Kurzarbeitergeld: Bundestag verlängert coronabedingte Sonderregeln

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Arbeitsrecht | 22. Februar 2022
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Die bereits bestehen­den Son­der­re­geln zur Kurz­ar­beit gel­ten nun groß­teils bis Ende Juni. Dr. Petra Oster­mai­er erklärt, von wel­chen erleich­ter­ten Vor­aus­set­zun­gen und finan­zi­el­len Vor­tei­len Betrie­be, die von der Coro­na-Pan­de­mie beson­ders betrof­fen sind, wei­ter pro­fi­tie­ren.

Der Bun­des­tag hat am Frei­tag, den 18. Febru­ar 2022, die gel­ten­den Son­der­vor­schrif­ten zur Kurz­ar­beit bis zum 30. Juni 2022 ver­län­gert. Sonst wären die Erleich­te­run­gen für von der Coro­na-Pan­de­mie beson­ders betrof­fe­ne Betrie­be Ende März aus­ge­lau­fen. Damit kein Unter­neh­men durch eine Geset­zes­lü­cke fällt, soll die Ver­län­ge­rung der Bezugs­dau­er von 24 auf 28 Mona­te schon am 1. März 2022 in Kraft tre­ten. Andern­falls hät­ten Betrie­be, die bereits seit Beginn der Pan­de­mie in Kurz­ar­beit sind, kei­nen Anspruch mehr auf den staat­li­chen Zuschuss gehabt.

Zwar hät­ten sich die wirt­schaft­li­che Lage und die Situa­ti­on auf dem Arbeits­markt all­ge­mein deut­lich gebes­sert, so die Regie­rung in dem nun vom Bun­des­tag ange­nom­me­nen Ent­wurf. Den­noch sei­en ein­zel­ne Bran­chen, wie zum Bei­spiel die Ver­an­stal­tungs- und Krea­tiv­wirt­schaft oder das Gast­ge­wer­be, seit Beginn der Pan­de­mie unun­ter­bro­chen von den pan­de­mie­be­ding­ten Ein­schrän­kun­gen betrof­fen. Aktu­ell sei die wei­te­re Ent­wick­lung noch nicht abseh­bar. Ziel der fort­ge­führ­ten Erleich­te­run­gen sei es daher, Kün­di­gun­gen und Insol­ven­zen in den betrof­fe­nen Bran­chen zu ver­mei­den und den Inha­bern Pla­nungs­si­cher­heit zu geben.

Kurz­ar­bei­ter­geld dient in unter­neh­me­ri­schen Kri­sen­zei­ten dazu, finan­zi­el­le Ver­lus­te aus wirt­schaft­li­chen Grün­den oder wegen unab­wend­ba­rer Ereig­nis­se wie einer Pan­de­mie abzu­mil­dern. Die­ser Ver­lust ent­steht dadurch, dass Mit­ar­bei­ter vor­über­ge­hend nicht beschäf­tigt wer­den kön­nen, aber wei­ter­hin Anspruch auf ihren Lohn haben. Ziel der Kurz­ar­beit ist es, Kün­di­gun­gen zu ver­mei­den. Die Arbeit­neh­mer arbei­ten wäh­rend der Bezugs­zeit weni­ger oder über­haupt nicht, erhal­ten aber einen Anteil ihres Net­to­lohns von der Bun­des­agen­tur für Arbeit.

Welche Sonderregeln gelten nun beim Kurzarbeitergeld?

Ob ein Unter­neh­men Kurz­ar­bei­ter­geld bean­tra­gen darf, hängt von gesetz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen ab, die ins­be­son­de­re in den §§ 95 ff Sozi­al­ge­setz­buch (SGB) III zu fin­den sind. Mit dem aktu­el­len Beschluss gel­ten ab dem 1. April 2022 nach § 421c SGB III (groß­teils wei­ter­hin) fol­gen­de Son­der­vor­schrif­ten:

