In Deutschland sind besondere Anforderungen an die Lieferketten im Hinblick auf die Wahrung von Menschenrechten und Umweltstandards schon seit 2023 im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) aufgestellt. Nun könnte sich auch in der EU etwas bewegen: Geplant sind deutlich weitreichenderer Vorgaben zu entsprechenden Sorgfaltspflichten in der Lieferkette als im deutschen Gesetz.
Die EU will so Unternehmen so zu einem verantwortungsbewussten und nachhaltigen unternehmerischen Handeln im Hinblick auf Menschenrechte und Umweltschutz entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette anhalten. Negative Auswirkungen auf die Umwelt oder die Menschenrechtssituation des Einzelnen, insbesondere die Arbeit von Kindern oder unter menschenunwürdigen Umstanden, sollen auf diese Weise – weltweit – minimiert werden.
Nach längerer Diskussion zwischen EU-Parlament und Rat zu dem bereits im Februar 2022 von der EU-Kommission eingereichten Vorschlag über eine Richtlinie mit dem Namen „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ (CSDDD), wurde im Dezember 2023 ein „finaler“ Entwurf von den Verhandlungsführern des EU-Parlaments und des EU-Rates vorgelegt. Zuletzt sollte am Mittwoch vergangener Woche über den Vorschlag im Rat abgestimmt werden, nachdem die belgische EU-Ratspräsidentschaft vorsichtige Signale meinte empfangen zu haben, dass die Zahl der Kritiker des Vorschlags geringer würde. Eine Mehrheit der EU-Mitglieder hat letzte Woche jedoch eine – wie eine Nein-Stimme wirkende – Enthaltung bzw. die Ablehnung angekündigt, so dass das Vorhaben weiterhin im Entwurfsstadium verharrt und wohl nicht mit einer schnellen Verabschiedung zu rechnen ist, sondern Anpassungen am Entwurf vorgenommen werden dürften. Seit dieser Woche wird ein geänderter Vorschlag diskutiert, bei dem die Schwellenwerte für die Anwendbarkeit deutlich nach oben gesetzt wird.
Vor diesem Hintergrund ist die nachfolgende Darstellung der wesentlichen Kernelemente der CSDDD nur vorläufiger Natur, doch sollen die derzeit bestehenden und auch zu Kritik führenden zentralen Unterschiede zum deutschen LkSG aus Sicht des deutschen Rechts nachfolgend dargestellt werden.
I. Größerer Adressatenkreis
Die EU-Richtlinie soll nach dem letzten publizierten Vorschlag bereits für Unternehmen ab 500 Arbeitnehmern weltweit und einem Nettojahresumsatz von EUR 150 Mio. bzw. für Unternehmen mit einem Schwerpunkt in den Branchen Textilien, Landwirtschaft oder Mineralien/ Metallerzeugung/ Baugewerbe ab 250 Arbeitnehmern weltweit und EUR 40 Mio. Nettojahresumsatz gelten. Presseberichten von gestern ist zu entnehmen, dass ein nochmals angepasster Vorschlag nun nur Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 300 Millionen im Kreis der Mitgliedstaaten zirkuliert wird, der aber wohl bislang ebenfalls keine Mehrheit findet.
Mit dem bisherigen Vorschlag wird der Kreis der Unternehmen, die die Vorgaben der CSDDD beachten müssen, gegenüber dem Kreis der Unternehmen, die aktuell das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz als verpflichtete Unternehmen umsetzen müssen, deutlich größer. Letzteres erfasst seit dem 01.01.2024 alle Unternehmen mit mindestens 1000 Mitarbeitern in Deutschland, unabhängig vom Umsatz. Der geänderte Vorschlag würde damit voraussichtlich den Adressatenkreis nicht vergrößern.
Allerdings erfasst die EU-Richtlinie konkreter als das LkSG Konzernstrukturen und Franchise-System und erweitert so in beiden Fällen jeweils den Kreis der verpflichteten Unternehmen.
