Karenzentschädigung für nachvertragliches Wettbewerbsverbot: RSUs der Muttergesellschaft des Arbeitgebers zählen nicht mit

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Arbeitsrecht | 1. September 2022
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Bei der Berech­nung der Karen­zentschädi­gung für ein nachver­traglich­es Wet­tbe­werb­sver­bot sind  Leis­tun­gen, die der ehe­ma­lige Arbeit­nehmer mit der Mut­terge­sellschaft des Ver­tragsar­beit­ge­bers vere­in­bart hat, laut dem Bun­de­sar­beits­gericht nicht zu berück­sichti­gen.

Vor dem Bun­de­sar­beits­gericht (BAG) ist ein Arbeit­nehmer, der von sein­er ehe­ma­li­gen Arbeit­ge­berin zulet­zt noch rund 80.000 Euro Karen­zentschädi­gung forderte, mit sein­er Revi­sion gescheit­ert. Die sog. Karen­zentschädi­gung wird zum Aus­gle­ich für die Ein­hal­tung eines nachver­traglichen Wet­tbe­werb­sver­bots vere­in­bart.

Der kla­gende Arbeit­nehmer hat­te sich an sein arbeitsver­traglich vere­in­bartes neun­monatiges unternehmensgrup­pen­weites nachver­traglich­es Wet­tbe­werb­sver­bot gehal­ten und ver­langte von sein­er ehe­ma­li­gen Arbeit­ge­berin nun, bei der Berech­nung sein­er Karen­zentschädi­gung auch beschränk­te Aktiener­werb­srechte zu berück­sichti­gen, die er während seines Arbeitsver­hält­niss­es erwor­ben hat­te. Er hat­te näm­lich an einem sog. RSU-Pro­gramm teilgenom­men und so jährlich eine bes­timmte Anzahl von Restrict­ed Stock Units (RSU) erhal­ten. Allerd­ings hat­te er die Vere­in­barung darüber nicht mit seinem Arbeit­ge­ber abgeschlossen, son­dern mit deren Oberge­sellschaft, einem US-amerikanis­chen Unternehmen.

Nur Vereinbarungen unmittelbar mit dem Arbeitgeber zählen für die Entschädigung

Daran scheit­erte nun seine Klage auf Zahlung ein­er höheren Karen­zentschädi­gung, näm­lich auch aus dem Wert der erhal­te­nen RSUs. Laut dem 8. Sen­at des BAG sind die ihm während des Arbeitsver­hält­niss­es gewährten RSUs näm­lich keine Leis­tung seines Arbeit­ge­bers und damit keine „ver­tragsmäßige Leis­tung“ im Sinne von § 74 Abs. 2 Han­dels­ge­set­zbuch (HGB) (BAG, Urt. v. 28.08.2022, Az. 8 AZR 453/21). Die Vorschrift, die die Grund­la­gen der geset­zlichen Min­d­est-Karen­zentschädi­gung bei Vere­in­barung eines nachver­traglichen Wet­tbe­werb­sver­bots definiert, umfasse „nur solche Leis­tun­gen, die auf dem Aus­tauschcharak­ter des Arbeitsver­trags beruhen und die der Arbeit­ge­ber dem Arbeit­nehmer als Vergü­tung für geleis­tete Arbeit schuldet“, so das BAG.

Die Vere­in­barun­gen über die RSU aber habe der Arbeit­nehmer eben mit der Mut­terge­sellschaft getrof­fen und nicht mit seinem Arbeit­ge­ber. Anders kön­nte es laut dem Sen­at nur sein, wenn der Arbeit­ge­ber selb­st aus­drück­lich oder kon­klu­dent eine (Mit-)Verpflichtung für diese Leis­tung über­nom­men hätte, was das zunächst zuständi­ge Lan­desar­beits­gericht aber hier zu Recht verneint habe.

