„Ups 😬“ - Mit Emojis Verträge ändern?

© ShStock/stock.abode.com
BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Das OLG München legt Emo­jis in einem What­sApp-Chat aus: Das Gri­masse schnei­dende Emo­ji bedeute jeden­falls keine Zus­tim­mung zu ein­er Liefer­fristver­längerung. Damit ist klar: Die Kom­mu­nika­tion per What­sApp ist endgültig im Geschäft­sleben angekom­men – mit allen Risiken.

 

600.000 Euro für einen Fer­rari, das ist wohl auch für Verkäufer von Luxu­sautos keine Lap­palie. Dass darüber am Ende auch noch ein Emo­ji entschei­den würde, hätte ein bay­erisch­er Auto­händler sich wohl nicht träu­men lassen, als er im Novem­ber 2020 den Kaufver­trag über den neuen Fer­rari, Typ SF Stradale mit einem Inter­essen­ten schloss. Die Liefer­ung sollte – laut Ver­trag „unverbindlich“ – im zweit­en oder drit­ten Quar­tal 2021 erfol­gen. Mah­nen durfte der später kla­gende Käufer den Verkäufer nach den ver­traglichen Vere­in­barun­gen erst, wenn der Liefer­t­er­min um zwei Quar­tale über­schrit­ten war, Änderun­gen des Ver­trags soll­ten schriftlich erfol­gen. Doch es gab Liefer­verzögerun­gen, schließlich trat der Käufer vom Ver­trag zurück. Es kam zum Rechtsstre­it, man verk­lagte sich wech­sel­seit­ig – und dabei ging es auch um ein Emo­ji.

Der Verkäufer hat­te am 23.September 2021 per What­sApp an den Käufer geschrieben: „Der SF 90 Stradale rutscht lei­der auf erstes Hal­b­jahr 2022. … Immer­hin ist der dann zur näch­sten Sai­son da.“ Hier­auf antwortete der später kla­gende Käufer: „Ups 😬. Trotz­dem danke für die Info.“

Ende Jan­u­ar 2022 fragte er dann nach einem konkreteren Aus­liefer­ung­ster­min und erhielt per What­sApp die Nachricht: „Abwick­lung kön­nte in der Woche ab dem 09.05. stat­tfind­en. Würde das Ihrer­seits passen?“. Er antwortete hier­auf „Passt.“ Am 9. Mai aber erhielt der Käufer dann die Nachricht des Verkäufers, dass Fer­rari die Bat­te­rien aus­tauschen müsse und eine Aus­liefer­ung nicht erfol­gen könne. Daraufhin set­zte der Käufer dem Auto­händler eine Liefer­frist bis Ende Mai und trat am 1. Juni 2022 vom Kaufver­trag zurück.

 

Emo­ji aus­gelegt: Käufer hat kein­er län­geren Liefer­frist zuges­timmt

Im nach­fol­gen­den Rechtsstre­it klagte der Käufer auf Rück­zahlung sein­er Anzahlung von EUR 59.500, der Verkäufer wiederum klagte auf Schadenser­satz. Er habe beim Verkauf des Fer­rari an eine andere Per­son einen niedrigeren Preis erzielt und wollte die Dif­ferenz erstat­tet haben. Das Landgericht wies die Klage des Käufers ab und sprach dem Verkäufer auf seine Widerk­lage Schadenser­satz zu.

Das OLG München, das in zweit­er Instanz über den Rechtsstre­it entsch­ied, gab in seinem Urteil vom 11. Novem­ber hinge­gen dem Käufer Recht (19 U 200/24). Er habe am 1. Juni vom Ver­trag zurück­treten dür­fen, bekomme deshalb seine Anzahlung zurück und müsse auch keinen Schadenser­satz an den Verkäufer zahlen, so die Richter. Dazu legten sie auch den Chatver­lauf von Ende Sep­tem­ber 2021 aus und sehen darin keine Zus­tim­mung zur Ver­längerung der Liefer­frist bis zum 30 Juni 2022, son­dern gehen davon aus, dass die Über­gabe und Übereig­nung des Fer­raris zum 31. März 2022 (Ablauf der ver­traglich vorge­se­henen Liefer­frist bis Ende Q 3 2023 plus 2 Quar­tale vere­in­barte Über­schre­itung) fäl­lig gewe­sen wären.

Danach kon­nte der Käufer, so das OLG, den Verkäufer also durch ein­fache Mah­nung wirk­sam in Liefer­verzug set­zen und die Nach­frist auch kurz bemessen, so das OLG. Der Vor­trag des Verkäufers, die Parteien hät­ten sich per What­sApp auf eine Liefer­fristver­längerung bis 30. Juni 2022 geeinigt, so dass der Käufer erst später hätte zurück­treten dür­fen, überzeugte den Sen­at nicht.

 

What­sApp: Wahrt auch im Geschäft­sleben die Schrift­form

Zunächst bejahte das OLG München ent­ge­gen der Recht­sprechung ander­er Gerichte, dass die What­sApp-Nachricht­en das ver­traglich vere­in­barte Schrift­former­forderniss­es (§ 127 Abs. 2 S. 1 BGB) wahrten. Durch Screen­shots, export­basierte Aus­drucke wie auch die Möglichkeit, Nachricht­en weit­erzuleit­en, seien diese hin­re­ichend dauer­haft und repro­duzier­bar, zumal der Sender Nachricht­en über die „Für alle löschen“-Funktion dem Empfänger nur kurzfristig wieder „entreißen“ könne. Auch erk­lärt das OLG München die Kom­mu­nika­tion über What­sApp heute für im Rechts- und Geschäftsverkehr angekom­men und nicht als rein pri­vat­en Kom­mu­nika­tion­sweg, bei dem man nicht mit rechts­geschäftlichen Erk­lärun­gen zu rech­nen habe oder diese nicht abgegeben könne.

