Schwangerschaft noch unklar: BAG gibt Frauen mehr Zeit für die Kündigungsschutzklage

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Arbeitsrecht | 15. Mai 2025
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Die Kün­di­gung einer schwan­ge­ren Frau ist grund­sätz­lich ver­bo­ten. Zu Beginn einer Schwan­ger­schaft weiß die Frau aber meist selbst noch nicht sicher, ob sie schwan­ger ist oder nicht. Braucht sie, um das ärzt­lich fest­stel­len zu las­sen, län­ger als die Drei-Wochen-Frist für eine Kün­di­gungs­schutz­kla­ge, kann die Kla­ge gegen die Kün­di­gung nach­träg­lich zuge­las­sen wer­den.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat­te über eine Kün­di­gungs­schutz­kla­ge zu urtei­len, die eine schwan­ge­re Arbeit­neh­me­rin erho­ben hat­te. Ihr war ordent­lich am 14. Mai 2022 gekün­digt wor­den, sie wuss­te aber zu die­sem Zeit­punkt selbst noch gar nicht, dass sie schwan­ger war. Vier­zehn Tage spä­ter mach­te sie zuhau­se einen Schwan­ger­schafts­test, der posi­tiv aus­fiel. Hier­über infor­mier­te sie ihren Arbeit­ge­ber.

Einen Ter­min bei ihrem Frau­en­arzt konn­te sie jedoch erst für den 17. Juni 2022 bekom­men. Am 13. Juni 2022 erhob sie Kün­di­gungs­schutz­kla­ge und bean­trag­te, die Kla­ge nach­träg­lich zuzu­las­sen. Am 17. Juni 2022 reich­te sie das ärzt­li­che Attest ein, das bestä­tig­te, dass sie schon schwan­ger gewe­sen war, als ihr Arbeit­ge­ber ihr am 14. Mai gekün­digt hat­te.

Der Arbeit­ge­ber berief sich auf den Ablauf der drei-wöchi­gen Kla­ge­frist nach § 4 S. 1 KSchG. Er stell­te sich auf den Stand­punkt, dass sei­ne Mit­ar­bei­te­rin schon durch den Schwan­ger­schafts­test am 29. Mai 2022 aus­rei­chen­de Kennt­nis von ihrer Schwan­ger­schaft gehabt habe und sie die Drei-Wochen-Frist des­halb hät­te ein­hal­ten kön­nen. Das BAG folg­te die­ser Argu­men­ta­ti­on nicht (BAG, Urt. v. 03.04.2025,   Az. 2 AZR 156/24).

 

Wer nichts von Schwan­ger­schaft weiß, kann noch spä­ter kla­gen

Die Kün­di­gung einer schwan­ge­ren Arbeit­neh­me­rin ist unwirk­sam. Sie ver­stößt gegen die mut­ter­schutz­recht­li­che Vor­schrift des § 17 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG, die eine Kün­di­gung wäh­rend einer Schwan­ger­schaft ver­bie­tet. Ent­schei­dend ist dabei, dass die Frau zum Kün­di­gungs­zeit­punkt schwan­ger ist. Nach § 17 Abs. 1 S. 1 MuSchG genügt es, wenn sie die Schwan­ger­schaft dem Arbeit­ge­ber inner­halb von zwei Wochen nach Zugang der Kün­di­gung mit­teilt.

Aller­dings gilt nach § 7 Hs. 1 Kün­di­gungs­schutz­ge­setz (KSchG) eine Kün­di­gung als von Anfang an rechts­wirk­sam, wenn nicht recht­zei­tig bin­nen der Drei-Wochen-Frist nach § 4 S. 1 KSchG Kün­di­gungs­schutz­kla­ge erho­ben wird. Das gilt auch dann, wenn die Kün­di­gung an sich wegen Ver­sto­ßes gegen die­ses Ver­bot rechts­wid­rig war. Ver­säumt die Arbeit­neh­me­rin die Kla­ge­frist, kann jedoch ein Antrag auf nach­träg­li­che Zulas­sung nach § 5 KSchG hel­fen.

