GmbH-Geschäftsführer: Die eigene Haftung durch interne Zuständigkeiten begrenzen

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Alle Geschäfts­füh­rer sind dafür ver­ant­wort­lich, dass die GmbH all ihre Pflich­ten erfüllt. Inter­ne Zustän­dig­keits­re­ge­lun­gen inner­halb der Geschäfts­füh­rung kön­nen die Ver­ant­wor­tung und damit auch die Haf­tung auf ein­zel­ne Geschäfts­füh­rer beschrän­ken. Die übri­gen müs­sen das „nur noch“ über­wa­chen. Doch der BGH stellt auch an die­se Kon­trol­le stren­ge Anfor­de­run­gen.

 

In dem Fall, über den der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) zu ent­schei­den hat­te, ging es um erlaub­nis­pflich­ti­gen Bank­ge­schäf­te. Unab­hän­gig von den kre­dit­wirt­schaft­li­chen Beson­der­hei­ten hat die Ent­schei­dung aber all­ge­mei­ne Bedeu­tung für alle, die Ver­ant­wor­tung als Geschäfts­füh­rer tra­gen. Denn es ging um die straf- und haf­tungs­recht­li­che Ver­ant­wort­lich­keit von Geschäfts­füh­rern für Pflicht­ver­stö­ße, für die sie inner­halb der Gesell­schaft gar nicht zustän­dig sind. Die Fra­ge war also: Inwie­weit kann die Haf­tung eines Geschäfts­füh­rers durch die Zustän­dig­keits­be­stim­mun­gen inner­halb der Gesell­schaft beschränkt wer­den?

Der III. Zivil­se­nat betont in sei­nem Urteil (v. 09.11.2023, Az. III ZR 105/22) zunächst noch ein­mal die gesetz­li­che Grund­re­gel, dass die objek­ti­ve Organ­stel­lung, also die Bestel­lung zum Geschäfts­füh­rer einer GmbH, allein nicht genügt, um den Geschäfts­füh­rer zivil- oder straf­recht­lich für Ver­feh­lun­gen der GmbH ver­ant­wort­lich zu machen, son­dern der Geschäfts­füh­rer muss vor­sätz­lich oder fahr­läs­sig gehan­delt haben. Aller­dings bejaht der BGH bei Ver­stö­ßen gegen gesetz­li­che Pflich­ten die Fahr­läs­sig­keit sehr schnell, da es zur Sorg­falts­pflicht gehört, die­se ein­zu­hal­ten, und der Geschäfts­füh­rer die­se ken­nen muss.

Das bedeu­tet: Ver­stößt die Gesell­schaft gegen eine gesetz­li­che Pflicht, haf­tet der ein­zel­ne Geschäfts­füh­rer grund­sätz­lich als Teil der gesam­ten Geschäfts­füh­rung. Jeder ein­zel­ne Geschäfts­füh­rer muss also dafür sor­gen, dass die Gesell­schaft ihren gesetz­li­chen Pflich­ten voll­um­fäng­lich nach­kommt. Vor allem, wenn die Struk­tu­ren inner­halb der Gesell­schaft nicht so orga­ni­siert sind, dass Geset­zes­ver­stö­ße ver­hin­dert wer­den (sol­len), liegt eine Sorg­falts­pflicht­ver­let­zung und damit ein Ver­schul­den der Geschäfts­füh­rung im Sin­ne von § 276 BGB vor.

 