So kam es hier auf die Ausle­gung des Chatver­laufs und ins­beson­dere darauf an, wie der Verkäufer das  Gri­masse schnei­dende Emo­ji ver­ste­hen durfte, mit dem der Käufer auf seine Ankündi­gung geant­wortet hat­te, dass die Liefer­ung sich ins erste Hal­b­jahr 2022 ver­schiebe. Die Liefer­fristver­längerung ist näm­lich eine den Ver­trag ändernde Abrede, sie braucht also zwei übere­in­stim­mende Wil­lenserk­lärun­gen, einen Antrag (§ 145 BGB) und dessen Annahme nach § 147 BGB.

Auch eine elek­tro­n­isch über­mit­telte Wil­lenserk­lärung in Form eines Emo­jis kann – aus Sicht eines ver­ständi­gen Empfängers im Sinne von §§ 133, 157 BGB – aus­gelegt wer­den, da Emo­jis nicht nur häu­fig Aus­sagen unter­stre­ichen, ver­stärken oder klarstellen und damit eine Stim­mungs- oder Gefühlslage mit­teilen sollen. Sie kön­nten vielmehr auch wie kon­klu­dente Hand­lun­gen einen Rechts­bindungswillen des Erk­lären­den zum Aus­druck brin­gen. Im Rah­men der Ausle­gung aus Sicht des ver­ständi­gen Empfängers sei auf die Bedeu­tungs­ge­halte von Emo­jis nach sog. Emo­ji-Lexi­ka (https://emojipedia.org/de/grimassen-schneidendes-gesicht oder https://emojiterra.com/de/grimassen-schneidender-smiley) sowie den Begleit- und Kon­text der Nachricht abzustellen.

 

Das Gri­masse-schnei­dende-Emo­ji ist keine Zus­tim­mung

Unter Berück­sich­ti­gung der konkreten Umstände und des Bedeu­tungsin­halt des Emo­jis nach den all­ge­meinen Emo­ji-Lexi­ka im Fall kam das OLG München dann zu dem Ausle­gungsergeb­nis, dass das Gri­massen-schnei­dende-Emo­ji (Uni­code: U+1F62C) keine Zus­tim­mung zu ein­er Liefer­fristver­längerung bedeuten könne. Es betone eher neg­a­tive oder anges­pan­nte Emo­tio­nen und durch das Wort „Ups“ davor sei nicht als Zus­tim­mung, son­dern als Über­raschungsäußerung zu ver­ste­hen. Einen Rechts­bindungswillen, den es für eine rechtsverbindliche Wil­lenserk­lärung bräuchte, kon­nte das OLG München in dem Gri­masse-schnei­den­den-Emo­ji somit nicht erken­nen.

Das vom Käufer mit der Nachricht „passt“ geset­zte Ver­trauen des Verkäufers darin, dass er nicht vor dem dann avisierten Liefer­t­er­min 9. Mai 2022 mah­nen werde, habe er nicht ent­täuscht und erst zum 10. Mai gemah­nt.

 

Achtung bei What­sApp-Kom­mu­nika­tion im Geschäft­sleben

Nach diesem Urteil ist anerkan­nt, dass man auch per What­sApp und mit anderen ver­gle­ich­baren Mes­sen­ger-Dien­sten rechtsverbindliche Äußerun­gen und Wil­lenserk­lärun­gen abgeben kann.  Es kommt dann, wie der vom OLG München entsch­iedene Fall zeigt, auf den Einzelfall und die Ausle­gung nach dem Empfänger­hor­i­zont durch ein Gericht an, ob Emo­jis oder What­sApp-Nachricht­en ver­trags­gestal­tende Erk­lärun­gen enthal­ten oder nicht.

Im geschäftlichen Umfeld emp­fiehlt es sich daher, im Zweifel aus­führlich­er, klar und ein­deutig zu kom­mu­nizieren, um der­ar­tige Zweifel und Ausle­gungs­fra­gen erst gar nicht aufkom­men zu lassen. Will man jeden Zweifel auss­chließen, kön­nte man sog­ar in Schrift­formk­lauseln ver­traglich klarstellen, dass die Kom­mu­nika­tion per What­sApp keine zuge­lassene Schrift­form ist, also am ein­mal geschlosse­nen Ver­trag nichts zu ändern ver­mag.

 

BEITRAG TEILEN
LinkedInXINGXFacebookEmailPrint

Über den autor

Aktuelles

Weitere Beiträge des Autors

Mehr Pflichten, schärfere Haftung: Jetzt kommt die EU-Lieferkettenrichtlinie

Während es in Deutschland Überlegungen gab, das deutsche Lieferkettengesetz auszusetzen, ist Anfang Juli schon die EU-Lieferkettenrichtlinie in Kraft getreten. Sie verlangt mehr Umweltschutz und dehnt die Lieferkette aus. Welche Pflichten neu sind und welche Risiken für Leitungspersonal in Unternehmen noch größer werden.   Konnten wir Anfang März nur berichten, dass sich die Verabschiedung der EU-Richtlinie über Lieferkettensorgfaltspflichten wohl verzögern könnte,...

GmbH-Geschäftsführer: Die eigene Haftung durch interne Zuständigkeiten begrenzen

Alle Geschäftsführer sind dafür verantwortlich, dass die GmbH all ihre Pflichten erfüllt. Interne Zuständigkeitsregelungen innerhalb der Geschäftsführung können die Verantwortung und damit auch die Haftung auf einzelne Geschäftsführer beschränken. Die übrigen müssen das „nur noch“ überwachen. Doch der BGH stellt auch an diese Kontrolle strenge Anforderungen.   In dem Fall, über den der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden hatte, ging es...