Bei der Berechnung der Karenzentschädigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot sind Leistungen, die der ehemalige Arbeitnehmer mit der Muttergesellschaft des Vertragsarbeitgebers vereinbart hat, laut dem Bundesarbeitsgericht nicht zu berücksichtigen.
Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) ist ein Arbeitnehmer, der von seiner ehemaligen Arbeitgeberin zuletzt noch rund 80.000 Euro Karenzentschädigung forderte, mit seiner Revision gescheitert. Die sog. Karenzentschädigung wird zum Ausgleich für die Einhaltung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots vereinbart.
Der klagende Arbeitnehmer hatte sich an sein arbeitsvertraglich vereinbartes neunmonatiges unternehmensgruppenweites nachvertragliches Wettbewerbsverbot gehalten und verlangte von seiner ehemaligen Arbeitgeberin nun, bei der Berechnung seiner Karenzentschädigung auch beschränkte Aktienerwerbsrechte zu berücksichtigen, die er während seines Arbeitsverhältnisses erworben hatte. Er hatte nämlich an einem sog. RSU-Programm teilgenommen und so jährlich eine bestimmte Anzahl von Restricted Stock Units (RSU) erhalten. Allerdings hatte er die Vereinbarung darüber nicht mit seinem Arbeitgeber abgeschlossen, sondern mit deren Obergesellschaft, einem US-amerikanischen Unternehmen.
Daran scheiterte nun seine Klage auf Zahlung einer höheren Karenzentschädigung, nämlich auch aus dem Wert der erhaltenen RSUs. Laut dem 8. Senat des BAG sind die ihm während des Arbeitsverhältnisses gewährten RSUs nämlich keine Leistung seines Arbeitgebers und damit keine „vertragsmäßige Leistung“ im Sinne von § 74 Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB) (BAG, Urt. v. 28.08.2022, Az. 8 AZR 453/21). Die Vorschrift, die die Grundlagen der gesetzlichen Mindest-Karenzentschädigung bei Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots definiert, umfasse „nur solche Leistungen, die auf dem Austauschcharakter des Arbeitsvertrags beruhen und die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer als Vergütung für geleistete Arbeit schuldet“, so das BAG.
Die Vereinbarungen über die RSU aber habe der Arbeitnehmer eben mit der Muttergesellschaft getroffen und nicht mit seinem Arbeitgeber. Anders könnte es laut dem Senat nur sein, wenn der Arbeitgeber selbst ausdrücklich oder konkludent eine (Mit-)Verpflichtung für diese Leistung übernommen hätte, was das zunächst zuständige Landesarbeitsgericht aber hier zu Recht verneint habe.
Auch dass die Zahlung als Karenzentschädigung für ein „unternehmensgruppenweites“ nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart worden war, ändert laut dem BAG nichts. Selbst wenn das nachvertragliche Wettbewerbsverbot zu weit gefasst gewesen wäre, wäre als Rechtsfolge (§ 74a HGB) das Verbot auf das zulässige Maß reduziert worden. Am Umfang der kompensierten Karenzentschädigung aber hätte auch das nichts geändert, argumentiert das BAG.
RSUs wecken nach wie vor Begehrlichkeiten bei Arbeitnehmern und Betriebsräten und führen zu vielen rechtlichen Fragestellungen. Nachdem schon die betriebsverfassungsrechtlichen Auskunfts- und Mitbestimmungsrechte bezüglich von Muttergesellschaften gewährter RSUs im Sinne der Arbeitgeber geklärt werden konnten, hat das BAG nun seine Linie fortgesetzt und die von Muttergesellschaften gewährten RSUs auch der Karenzentschädigungsberechnung entzogen. Für die Arbeitgeber wären die Aktienerwerbsrechte ansonsten auch ein unkalkulierbarer Faktor bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, zumal sie auf die Gewährung der RSUs selbst keinen Einfluss haben.
Insoweit scheint sich der Grundsatz auszubilden, dass Leistungen anderer Gesellschaften, für die der Vertragsarbeitgeber nicht zumindest auch selbst einsteht, für das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht relevant sind. Auch bei unternehmensübergreifender, auch globaler Zusammenarbeit selbst in Matrixstrukturen, in denen der Vertragsarbeitgeber in den Hintergrund rückt, wirken vertragliche Ansprüche grundsätzlich nur im formalen Vertragsverhältnis.
Für Arbeitnehmer führt das zu erschwerten Bedingungen. Sie müssen Ansprüche aus RSUs ggf. in einer fremden Rechtsordnung in einem fremden Land gegen die Obergesellschaft geltend machen. Für Arbeitgeber bedeutet diese Tendenz, dass Leistungen anderer Gesellschaften ohne wirtschaftliche Auswirkungen auf das Unternehmen bleiben – und dass künftig wohl versucht werden wird, variable Vergütungen über Gruppenunternehmen zusagen zu lassen, zumal dafür auch die betriebsverfassungsrechtlichen Beschränkungen nicht gelten.
Dr. Petra Ostermaier ist Partner bei SNP Schlawien Partnerschaft mbB und schwerpunktmäßig im Arbeitsrecht tätig. Sie berät und betreut neben multinationalen Konzernen auch mittelständische und kleinere Unternehmen in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Hierbei vertritt sie Arbeitgeber nicht nur vor Gericht, sondern begleitet diese auch bei Verhandlungen mit Gewerkschaften, Betriebsräten und in Einigungsstellen. Daneben unterstützt Petra Ostermaier Vorstände, Geschäftsführer und leitende Angestellte bei ihren Vertragsverhandlungen mit Unternehmen. Ihre Tätigkeit umfasst außerdem die Beratung von Unternehmen im Datenschutz sowie im Bereich des öffentlichen Rechts, vorwiegend im öffentlichen Baurecht und Kommunalabgabenrecht.
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Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
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