Kündigung pünktlich zustellen: Neues zur Beweislast vom BAG

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In den Haus­brief­kas­ten des Arbeit­neh­mers ein­ge­wor­fe­ne Kün­di­gungs­schrei­ben gel­ten als zuge­stellt, sobald mit der Lee­rung unmit­tel­bar nach Abschluss der übli­chen Post­zu­stell­zei­ten zu rech­nen ist – unab­hän­gig davon, wann der Brief­kas­ten tat­säch­lich geleert oder die Post gele­sen wird. Was bedeu­tet das für Arbeit­ge­ber?

 

Der Zeit­punkt der Zustel­lung einer Kün­di­gung ist aus meh­re­ren Grün­den wich­tig. Wann die Kün­di­gung zuge­gan­gen ist, ist sowohl für die Ein­hal­tung der Zwei-Wochen-Frist bei einer frist­lo­sen Kün­di­gung und die Wah­rung des Kün­di­gungs­ter­mins durch den Arbeit­ge­ber als auch für die Ein­hal­tung der Kla­ge­frist für den Arbeit­neh­mer von Bedeu­tung; zudem kann der Zeit­punkt auch für die Fra­ge ent­schei­dend sein, ob zu die­sem Zeit­punkt schon Son­der­kün­di­gungs­schutz besteht oder die­ser erst danach ent­stan­den ist und für die bereits zuge­gan­ge­ne Kün­di­gung kei­nen Son­der­kün­di­gungs­schutz mehr bewirkt.

Der Nach­weis der Zustel­lung von Kün­di­gun­gen und deren Zeit­punkt obliegt dem Arbeit­ge­ber und gestal­tet sich für die­sen zuneh­mend schwie­ri­ger. Erstaun­li­cher­wei­se schei­nen per Post ver­sand­te Kün­di­gun­gen gern nicht in den Brief­kas­ten ein­ge­wor­fen zu wer­den, Benach­rich­ti­gungs­kar­ten für Kün­di­gun­gen, die per Ein­schrei­ben ver­sandt wur­den, wer­den offen­bar nicht hin­ter­las­sen, oder es soll gar nur ein lee­rer Brief­um­schlag ohne das zuvor eigent­lich ein­ge­leg­te Kün­di­gungs­schrei­ben ange­kom­men sein – Arbeit­neh­mer, die den Zugang einer Kün­di­gung bestrei­ten wol­len, ent­wi­ckeln eine blü­hen­de Phan­ta­sie.

In einem Fall, über den vor kur­zem das höchs­te deut­sche Arbeits­ge­richt ent­schie­den hat, bestritt eine Arbeit­neh­me­rin, dass eine von der Post in ihren Haus­brief­kas­ten ein­ge­wor­fe­ne Kün­di­gung zur übli­chen Post­zu­stell­zeit ein­ge­wor­fen wor­den sei. Die­sem Bestrei­ten hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt mit Urteil vom 20. Juni 2024 (BAG, Az.: 2 AZR 213/23) einen Rie­gel vor­ge­scho­ben.

 

Der übli­che Gang zum Brief­kas­ten

Eine schrift­li­che Kün­di­gung unter Abwe­sen­den geht zu, sobald sie in ver­kehrs­üb­li­cher Wei­se in die tat­säch­li­che Ver­fü­gungs­ge­walt — z.B. einen Haus­brief­kas­ten — des Emp­fän­gers gelangt ist, und er unter gewöhn­li­chen Ver­hält­nis­sen die Mög­lich­keit hat, von der Kün­di­gung Kennt­nis zu neh­men.