Auch dass die Zahlung als Karen­zentschädi­gung für ein „unternehmensgrup­pen­weites“ nachver­traglich­es Wet­tbe­werb­sver­bot vere­in­bart wor­den war, ändert laut dem BAG nichts. Selb­st wenn das nachver­tragliche Wet­tbe­werb­sver­bot zu weit gefasst gewe­sen wäre, wäre als Rechts­folge (§ 74a HGB) das Ver­bot auf das zuläs­sige Maß reduziert wor­den. Am Umfang der kom­pen­sierten Karen­zentschädi­gung aber hätte auch das nichts geän­dert, argu­men­tiert das BAG.

Selbst in globalen Matrixstrukturen zählt nur das formale Vertragsverhältnis

RSUs weck­en nach wie vor Begehrlichkeit­en bei Arbeit­nehmern und Betrieb­sräten und führen zu vie­len rechtlichen Fragestel­lun­gen. Nach­dem schon die betrieb­sver­fas­sungsrechtlichen Auskun­fts- und Mitbes­tim­mungsrechte bezüglich von Mut­terge­sellschaften gewährter RSUs im Sinne der Arbeit­ge­ber gek­lärt wer­den kon­nten, hat das BAG nun seine Lin­ie fort­ge­set­zt und die von Mut­terge­sellschaften gewährten RSUs auch der Karen­zentschädi­gungs­berech­nung ent­zo­gen. Für die Arbeit­ge­ber wären die Aktiener­werb­srechte anson­sten auch ein unkalkulier­bar­er Fak­tor bei einem nachver­traglichen Wet­tbe­werb­sver­bot, zumal sie auf die Gewährung der RSUs selb­st keinen Ein­fluss haben.

Insoweit scheint sich der Grund­satz auszu­bilden, dass Leis­tun­gen ander­er Gesellschaften, für die der Ver­tragsar­beit­ge­ber nicht zumin­d­est auch selb­st ein­ste­ht, für das Arbeitsver­hält­nis zwis­chen Arbeit­ge­ber und Arbeit­nehmer nicht rel­e­vant sind. Auch bei unternehmen­süber­greifend­er, auch glob­aler Zusam­me­nar­beit selb­st in Matrixstruk­turen, in denen der Ver­tragsar­beit­ge­ber in den Hin­ter­grund rückt, wirken ver­tragliche Ansprüche grund­sät­zlich nur im for­malen Ver­tragsver­hält­nis.

Für Arbeit­nehmer führt das zu erschw­erten Bedin­gun­gen. Sie müssen Ansprüche aus RSUs ggf. in ein­er frem­den Recht­sor­d­nung in einem frem­den Land gegen die Oberge­sellschaft gel­tend machen. Für Arbeit­ge­ber bedeutet diese Ten­denz, dass Leis­tun­gen ander­er Gesellschaften ohne wirtschaftliche Auswirkun­gen auf das Unternehmen bleiben – und dass kün­ftig wohl ver­sucht wer­den wird, vari­able Vergü­tun­gen  über Grup­pe­nun­ternehmen zusagen zu lassen, zumal dafür auch die betrieb­sver­fas­sungsrechtlichen Beschränkun­gen nicht gel­ten.

Dr. Petra Oster­maier ist Part­ner bei SNP Schlaw­ien Part­ner­schaft mbB und schw­er­punk­t­mäßig im Arbeit­srecht tätig. Sie berät und betreut neben multi­na­tionalen Konz­er­nen auch mit­tel­ständis­che und kleinere Unternehmen in allen Fra­gen des indi­vidu­ellen und kollek­tiv­en Arbeit­srechts. Hier­bei ver­tritt sie Arbeit­ge­ber nicht nur vor Gericht, son­dern begleit­et diese auch bei Ver­hand­lun­gen mit Gew­erkschaften, Betrieb­sräten und in Eini­gungsstellen. Daneben unter­stützt Petra Oster­maier Vorstände, Geschäfts­führer und lei­t­ende Angestellte bei ihren Ver­tragsver­hand­lun­gen mit Unternehmen. Ihre Tätigkeit umfasst außer­dem die Beratung von Unternehmen im Daten­schutz sowie im Bere­ich des öffentlichen Rechts, vor­wiegend im öffentlichen Bau­recht und Kom­mu­nal­ab­gaben­recht.
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