Zustän­dig­keit ist gut, Kon­trol­le ist bes­ser

Schon 1996 hat der BGH aner­kannt, dass die Sorg­falts­pflich­ten der Geschäfts­füh­rung dadurch „gestal­tet“ wer­den kön­nen, dass kon­kre­te Auf­ga­ben auf ein­zel­ne Mit­glie­der der Geschäfts­füh­rung dele­giert wer­den. Ent­spre­chen­de inter­ne Zustän­dig­keits­re­ge­lung füh­ren dann zwar nicht zu einer voll­stän­di­gen Auf­he­bung, aber zu einer Beschrän­kung der straf- und haf­tungs­recht­li­chen Ver­ant­wort­lich­keit für die ande­ren Geschäfts­füh­rer. Mit den ent­spre­chen­den inter­nen Zustän­dig­keits­re­ge­lun­gen als orga­ni­sa­to­ri­sche Maß­nah­men erfül­len die ein­zel­nen Geschäfts­füh­rer näm­lich ihre Pflich­ten, da jeder von ihnen grund­sätz­lich dar­auf ver­trau­en darf, dass der zustän­di­ge Geschäfts­füh­rer die ihm zuge­wie­se­nen Auf­ga­ben gewis­sen­haft erle­digt.

Aller­dings bleibt auch bei den nicht­zu­stän­di­gen Geschäfts­füh­rern eine Über­wa­chungs­pflicht bestehen. Weil das Organ „Geschäfts­füh­rung“ dafür zustän­dig ist, dass die Pflich­ten der Gesell­schaft erfüllt wer­den (sog. All­zu­stän­dig­keit), müs­sen auch die nicht­zu­stän­di­gen Gesell­schaf­ter kon­trol­lie­ren, dass der jeweils zustän­di­ge Geschäfts­füh­rer die ihm über­tra­ge­nen Pflich­ten erfüllt.

Des­halb muss ein nicht­zu­stän­di­ger Geschäfts­füh­rer ein­grei­fen, wenn er Anhalts­punk­te dafür hat, dass die Erfül­lung der Auf­ga­ben der Gesell­schaft durch den zustän­di­gen Geschäfts­füh­rer nicht mehr gewähr­leis­tet ist. Hier­für reicht es nicht aus, wöchent­lich mit der Geschäfts­füh­rung eine Bespre­chung durch­zu­füh­ren. Viel­mehr müs­sen die nicht­zu­stän­di­gen Geschäfts­füh­rer die Infor­ma­tio­nen, die sie bekom­men, zumin­dest einer Plau­si­bi­li­täts­prü­fung unter­zie­hen und Ver­dachts­mo­men­ten adäquat nach­ge­hen. Im Zwei­fel müs­sen sie sogar eige­ne stich­pro­ben­ar­ti­ge Prü­fun­gen in Betrieben/ Geschäfts­stel­len vor­neh­men.

 

Für Com­pli­ance haf­ten alle

Dies gilt auch für die all­ge­mei­ne Auf­ga­be der Lega­li­täts­kon­trol­le („Com­pli­ance“): Hier liegt die Ver­ant­wor­tung grund­sätz­lich zwar stets bei der gesam­ten Geschäfts­füh­rung, da eine funk­tio­nie­ren­de Lega­li­täts­kon­trol­le Teil der Gesamt­lei­tungs­auf­ga­be ist (LG Mün­chen, Urteil vom 10.12.2013, Az. 5 HK O 1387/10). Eine Zuwei­sung an einen Geschäfts­füh­rer lässt der BGH aber aus­drück­lich zu.

So kann durch die Ein­rich­tung eines „Compliance“-Geschäftsführers die Ver­ant­wort­lich­keit der übri­gen Geschäfts­füh­rer ent­spre­chend beschränkt wer­den. Auf der ein­fa­chen Geschäfts­ver­tei­lungs­re­ge­lung kann sich der nicht zustän­di­ge Geschäfts­füh­rer auch in die­sem Fall indes­sen nicht aus­ru­hen: Tre­ten z.B. wie­der­holt Geset­zes­ver­stö­ße durch die Gesell­schaft oder zumin­dest gra­vie­ren­de Ver­dachts­mo­men­te für sol­che zuta­ge, dann zeigt sich, dass das eta­blier­te Com­pli­ance-Sys­tem nicht aus­reicht.

