Das OLG München legt Emojis in einem WhatsApp-Chat aus: Das Grimasse schneidende Emoji bedeute jedenfalls keine Zustimmung zu einer Lieferfristverlängerung. Damit ist klar: Die Kommunikation per WhatsApp ist endgültig im Geschäftsleben angekommen – mit allen Risiken.
600.000 Euro für einen Ferrari, das ist wohl auch für Verkäufer von Luxusautos keine Lappalie. Dass darüber am Ende auch noch ein Emoji entscheiden würde, hätte ein bayerischer Autohändler sich wohl nicht träumen lassen, als er im November 2020 den Kaufvertrag über den neuen Ferrari, Typ SF Stradale mit einem Interessenten schloss. Die Lieferung sollte – laut Vertrag „unverbindlich“ – im zweiten oder dritten Quartal 2021 erfolgen. Mahnen durfte der später klagende Käufer den Verkäufer nach den vertraglichen Vereinbarungen erst, wenn der Liefertermin um zwei Quartale überschritten war, Änderungen des Vertrags sollten schriftlich erfolgen. Doch es gab Lieferverzögerungen, schließlich trat der Käufer vom Vertrag zurück. Es kam zum Rechtsstreit, man verklagte sich wechselseitig – und dabei ging es auch um ein Emoji.
Der Verkäufer hatte am 23.September 2021 per WhatsApp an den Käufer geschrieben: „Der SF 90 Stradale rutscht leider auf erstes Halbjahr 2022. … Immerhin ist der dann zur nächsten Saison da.“ Hierauf antwortete der später klagende Käufer: „Ups 😬. Trotzdem danke für die Info.“
Ende Januar 2022 fragte er dann nach einem konkreteren Auslieferungstermin und erhielt per WhatsApp die Nachricht: „Abwicklung könnte in der Woche ab dem 09.05. stattfinden. Würde das Ihrerseits passen?“. Er antwortete hierauf „Passt.“ Am 9. Mai aber erhielt der Käufer dann die Nachricht des Verkäufers, dass Ferrari die Batterien austauschen müsse und eine Auslieferung nicht erfolgen könne. Daraufhin setzte der Käufer dem Autohändler eine Lieferfrist bis Ende Mai und trat am 1. Juni 2022 vom Kaufvertrag zurück.
Emoji ausgelegt: Käufer hat keiner längeren Lieferfrist zugestimmt
Im nachfolgenden Rechtsstreit klagte der Käufer auf Rückzahlung seiner Anzahlung von EUR 59.500, der Verkäufer wiederum klagte auf Schadensersatz. Er habe beim Verkauf des Ferrari an eine andere Person einen niedrigeren Preis erzielt und wollte die Differenz erstattet haben. Das Landgericht wies die Klage des Käufers ab und sprach dem Verkäufer auf seine Widerklage Schadensersatz zu.
Das OLG München, das in zweiter Instanz über den Rechtsstreit entschied, gab in seinem Urteil vom 11. November hingegen dem Käufer Recht (19 U 200/24). Er habe am 1. Juni vom Vertrag zurücktreten dürfen, bekomme deshalb seine Anzahlung zurück und müsse auch keinen Schadensersatz an den Verkäufer zahlen, so die Richter. Dazu legten sie auch den Chatverlauf von Ende September 2021 aus und sehen darin keine Zustimmung zur Verlängerung der Lieferfrist bis zum 30 Juni 2022, sondern gehen davon aus, dass die Übergabe und Übereignung des Ferraris zum 31. März 2022 (Ablauf der vertraglich vorgesehenen Lieferfrist bis Ende Q 3 2023 plus 2 Quartale vereinbarte Überschreitung) fällig gewesen wären.
Danach konnte der Käufer, so das OLG, den Verkäufer also durch einfache Mahnung wirksam in Lieferverzug setzen und die Nachfrist auch kurz bemessen, so das OLG. Der Vortrag des Verkäufers, die Parteien hätten sich per WhatsApp auf eine Lieferfristverlängerung bis 30. Juni 2022 geeinigt, so dass der Käufer erst später hätte zurücktreten dürfen, überzeugte den Senat nicht.
