur­chaus häu­fig einen höheren Stun­den­lohn haben als Vol­lzeitbeschäftigte.

 

Gleichbehandlung von Teilzeitkräften

Nun hat das Bun­de­sar­beits­gericht (BAG) am 18. Jan­u­ar 2023 (Az. 5 AZR 108/22) einem ger­ingfügig beschäftigten Ret­tungsas­sis­ten­ten Recht gegeben, der seinen Arbeit­ge­ber auf Nachzahlung des Dif­feren­zlohns zum Stun­den­lohn, den seine „haup­tamtlichen“ Kol­le­gen und Kol­legin­nen beka­men, in Anspruch nahm. Den unter­schiedlichen Stun­den­lohn begrün­dete der Arbeit­ge­ber mit der größeren Pla­nungssicher­heit und weniger Pla­nungsaufwand mit „haup­tamtlichen“ Beschäftigten sowie ihrer Weisungs­ge­bun­den­heit hin­sichtlich der Arbeit­szeit. Diese Gründe hat das BAG in zutr­e­f­fend­er Weise nicht anerkan­nt; abge­se­hen davon, dass es einen höheren Pla­nungsaufwand nicht erken­nen kon­nte, sah es das Direk­tion­srecht bzgl. der Lage der Arbeit­szeit als sach­fremdes Kri­teri­um für die Unter­schei­dung an, dass ein Ret­tungsas­sis­tent mehr Vergü­tung bekam als sein gle­ich qual­i­fiziert­er Kol­lege, der die gle­iche Tätigkeit ausübte und let­ztlich gar die erforder­liche „Ein­satzre­serve“ bildete, die der Arbeit­ge­ber im Hin­blick auf das Arbeit­szeit­ge­setz benötigte. Den Aspekt, dass es sich ggf. um frei aus­ge­han­delte Gehäl­ter gehan­delt hat, hat das BAG jeden­falls in der Pressemit­teilung nicht the­ma­tisiert.

 

Verhandlungsgeschick darf nicht entscheidend sein

Auf den Punkt gebracht hat es das BAG dann aber in seinem Urteil vom 16. Feb­ru­ar 2023 (Az. 8 AZR 4450/21): In diesem entsch­ied es laut der Presseerk­lärung – die Urteils­gründe sind noch nicht veröf­fentlicht – ent­ge­gen den Vorin­stanzen, dass eine Frau Anspruch auf die gle­iche Vergü­tung wie ein Mann (und eine Entschädi­gung) habe, wenn sie gle­iche oder gle­ich­w­er­tige Arbeit ver­richte. Ein Arbeit­ge­ber hat­te zunächst einen Mann und wenige Monate spätere eine Frau im Außen­di­enst eingestellt. Bei­den hat­te der Arbeit­ge­ber ein Anfangs­ge­halt von € 3.500,00 ange­boten; nur der Mann ver­han­delte nach und erhielt in der Folge ein höheres Anfangs­ge­halt; nicht bekan­nt ist allerd­ings, ob es im Unternehmen weit­ere männliche Außen­di­en­st­beschäftigte gab, die eben­falls „nur“ € 3.500,00 erhiel­ten. Dass der Arbeit­ge­ber das höhere Gehalt damit begrün­dete, dass der Mann die Stelle ein­er aus­geschiede­nen, höher bezahlten Mitar­bei­t­erin nachbe­set­zt hat­te, ließ das BAG nachvol­lziehbar nicht als recht­fer­ti­gen­den Grund genü­gen, wobei die Zahlung eines höheren Gehalts an die Vorgän­gerin dur­chaus als Indiz hätte gew­ertet kön­nen, dass der Arbeit­ge­ber Frauen nicht schlechter bezahlen will als Män­ner. Das BAG sieht aber auch das Ver­hand­lungs­geschick des Mannes nicht als Argu­ment an, ein­er nach­fol­gen­den Bewer­berin nicht auch das Gehalt anzu­bi­eten, das der Mann aus­ge­han­delt hat­te, son­dern nur das gle­iche Gehalt anzu­bi­eten, wie es der Arbeit­ge­ber dem Mann zuvor ange­boten hat­te. Insoweit sah das BAG die geset­zliche Ver­mu­tung ein­er Diskri­m­inierung als nicht wider­legt an.

 

Droht das Ende der Gehaltsverhandlungen?

