Aus den USA kommt ein Trend auch nach Deutschland: Beschäftigte wollen mehr Urlaubstage – und sind bereit, sie von anderen Beschäftigten zu kaufen. Unternehmen, die sich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren wollen, sind geneigt, solchen Wünschen nachzugeben. Doch der Trend bringt auch Herausforderungen mit sich.
Vorab ist festzuhalten, dass der gesetzliche Mindesturlaub — das sind bei einer Fünf-Tage-Woche 20 Tage — nicht „handelbar“ ist; Beschäftigte können nicht wirksam auf ihren Mindesturlaub verzichten und ihn daher auch nicht verkaufen. Folglich kann nur mit dem vertraglichen Zusatzurlaub gehandelt werden.
Wird in alten Arbeitsverträgen nicht zwischen Mindest- und vertraglichem Zusatzurlaub unterschieden, soll nach einer zum Teil vertretenen Auffassung gar kein Verkauf möglich sein. Richtig ist daran, dass sich der vertragliche Urlaub in diesen Fällen nach den Regelungen für den gesetzlichen Mindesturlaub richtet und diese vorsehen, dass Urlaub nicht finanziell abgegolten werden darf.
Aber grundsätzlich kann man vertragliche Regelungen auch vertraglich wieder ändern, und unabhängig von einer Unterscheidung zwischen gesetzlichem und vertraglichem Urlaub wird der gesetzliche Schutzzweck für den Urlaub erreicht, wenn der Handel den Mindesturlaub nicht erfasst, dem Arbeitnehmer also 20 Tagen Urlaub pro Jahr verbleiben.
Kauf von Urlaubstagen vom Arbeitgeber
Zum einen können Beschäftigte von dem Arbeitgeber weitere Urlaubstage kaufen. Üblicherweise wird hierzu für ein Kalenderjahr ein Vertrag geschlossen, dass der Urlaub in dem Kalenderjahr gegen entsprechende Absenkung des Bruttojahresverdienstes erhöht wird, damit sich der Arbeitgeber über das Urlaubsentgelt für die zusätzlichen Urlaubstage nicht auch noch wirtschaftlich schlechter stellt.
Wird der Beschäftigte, der einen solchen Vertrag über zusätzliche Urlaubstage geschlossen hat, später gekündigt, kann er bei dem Bezug von Arbeitslosengeld oder auch im Rahmen einer Abfindungsverhandlung das Nachsehen haben; gibt es dann auch noch eine arbeitsvertragliche Bestimmung, dass der gesetzliche Urlaub nicht abgegolten wird, und hat der Arbeitnehmer seinen zusätzlich erkauften Urlaub noch nicht nehmen können, wird er sich vielleicht auch noch über den Wegfall der Geschäftsgrundlage seinen gezahlten „Kaufpreis“ erstreiten müssen.
Zusätzliche Urlaubstage lassen sich daher einfacher durch eine unbezahlte Freistellung im betreffenden Monat erreichen. Aber aufgepasst: Wenn der zusätzlich gekaufte Urlaub zulasten anderer Beschäftigter geht, die sich den Kauf von Urlaubstagen selbst nicht leisten können, aber die Arbeit des Kollegen auffangen müssen, kann das schnell den Betriebsfrieden stören.
Verkauf von Urlaubstagen an den Arbeitgeber
Umgekehrt gibt es aber trotz aller Work-Life-Balance auch heute noch Fälle, in denen Beschäftigte mit ihrem gesamten Urlaub nichts anfangen können, sondern lieber einen Teil des Urlaubs arbeiten wollen – insbesondere bei provisionsgesteuerten Tätigkeiten kann jeder Arbeitstag mehr zu einem höheren Einkommen führen. Beschäftigte können dann eine Anzahl an vertraglich bestehenden Urlaubstagen für das Kalenderjahr an den Arbeitgeber gegen Erhöhung des Bruttoverdienstes verkaufen.
In diesen Zeiten, in denen in vielen Branchen Personal schwer zu bekommen ist, ist so mancher Arbeitgeber über diese Möglichkeit froh. Scheidet der Arbeitnehmer unterjährig aus, ohne dass er die verkauften Urlaubstage bereits „hereingearbeitet“ hat, kann der Arbeitgeber in Fragen der Entgeltfortzahlung aber wirtschaftlich schlechter fahren.