WhatsApp: Wahrt auch im Geschäftsleben die Schriftform
Zunächst bejahte das OLG München entgegen der Rechtsprechung anderer Gerichte, dass die WhatsApp-Nachrichten das vertraglich vereinbarte Schriftformerfordernisses (§ 127 Abs. 2 S. 1 BGB) wahrten. Durch Screenshots, exportbasierte Ausdrucke wie auch die Möglichkeit, Nachrichten weiterzuleiten, seien diese hinreichend dauerhaft und reproduzierbar, zumal der Sender Nachrichten über die „Für alle löschen“-Funktion dem Empfänger nur kurzfristig wieder „entreißen“ könne. Auch erklärt das OLG München die Kommunikation über WhatsApp heute für im Rechts- und Geschäftsverkehr angekommen und nicht als rein privaten Kommunikationsweg, bei dem man nicht mit rechtsgeschäftlichen Erklärungen zu rechnen habe oder diese nicht abgegeben könne.
So kam es hier auf die Auslegung des Chatverlaufs und insbesondere darauf an, wie der Verkäufer das Grimasse schneidende Emoji verstehen durfte, mit dem der Käufer auf seine Ankündigung geantwortet hatte, dass die Lieferung sich ins erste Halbjahr 2022 verschiebe. Die Lieferfristverlängerung ist nämlich eine den Vertrag ändernde Abrede, sie braucht also zwei übereinstimmende Willenserklärungen, einen Antrag (§ 145 BGB) und dessen Annahme nach § 147 BGB.
Auch eine elektronisch übermittelte Willenserklärung in Form eines Emojis kann – aus Sicht eines verständigen Empfängers im Sinne von §§ 133, 157 BGB – ausgelegt werden, da Emojis nicht nur häufig Aussagen unterstreichen, verstärken oder klarstellen und damit eine Stimmungs- oder Gefühlslage mitteilen sollen. Sie könnten vielmehr auch wie konkludente Handlungen einen Rechtsbindungswillen des Erklärenden zum Ausdruck bringen. Im Rahmen der Auslegung aus Sicht des verständigen Empfängers sei auf die Bedeutungsgehalte von Emojis nach sog. Emoji-Lexika (https://emojipedia.org/de/grimassen-schneidendes-gesicht oder https://emojiterra.com/de/grimassen-schneidender-smiley) sowie den Begleit- und Kontext der Nachricht abzustellen.
Das Grimasse-schneidende-Emoji ist keine Zustimmung
Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände und des Bedeutungsinhalt des Emojis nach den allgemeinen Emoji-Lexika im Fall kam das OLG München dann zu dem Auslegungsergebnis, dass das Grimassen-schneidende-Emoji (Unicode: U+1F62C) keine Zustimmung zu einer Lieferfristverlängerung bedeuten könne. Es betone eher negative oder angespannte Emotionen und durch das Wort „Ups“ davor sei nicht als Zustimmung, sondern als Überraschungsäußerung zu verstehen. Einen Rechtsbindungswillen, den es für eine rechtsverbindliche Willenserklärung bräuchte, konnte das OLG München in dem Grimasse-schneidenden-Emoji somit nicht erkennen.
Das vom Käufer mit der Nachricht „passt“ gesetzte Vertrauen des Verkäufers darin, dass er nicht vor dem dann avisierten Liefertermin 9. Mai 2022 mahnen werde, habe er nicht enttäuscht und erst zum 10. Mai gemahnt.
Achtung bei WhatsApp-Kommunikation im Geschäftsleben
Nach diesem Urteil ist anerkannt, dass man auch per WhatsApp und mit anderen vergleichbaren Messenger-Diensten rechtsverbindliche Äußerungen und Willenserklärungen abgeben kann. Es kommt dann, wie der vom OLG München entschiedene Fall zeigt, auf den Einzelfall und die Auslegung nach dem Empfängerhorizont durch ein Gericht an, ob Emojis oder WhatsApp-Nachrichten vertragsgestaltende Erklärungen enthalten oder nicht.
Im geschäftlichen Umfeld empfiehlt es sich daher, im Zweifel ausführlicher, klar und eindeutig zu kommunizieren, um derartige Zweifel und Auslegungsfragen erst gar nicht aufkommen zu lassen. Will man jeden Zweifel ausschließen, könnte man sogar in Schriftformklauseln vertraglich klarstellen, dass die Kommunikation per WhatsApp keine zugelassene Schriftform ist, also am einmal geschlossenen Vertrag nichts zu ändern vermag.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Vergaberecht
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