  • Die Bezugs­dau­er des Kurz­ar­bei­ter­gelds beträgt nor­ma­ler­wei­se 12 Mona­te. Auf­grund der pan­de­mie­be­ding­ten Son­der­re­geln wur­de sie bereits auf 24 Mona­te ver­län­gert – und wird nun auf 28 Mona­te ange­ho­ben.
  • Der Zugang zur Kurz­ar­beit bleibt wei­ter­hin erleich­tert: Betrie­be kön­nen bereits dann Kurz­ar­bei­ter­geld bean­tra­gen, wenn ledig­lich 10 Pro­zent ihrer Beschäf­tig­ten von einem Arbeits­aus­fall von mehr als 10 Pro­zent betrof­fen sind. In „nor­ma­len“ Zei­ten besteht der Anspruch erst ab dem Aus­fall von min­des­tens einem Drit­tel der Ange­stell­ten.
  • Leih­ar­beit­neh­mer dür­fen ab dem 1. April 2022 kein Kurz­ar­bei­ter­geld mehr bean­spru­chen. Das ist auch nor­ma­ler­wei­se so, war aber zwi­schen­zeit­lich pan­de­mie­be­dingt geän­dert wor­den.
  • Nor­ma­ler­wei­se müs­sen Arbeit­neh­mer zunächst nega­ti­ve Arbeits­zeit­sal­den (Minus­stun­den) auf­bau­en, bevor sie in Kurz­ar­beit geschickt wer­den kön­nen. Sie sol­len dann zu einem spä­te­ren Zeit­punkt wie­der aus­ge­gli­chen wer­den. Auf die­se Vor­aus­set­zung ver­zich­tet der Gesetz­ge­ber jedoch aktu­ell. Wei­ter­hin ist jedoch in der Regel Vor­aus­set­zung, dass Ange­stell­te bereits auf­ge­bau­te Über- und Plus­stun­den abbau­en müs­sen, bevor die Kurz­ar­beit greift.
  • Arbeit­ge­ber erhal­ten bis zum 31. März 2022 noch bedin­gungs­los einen staat­li­chen Zuschuss in Höhe von 50 Pro­zent zu den Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­gen für die aus­ge­fal­le­nen Arbeits­stun­den. Bis Ende 2021 über­nahm die Arbeits­agen­tur sogar 100 Pro­zent der Bei­trä­ge. Ab April 2022 ist die bereits redu­zier­te Erstat­tung auf 50 Pro­zent außer­dem an die Bedin­gung gekop­pelt, dass die Kurz­ar­beit mit einer Qua­li­fi­zie­rung der Mit­ar­bei­ter ver­bun­den wird.
  • Auch für die Beschäf­tig­ten selbst sehen die ver­län­ger­ten Son­der­re­geln eine Unter­stüt­zung vor: Sie erhal­ten mehr Geld vom Staat, wenn sie län­ger in Kurz­ar­beit blei­ben müs­sen. Nor­ma­ler­wei­se beträgt das Kurz­ar­bei­ter­geld ledig­lich 60 Pro­zent des Net­to­lohns, mit Kin­dern sind es 67 Pro­zent. Die aktu­el­len Regeln sehen hin­ge­gen vor, dass das Kurz­ar­bei­ter­geld ab dem vier­ten Monat auf 70 Pro­zent steigt und ab dem sieb­ten Monat auf 80 Pro­zent. Eltern erhal­ten ent­spre­chend 77 bzw. 87 Pro­zent.
  • Zudem wird Ein­kom­men aus wäh­rend der Kurz­ar­beit auf­ge­nom­me­nen Mini­jobs nicht auf das Kurz­ar­bei­ter­geld ange­rech­net. In nor­ma­len Zei­ten erfolgt eine sol­che Anrech­nung. Wei­ter­hin ange­rech­net wer­den hin­ge­gen lukra­ti­ve­re Neben­tä­tig­kei­ten als der „450-Euro-Job“, sofern die­se erst nach Beginn der Kurz­ar­beit auf­ge­nom­men wur­den. Neben­tä­tig­kei­ten vor Beginn der Kurz­ar­beit haben hin­ge­gen kei­ne Aus­wir­kun­gen.

Die Mehr­aus­ga­ben für die Bun­des­an­stalt für Arbeit bezif­fert der Gesetz­ent­wurf mit 450 Mil­lio­nen Euro. Bun­des­ar­beits­mi­nis­ter Huber­tus Heil (SPD) sag­te am Frei­tag aller­dings auch, die Kurz­ar­beit kön­ne nicht ewig fort­ge­setzt wer­den. Es bleibt für alle zu hof­fen, dass eine wei­te­re Ver­län­ge­rung der Maß­nah­men über den 30. Juni 2022 hin­aus nicht mehr not­wen­dig sein wird.

Für den Bereich des öffent­li­chen Diens­tes hat­ten die Tarif­par­tei­en den Tarif­ver­trag zur Kurz­ar­beit im kom­mu­na­len öffent­li­chen Dienst (TV COVID) bereits am 15. Dezem­ber 2021 bis zum 31. Dezem­ber 2022 ver­län­gert. Die mög­li­che Dau­er der Kurz­ar­beit wur­de dabei von 21 Mona­ten auf 24 Mona­te hoch­ge­setzt; im öffent­li­chen Dienst sind die tarif­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für eine wei­te­re Ver­län­ge­rung der Kurz­ar­beit zumin­dest geschaf­fen.

Dr. Petra Oster­mai­er ist Part­ner bei SNP Schla­wi­en Part­ner­schaft mbB und schwer­punkt­mä­ßig im Arbeits­recht tätig. Sie berät und betreut neben mul­ti­na­tio­na­len Kon­zer­nen auch mit­tel­stän­di­sche und klei­ne­re Unter­neh­men in allen Fra­gen des indi­vi­du­el­len und kol­lek­ti­ven Arbeits­rechts. Hier­bei ver­tritt sie Arbeit­ge­ber nicht nur vor Gericht, son­dern beglei­tet die­se auch bei Ver­hand­lun­gen mit Gewerk­schaf­ten, Betriebs­rä­ten und in Eini­gungs­stel­len. Dane­ben unter­stützt Petra Oster­mai­er Vor­stän­de, Geschäfts­füh­rer und lei­ten­de Ange­stell­te bei ihren Ver­trags­ver­hand­lun­gen mit Unter­neh­men. Ihre Tätig­keit umfasst außer­dem die Bera­tung von Unter­neh­men im Daten­schutz sowie im Bereich des öffent­li­chen Rechts, vor­wie­gend im öffent­li­chen Bau­recht und Kom­mu­nal­ab­ga­ben­recht.
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