II. Ausdehnung der Sorgfaltspflichten auf die gesamte Wertschöpfungskette
Die Definition der Wertschöpfungskette ist in dem EU-Richtlinien-Entwurf umfassender als im deutschen Gesetz: Das LkSG richtet die Pflichten an der am jeweiligen Produkt des Unternehmens orientierten Lieferkette und den unmittelbaren Lieferanten aus, erfasst damit nicht zwingend alle Lieferanten. Die CSDDD definiert dagegen alle Tätigkeiten, die in Verbindung mit der Herstellung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen stehen, somit vorgelagerte Tätigkeiten wie die Entwicklung oder nachgelagerte wie das Recycling sowie alle dazugehörigen Geschäftsbeziehungen eines Unternehmens, als zur Wertschöpfungskette gehörend. Damit müssen die nach der EU-Richtlinie zukünftig verpflichteten Unternehmen wesentlich mehr Lieferbeziehungen überprüfen und entsprechende Kontrollmechanismen, Dokumentationen und ggf. Sanktionen organisieren.
III. Einführung eines zivilrechtlichen Haftungstatbestandes für die Verletzung von Sorgfaltspflichten
Neben der Anprangerung der Unternehmen und der Androhung einer Geldbuße in Höhe von 5% des weltweiten Umsatzes durch die nationalen Aufsichtsbehörden ist zentrales Steuerungs- und Sanktions-Element der CSDDD eine Haftungsregelung für die Unternehmen: Diese sollen von Dritten zivilrechtlich für Verstöße gegen die auferlegten Sorgfaltspflichten haftbar gemacht werden können. – Eine solche Haftung kennt das Deutsche Recht nicht, sondern ordnet in § 3 Abs. 3 LkSG vielmehr an, dass keine zivilrechtliche Haftung begründet wird.
IV. Erweiterte Liste der Schutzgüter
Die EU-Richtlinie erweitert darüber hinaus die Sorgfaltspflichten im Hinblick auf die Umweltauswirkungen. So müssen Unternehmen mit einem Nettojahresumsatz von EUR 150 Mio. z.B. einen Plan zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C entsprechend dem Pariser Klimaschutzabkommen aufstellen und sich um dessen Umsetzung bemühen. Daneben müssen die Unternehmen weitere Sorgfaltspflichten zur Messung und Minimierung von Umweltverschlechterungen, wie Boden‑, Wasser- oder Luftverschmutzung beachten und sind diese – anders als im LkSG – eigenständig und nicht mehr mit der menschenrechtlichen Situation verknüpft.
Die EU-Richtlinie CSDDD verstärkt den Schutz von Umwelt und Menschenrechten und greift dabei zugleich wesentlich in die Organisation der Unternehmen ein, indem die Sorgfaltspflichten neben den Konsultationspflichten auch den Grundsatz der Beendigung der Lieferbeziehung betonen, so dass durch die Richtlinie – wie beim LkSG – nicht nur die unmittelbar verpflichteten Unternehmen betroffen sind, sondern über die gewünschte vertragliche Weitergabe auch das einzelne nicht so große mittelständische Unternehmen. Damit wird die EU-Richtlinie zu deutlichen Anpassungen des LkSG führen, wenn sie denn in der bislang vorliegenden Entwurfs-Fassung verabschiedet wird. Dies ist nach der aktuellen Diskussionslage im EU-Rat vor den diesjährigen EU-Parlamentswahlen wieder etwas unwahrscheinlicher geworden.
Dr. Wolfgang Heinze ist Partner im Münchner Büro von SNP Schlawien. Er berät mittelständische Unternehmen sowie Tochtergesellschaften und Niederlassungen deutscher und ausländischer Konzerne in allen Fragen des Handels- und Gesellschaftsrechts. www.linkedin.com/in/wolfgang-heinze
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Vergaberecht
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