Der Ein­wurf in einen Brief­kas­ten bewirkt den Zugang, sobald nach der Ver­kehrs­an­schau­ung mit der nächs­ten Ent­nah­me zu rech­nen ist, wobei die indi­vi­du­el­len Ver­hält­nis­se des Emp­fän­gers uner­heb­lich sind. Ob jemand also nur ein­mal wöchent­lich den Brief­kas­ten leert, ist irrele­vant. Bei Haus­brief­käs­ten wird viel­mehr im All­ge­mei­nen von einer Lee­rung unmit­tel­bar nach Abschluss der übli­chen Post­zu­stell­zei­ten aus­ge­gan­gen, selbst wenn der Emp­fän­ger wegen Krank­heit, Urlaub oder aus ande­ren Grün­den nicht zu Hau­se sein soll­te. Es ist die Auf­ga­be des Emp­fän­gers, für eine regel­mä­ßi­ge Lee­rung des Brief­kas­tens ins­be­son­de­re im Fal­le sei­ner Abwe­sen­heit zu sor­gen – nur wer unver­schul­det die Kla­ge­frist ver­säumt, kann bei Gericht erfolg­reich die Wie­der­ein­set­zung bean­tra­gen.

Wenn der Arbeit­neh­mer vor Gericht ein­fach bestrei­tet, dass er eine Kün­di­gung erhal­ten hat – dies stellt kei­ne Lüge dar, selbst wenn er die Kün­di­gung erhal­ten hat, son­dern ent­spricht dem Pro­zess­recht –, besteht die Schwie­rig­keit für den Arbeit­ge­ber zunächst schon dar­in, den Ein­wurf der per Post ver­sand­ten Kün­di­gung in den Brief­kas­ten nach­zu­wei­sen. Schließ­lich wird kein Post­bo­te im Nach­hin­ein bezeu­gen kön­nen, wann er einen bestimm­ten Brief in wel­chen Brief­kas­ten gewor­fen hat, zumal er vom Inhalt nichts weiß.

 

Schwie­ri­ge Beweis­füh­rung für Arbeit­ge­ber

Selbst bei einem Ver­sand per Ein­wurf-Ein­schrei­ben kann der Arbeit­ge­ber die­sen Beweis kaum füh­ren: Zum einen tra­gen die Post­bo­ten die Ein­wurf­da­ten häu­fig erst gesam­melt nach ihrer Tour ein, was den Beweis­wert schmä­lert; zum ande­ren kön­nen die Emp­fän­ger leicht behaup­ten, der Brief wäre leer gewe­sen. Beim Ein­schrei­ben-Rück­schein wird auch häu­fig bestrit­ten, dass eine Benach­rich­ti­gungs­kar­te in dem Brief­kas­ten ein­ge­wor­fen wor­den ist.

Zumin­dest bei Ein­schrei­ben trau­en sich Arbeit­neh­mer aber nicht unbe­dingt, den Zugang der Kün­di­gung ins­ge­samt zu bestrei­ten; es besteht doch immer das Risi­ko, dass sich der Zugang bewei­sen lässt. Daher kla­gen sie zwar gegen die Kün­di­gung, ver­su­chen dann aber über das Bestrei­ten des Zugangs­zeit­punkts, einen spä­te­ren Kün­di­gungs­ter­min zu bewir­ken.

In dem Fall, der es nun bis zum BAG schaff­te, war es so, dass eine Kün­di­gungs­frist von drei Mona­ten zum Quar­tals­en­de ver­ein­bart war und die Kün­di­gung zum Ablauf des 31. Dezem­ber von einem Post­bo­ten erst am letz­ten Tag der Frist, näm­lich am 30. Sep­tem­ber in den Brief­kas­ten ein­ge­wor­fen wor­den war. Die kla­gen­de Arbeit­neh­me­rin bestritt dann aber mit Nicht­wis­sen, dass die Kün­di­gung inner­halb der übli­chen Post­zu­stell­zeit ein­ge­wor­fen wor­den sei. Damit sei der Zugang erst am 1. Okto­ber bewirkt wor­den und die Kün­di­gung kön­ne allen­falls zum Ablauf des 31. März des Fol­ge­jah­res grei­fen, argu­men­tier­te sie.

 

Zustel­lung mit Deut­scher Post: Ein­wurf in der Regel wäh­rend Zustel­ler-Arbeits­zei­ten

Das BAG hat die­sem pau­scha­len Bestrei­ten ohne irgend­ei­nen Vor­trag aty­pi­scher Umstän­de, die eine spä­te­re Zustel­lung ernst­haft nahe­le­gen wür­den, aber eine Abfuhr erteilt: Der Ein­wurf eines Schrei­bens in den Haus­brief­kas­ten durch einen Bediens­te­ten der Deut­schen Post AG begrün­de den Beweis des ers­ten Anscheins dafür, dass der Ein­wurf inner­halb der post­üb­li­chen Zustell­zei­ten erfolgt ist, so die Erfur­ter Rich­ter.