Wer einen Antrag auf nach­träg­li­che Kla­ge­zu­las­sung stellt, muss dar­le­gen, dass er trotz aller Sorg­falt die Kla­ge nicht inner­halb von drei Wochen nach Zugang der Kün­di­gung erhe­ben konn­te. Das gilt nach § 5 Abs. 1 S. 2 KSchG aus­drück­lich auch, wenn eine Frau erst mehr als drei Wochen nach der Kün­di­gung erfährt, dass sie schwan­ger ist, ohne dass ihr dies anzu­las­ten wäre. Der Antrag auf nach­träg­li­che Zulas­sung muss inner­halb von zwei Wochen nach Behe­bung des Hin­der­nis­ses gestellt wer­den.

 

Test zuhau­se sagt nichts über Beginn der Schwan­ger­schaft

Das BAG hat die Kla­ge der Arbeit­neh­me­rin im ent­schie­de­nen Fall nach­träg­lich zuge­las­sen. Denn erst durch die ärzt­li­che Beur­tei­lung habe sie sicher von ihrer Schwan­ger­schaft wis­sen kön­nen.

Ein selbst durch­ge­führ­ter Schwan­ger­schafts­test kann zwar bei rich­ti­ger Anwen­dung kaum falsch posi­tiv, son­dern nur falsch nega­tiv sein. Er sagt jedoch nichts dar­über aus, wie lan­ge die Schwan­ger­schaft schon besteht, ins­be­son­de­re nicht, ob die Frau bereits zum Kün­di­gungs­zeit­punkt schwan­ger war. Genau hier­auf kommt es aber für die Fra­ge an, ob eine Kün­di­gung gegen § 17 Abs. 1 MuSchG ver­stößt an.

 

Auch wenn die Arbeit­neh­me­rin erst nach der Kün­di­gung von ihrer Schwan­ger­schaft erfährt, muss sie han­deln

Aller­dings darf auch die Arbeit­neh­me­rin, die erst nach der Kün­di­gung von ihrer Schwan­ger­schaft erfährt und den Arbeit­ge­ber dar­über infor­miert, sich nicht schlicht dar­auf ver­las­sen, dass der Arbeit­ge­ber die Kün­di­gung des­we­gen als gegen­stands­los erach­tet. Auch in die­sem Fall muss sie Kün­di­gungs­schutz­kla­ge erhe­ben und gege­be­nen­falls einen Antrag auf nach­träg­li­che Zulas­sung stel­len. Das Arbeits­ge­richt Mainz hat­te das 2024 in einem ande­ren Fall noch anders gese­hen (Urt. v. 14.08.2024, Az. 4 Ca 1424/22), die­se Auf­fas­sung teilt das BAG nun aus­drück­lich nicht.

Hin­ge­gen reich­te es den Erfur­ter Rich­tern, dass die Arbeit­neh­me­rin mit ihrem Antrag auf nach­träg­li­che Zulas­sung der Kla­ge die Grün­de für die Ver­spä­tung nann­te, aber noch kein Attest vor­leg­te. Dass sie dar­le­gen konn­te, kei­nen frü­he­ren Arzt­ter­min bekom­men zu haben und das Attest erst eini­ge Tage spä­ter nach­reich­te, genüg­te dem Senat.

 

Kün­di­gung einer Schwan­ge­ren: Nur aus­nahms­wei­se mit behörd­li­cher Zustim­mung

Erfährt ein Arbeit­ge­ber erst im Nach­hin­ein, dass eine Mit­ar­bei­te­rin bei der Kün­di­gung schon schwan­ger war, kann er noch prü­fen, ob eine – neue — Kün­di­gung mit behörd­li­cher Zustim­mung mög­lich ist. Die Zustim­mung wird nur erteilt, wenn die Grün­de für die Kün­di­gung nicht mit der Schwan­ger­schaft in Zusam­men­hang ste­hen. Erteilt die Behör­de ihre Zustim­mung, muss der Arbeit­ge­ber die Kün­di­gungs­grün­de in der Kün­di­gungs­er­klä­rung mit­tei­len, § 17 Abs. 2 S. 2 MuSchG. Auch eine sol­che Kün­di­gung kön­nen Arbeit­neh­me­rin­nen aber natür­lich arbeits­ge­richt­lich über­prü­fen las­sen.

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