In die­sem Fall muss jeder Geschäfts­füh­rer im Rah­men sei­ner Über­wa­chungs­pflicht dar­auf hin­wir­ken, dass inner­halb der Geschäfts­füh­rung ein funk­tio­nie­ren­des Com­pli­ance-Sys­tem für die Gesell­schaft beschlos­sen wird und dass der zustän­di­ge Geschäfts­füh­rer die­ses ein­führt und über­wacht. Kommt das Organ „Geschäfts­füh­rung“ die­ser Pflicht nicht nach, macht sich jedes ein­zel­ne Mit­glied scha­dens­er­satz­pflich­tig.

 

Kri­tisch nach­fra­gen – und wer schreibt, der bleibt

Im eige­nen Inter­es­se soll­te jeder Geschäfts­füh­rer in kri­ti­schen Situa­tio­nen des­halb auf die ent­spre­chen­de Doku­men­ta­ti­on der Berich­te und von Nach­fra­gen sei­ner­seits ach­ten. Der BGH hat in der aktu­el­len Ent­schei­dung betont, dass den ein­zel­nen Geschäfts­füh­rer in einem gegen ihn gerich­te­ten Scha­dens­er­satz­pro­zess die sog. sekun­dä­re Dar­le­gungs­last trifft.

Das heißt, er muss zu der inter­nen Zustän­dig­keits­ver­tei­lung kon­kret etwas sagen kön­nen. Auch dazu, dass es kei­ne Anhalts­punk­te gab, die ihn hät­ten ver­pflich­ten kön­nen, die Füh­rung der Geschäf­te auch außer­halb sei­nen eige­nen Ver­ant­wor­tungs­be­reichs näher zu kon­trol­lie­ren und even­tu­ell Maß­nah­men zu ergrei­fen, um deren Recht­mä­ßig­keit sicher zu stel­len, muss er, wenn es hart auf hart kommt, etwas vor­tra­gen kön­nen.

 

Inter­ne Zustän­dig­keits­re­geln in der Geschäfts­füh­rung: 6 Tipps für Gestal­tung und Umset­zung

1. Die Arbeits­tei­lung auf Geschäfts­füh­rungs­ebe­ne muss eine ord­nungs­ge­mä­ße Erle­di­gung aller Geschäfts­füh­rer­auf­ga­ben durch hier­für fach­lich kom­pe­ten­te und per­sön­lich geeig­ne­te Per­so­nen sicher­stel­len.

2. Die am bes­ten schrift­lich nie­der­ge­leg­te Geschäfts­ver­tei­lung – ob nun als Geschäfts­ord­nung erlas­sen, in den Anstel­lungs­ver­trä­gen von den Gesell­schaf­tern bestimmt oder zumin­dest intern durch Geschäfts­füh­rungs­be­schluss ver­ab­schie­det – muss ein­deu­ti­ge Zustän­dig­keits­re­ge­lun­gen und Auf­ga­ben­zu­wei­sun­gen tref­fen.

3. Die Geschäfts­ver­tei­lung muss immer wie­der auf aktu­el­le neue Pflich­ten sowie neue Geschäfts­fel­der der Gesell­schaft hin über­prüft und ange­passt wer­den.

4. Dies gilt ins­be­son­de­re für die all­ge­mei­ne Auf­ga­be der Lega­li­täts­kon­trol­le („Com­pli­ance“). Hier liegt die Ver­ant­wor­tung grund­sätz­lich immer beim Gesamt­or­gan. Die­se Lega­li­täts­kon­trol­le ist Teil der Gesamt­lei­tungs­auf­ga­be, so dass es auch hier ein­deu­ti­ger Zuwei­sun­gen bedarf.

5. Ein eben­falls schrift­lich fixier­tes regel­mä­ßi­ges Berichts­we­sen inner­halb der Geschäfts­füh­rung und gege­be­nen­falls ein Vier-Augen-Prin­zip bei kri­ti­schen inter­nen oder exter­nen Maß­nah­men müs­sen die gegen­sei­ti­ge Über­wa­chung ermög­li­chen und sicher­stel­len.

6. Die Berich­te der ande­ren Geschäfts­füh­rer muss jeder Geschäfts­füh­rer nicht nur zur Kennt­nis neh­men, son­dern prü­fen und ggf. nach­fra­gen.

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