Die post­üb­li­che Zustell­zeit erge­be sich dabei aus der Arbeits­zeit der Post­be­diens­te­ten, sofern nicht ande­re Zustell­diens­te einen maß­geb­li­chen Anteil an der Post­zu­stel­lung haben und die Zustel­lung außer­halb der Arbeits­zeit der Brief­zu­stel­ler der Deut­schen Post AG vor­neh­men.

Es muss laut dem BAG für die post­üb­li­che Zustell­zeit auch kei­ne genaue Uhr­zeit bestimmt wer­den, zu der in dem ört­li­chen Post­be­zirk die Zustel­lung erfolgt, da der kon­kre­te Zustell­zeit­punkt je nach Arbeits­zeit und Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on des jewei­li­gen Zustel­lers sowie abhän­gig von Post­men­ge und Rei­hen­fol­ge vari­ie­ren kön­ne – maß­geb­lich ist die zuge­wie­se­ne Arbeits­zeit des Zustel­lers. Die kla­gen­de Arbeit­neh­me­rin drang mit ihrer Argu­men­ta­ti­on also nicht durch, das BAG betrach­te­te die Kün­di­gung als am 30. Sep­tem­ber zuge­stellt, sie wur­de zum 31. Dezem­ber wirk­sam.

 

Zeit­kri­ti­sche Kün­di­gun­gen: am bes­ten per Bote

Gelingt es dem Arbeit­ge­ber also, zu bewei­sen, dass ein Schrei­ben von einem Bediens­te­ten der Deut­schen Post AG in den Brief­kas­ten ein­ge­wor­fen wor­den ist, besteht der Beweis des ers­ten Anscheins auch dafür, dass das Schrei­ben noch an die­sem Tag zuge­gan­gen ist. Wird ein ande­rer Post-Zustell­dienst beauf­tragt, greift die­ser Beweis des ers­ten Anscheins nicht, sofern nicht die­ser ande­re Zustell­dienst dort maß­geb­li­cher Zustel­ler ist, was aber wohl nie­mand wis­sen kann.

Wegen der oben geschil­der­ten Pro­ble­me für den Arbeit­ge­ber, den Ein­wurf der Kün­di­gung in den Brief­kas­ten über­haupt zu bewei­sen, ist drin­gend anzu­ra­ten, zumin­dest zeit­kri­ti­sche Kün­di­gun­gen per Bote/Kurier zuzu­stel­len. Bei die­sen lässt sich einer­seits eine Beweis­ket­te erbrin­gen, dass sich in dem Kuvert auch ein Kün­di­gungs­schrei­ben befand. Ande­rer­seits kann der Bote auch nach­weis­bar (z.B. mit Foto) doku­men­tie­ren, wann er das Schrei­ben in wel­chen Brief­kas­ten ein­ge­wor­fen hat.

Aber auch hier bleibt der Zustell­zeit­punkt kri­tisch: Wann die übli­chen Post­zu­stell­zei­ten sind, ist all­ge­mein nicht bekannt. Nor­ma­ler­wei­se wer­den Brie­fe der Deut­schen Post AG, jeden­falls in klei­ne­ren Orten, vor­mit­tags aus­ge­lie­fert. Mit einem Lie­fer­zeit­fens­ter von 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr soll­te man wochen­tags rech­nen, sams­tags ggf. kür­zer. Um bei zeit­kri­ti­schen Kün­di­gun­gen sicher­zu­ge­hen, soll­ten Arbeit­ge­ber die Zustel­lung nicht unbe­dingt erst am letz­ten Tag der Frist bewir­ken. Wenn  das aus­nahms­wei­se nicht ver­meid­bar sein soll­te, soll­te die Kün­di­gung dem Arbeit­neh­mer aber jeden­falls wenigs­tens vor­mit­tags, am aller­bes­ten bis 9:00 Uhr, zuge­hen.

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