Bekannt sind Fälle, in denen Beschäftigte Urlaub aus Solidarität an einen Kollegen verschenken, welcher sich etwa in einer persönlichen Notlage z.B. wegen der Betreuung eines schwer erkrankten Kindes befindet. Das erfolgt durch Freistellung des in Not geratenen Mitarbeiters unter Fortzahlung seiner Vergütung gegen den Verzicht eines anderen Arbeitnehmers auf einzelne Tage seines vertraglichen Zusatzurlaubs zur Finanzierung dieser Freistellung. Auch Überstunden können eine solche Freistellung finanzieren, wobei aber der Mindestlohn zu beachten ist. Letztlich fangen die Beschäftigten mit einer solchen Aktion den Ausfall des Kollegen auf, indem mehrere Beschäftigte dessen Arbeit mit übernehmen, ohne selbst eine zusätzliche Vergütung zu erhalten.
Handel mit Urlaubstagen unter den Beschäftigten
Die neueste Variante ist, dass Beschäftigte untereinander mit Urlaubstagen handeln. Hierfür ist wiederum ein dreiseitiger Vertrag zwischen dem Arbeitgeber, dem Verkäufer und dem Käufer erforderlich. Der Verzicht auf Urlaub bei dem verkaufenden Kollegen geht ohne Gehaltserhöhung einher („Verlust“ beim Verkäufer und „Gewinn“ beim Arbeitgeber durch höhere Arbeitsleistung bei gleichem Gehalt); trotz Zusatzurlaubs beim kaufenden Kollegen reduziert sich dessen Gehalt nicht („Gewinn“ beim Käufer und „Verlust“ beim Arbeitgeber durch weniger Arbeitsleistung bei gleichem Gehalt).
Den Verlust des Arbeitgebers bezogen auf den Käufer kann der Arbeitgeber durch den Gewinn bezogen auf den Verkäufer ausgleichen, so dass das Geschäft für den Arbeitgeber – bei gleichwertiger Arbeitsleistung – neutral wäre. Der kaufende Kollege kann dann von seinem „Gewinn“ den „Verlust“ des verkaufenden Kollegen ausgleichen; tatsächlich geht sich das aber nur aus, wenn beide Mitarbeiter das Gleiche verdienen – verdient der kaufende Kollege mehr als der verkaufende Kollege, verbleibt bei ihm ggf. noch ein kleiner „Gewinn“.
Für den Arbeitgeber ergibt eine solche Konstellation nur Sinn, wenn die beiden Beschäftigten entweder austauschbar sind oder in dem Bereich, in dem der kaufende Kollege arbeitet, gerade weniger zu tun ist und in dem Bereich, in dem der verkaufende Kollege arbeitet, gerade viel zu tun ist. Denn die Urlaubsabwesenheit des einen kann nicht immer gleichwertig durch die Anwesenheit bzw. Tätigkeit des anderen Arbeitnehmers aufgefangen beziehungsweise so kompensiert werden, dass es die Bedürfnisse des Arbeitgebers in nötigem und gefragtem Maße befriedigt. Kompliziert wird es dann, wenn einer der beteiligten Beschäftigten vorzeitig ausscheidet – dann geht die Rechnung nicht mehr auf, und es stellen sich Ausgleichs- und Erstattungsfragen.
Als Arbeitgeber besser gut überlegen
Der Urlaubshandel ist also in der Theorie gut möglich, birgt in der Praxis aber in allen Verkaufsvarianten für den Arbeitgeber, aber auch für die beteiligten Arbeitnehmer Fallstricke und Schwierigkeiten und verursacht beim Arbeitgeber zudem Planungs- und Organisationsaufwand.
Arbeitgeber sollten sich also gut überlegen, ob sie einen solchen Urlaubshandel zulassen, wobei der Urlaubshandel unter Kollegen mit einem weit höheren Risiko verbunden als der Verkauf von Urlaubstagen an den Arbeitgeber bzw. der Kauf von diesem. Zu überlegen ist jedenfalls, ob die hierdurch mögliche Profilierung als attraktiver Arbeitgeber für einzelne Beschäftigte etwaigen Unmut durch die Mehrbelastung anderer Beschäftigter aufwiegt, zumal sich nicht jeder den Kauf von Urlaubstagen leisten kann und sich dann schnell benachteiligt fühlt.
Mitarbeiter haben jedenfalls keinen Anspruch auf Kauf oder Verkauf von Urlaubstagen. Der Arbeitgeber kann dies frei entscheiden. Entscheidet er sich allerdings dafür, muss er unbedingt darauf achten, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet wird. Auch das Entstehen einer betrieblichen Übung sollte durch eine rechtzeitige Regelung vermieden werden. Es ist daher unbedingt ratsam, ein solches Urlaubshandel-Model nur und erst dann einzuführen, wenn alle oben genannten Punkte detailliert durchdacht und geregelt sind.
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
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