Mit sein­er Entschei­dung schränkt das BAG den Grund­satz der Ver­trags­frei­heit bei Gehaltsver­hand­lun­gen ein, jeden­falls im Ver­hält­nis zwis­chen Män­nern und Frauen. Damit eröffnet das BAG aber eine Spi­rale, die über die Schließung des „Gen­der Pay Gaps“ hin­aus­ge­ht und am Ziel vor­beige­ht:

Wäre die Frau ein Mann gewe­sen und hätte der Mann wie die Frau nicht ver­han­delt, wäre das niedrigere Gehalt Ergeb­nis der Ver­hand­lungs­frei­heit und nicht zu bean­standen gewe­sen. Hätte der Arbeit­ge­ber nach der Frau einen weit­eren Mann eingestellt, ihm eben­so das dem ersten Mann ursprünglich ange­botene Gehalt ange­boten und der Mann nicht ver­han­delt, kön­nte dieser Mann sich dann eben­so auf eine Diskri­m­inierung wegen des Geschlechts berufen, weil die Frau vor ihm schließlich infolge der Diskri­m­inierungsver­mu­tung ein höheres Gehalt bekom­men hat­te.

Fraglich ist z.B. auch, ob sich die Entschei­dung auch auf solche Fälle auswirkt, in denen ein langjähriger Beschäftigter auf­grund jährlich­er all­ge­mein­er Gehalt­ser­höhun­gen ein Gehalt erre­icht hat, das weit über dem Mark­tüblichen liegt – und ein­er neu eingestell­ten Mitar­bei­t­erin nur das mark­tübliche Gehalt bezahlt wird. Je nach Arbeits­mark­t­lage sind Beschäftigte auch nur gegen hohes Gehalt zu rekru­tieren; ändert sich die Arbeits­mark­t­lage, so wäre es kaum nachzu­vol­lziehen, warum Arbeit­ge­ber hier­auf nicht reagieren dür­fen soll­ten, wären die hohen Gehäl­ter doch der Mark­t­lage und nicht einem Geschlecht geschuldet. Hier bleibt zu hof­fen, dass darin kein Indiz für eine Diskri­m­inierung gese­hen wird.

Dass das Urteil auch über das Gebot zur Gle­ich­be­hand­lung von Män­nern und Frauen hin­aus­ge­ht und auch alle anderen Arbeitsver­trags­be­din­gun­gen erfasst, ste­ht zu befürcht­en, auch wenn die Urteils­gründe noch nicht bekan­nt sind. Eben­so wird abzuwarten sein, ob eine Gehalt­ser­höhung für einen Mann Indiz für die Diskri­m­inierung der Frauen ist, auch wenn alle anderen Män­ner eben­falls keine Gehalt­ser­höhung bekom­men haben.

Arbeit­ge­ber wer­den sich jeden­falls kün­ftig sehr genau über­legen müssen, ob und warum sie den Forderun­gen einzel­ner Bewer­ber bzw. Beschäftigter nachgeben dür­fen, müssen sie doch fürcht­en, es bes­timmten Grup­pen oder gar allen anderen dann auch zahlen zu müssen.

 

Dr. Petra Oster­maier ist schw­er­punk­t­mäßig im Arbeit­srecht tätig. Sie berät und betreut neben multi­na­tionalen Konz­er­nen auch mit­tel­ständis­che und kleinere Unternehmen in allen Fra­gen des indi­vidu­ellen und kollek­tiv­en Arbeit­srechts. Hier­bei ver­tritt sie Arbeit­ge­ber nicht nur vor Gericht, son­dern begleit­et diese auch bei Ver­hand­lun­gen mit Gew­erkschaften, Betrieb­sräten und in Eini­gungsstellen. Daneben unter­stützt Petra Oster­maier Vorstände, Geschäfts­führer und lei­t­ende Angestellte bei ihren Ver­tragsver­hand­lun­gen mit Unternehmen. https://de.linkedin.com/in/dr-petra-ostermaier-90069021

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Über den autor

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Kündigung pünktlich zustellen: Neues zur Beweislast vom BAG

In den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers eingeworfene Kündigungsschreiben gelten als zugestellt, sobald mit der Leerung unmittelbar nach Abschluss der üblichen Postzustellzeiten zu rechnen ist – unabhängig davon, wann der Briefkasten tatsächlich geleert oder die Post gelesen wird. Was bedeutet das für Arbeitgeber?   Der Zeitpunkt der Zustellung einer Kündigung ist aus mehreren Gründen wichtig. Wann die Kündigung zugegangen ist, ist sowohl...

Handel mit Urlaubstagen: Darf‘s ein bisschen mehr sein?

Aus den USA kommt ein Trend auch nach Deutschland: Beschäftigte wollen mehr Urlaubstage – und sind bereit, sie von anderen Beschäftigten zu kaufen. Unternehmen, die sich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren wollen, sind geneigt, solchen Wünschen nachzugeben. Doch der Trend bringt auch Herausforderungen mit sich. Vorab ist festzuhalten, dass der gesetzliche Mindesturlaub - das sind bei einer Fünf-Tage-Woche 20 Tage -...