Purpose Economy auch für Startups: So setzen kleine Unternehmen ihre Wertorientierung rechtssicher um

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Vie­len Start­up-Grün­dern geht es nicht nur um den maxi­ma­len Pro­fit. Doch sie scheu­en den Auf­wand, ihre Wer­te nach­hal­tig in der Unter­neh­mens­füh­rung zu ver­an­kern. Dabei gibt es längst prak­ti­ka­ble Wege, auch klei­ne Unter­neh­men ver­ant­wor­tungs­voll und wert­ori­en­tiert auf­zu­stel­len, zei­gen Andre­as Lieb und Richard Rum­mel.

Beruf „Seri­en­grün­der“ oder „Seri­al Entre­pre­neur“: Eine Idee umset­zen, das Geschäfts­mo­dell ska­lie­ren, hohe Bewer­tung, Exit, Repeat. Für vie­le Grün­de­rin­nen und Grün­der ist das die Ide­al­vor­stel­lung. In Tei­len der Sze­ne fin­det jedoch ein Umden­ken statt: Pro­fit­ma­xi­mie­rung als Selbst­zweck wird zuneh­mend mit Skep­sis betrach­tet.

Unter den Schlag­wör­tern “Pur­po­se Eco­no­my” und “Cor­po­ra­te Social Respon­si­bi­li­ty” wird ver­mehrt eine ver­ant­wor­tungs­vol­le Unter­neh­mens­füh­rung – auch über meh­re­re Gene­ra­tio­nen hin­weg – gefor­dert. „Pur­po­se“ (engl. Bestim­mung, Ziel, Zweck) steht dafür, Unter­neh­men zu ermög­li­chen, dau­er­haft unab­hän­gig und sinn­ori­en­tiert zu blei­ben. Im Gegen­satz zu her­kömm­li­chen Eigen­tü­mer­struk­tu­ren ver­an­kert das sog. Ver­ant­wor­tungs­ei­gen­tum die Wert­ori­en­tie­rung recht­lich bin­dend in der Sat­zung. Die Unter­neh­men ver­pflich­ten sich zur Selbst­be­stim­mung und zur Ver­mö­gens­bin­dung. Das heißt Stimm­rech­te ver­blei­ben bei den akti­ven Unter­neh­mern und Gewin­ne sind Mit­tel zum Zweck statt Selbst­zweck.

Tra­di­ti­ons­rei­che Fami­li­en­un­ter­neh­men machen es vor. Etwa 200 Fami­li­en­un­ter­neh­men in Deutsch­land haben ihre Gesell­schafts­struk­tu­ren auf eine ver­ant­wor­tungs­vol­le Unter­neh­mens­füh­rung aus­ge­rich­tet, dar­un­ter Wirt­schafts­grö­ßen wie Bosch und Zeiss. So ist die Carl-Zeiss-Stif­tung allei­ni­ge Aktio­nä­rin der Carl Zeiss AG. Sie darf die Akti­en nicht ver­äu­ßern und mit den Divi­den­den der Akti­en­ge­sell­schaft för­dert die Stif­tung For­schung und Leh­re in den Berei­chen Mathe­ma­tik, Infor­ma­tik, Natur­wis­sen­schaft und Tech­nik. Auch ande­ren Län­dern und Rechts­ord­nun­gen ist das Ver­ant­wor­tungs­ei­gen­tum nicht fremd. In Däne­mark gibt es sog. Indus­tri­al Foun­da­ti­ons: Stif­tun­gen, die die Mehr­heit der Stimm­rech­te an einem oder meh­re­ren Unter­neh­men hal­ten und kei­nen wei­te­ren Zweck ver­fol­gen als die Wert­ori­en­tie­rung zu sichern. Zu däni­schen Unter­neh­men in Ver­ant­wor­tungs­ei­gen­tum zäh­len unter ande­rem Carls­berg, Novo Nor­disk und Lund­beck.

Kommt eine neue Rechtsform?

In Deutsch­land wur­de die The­ma­tik in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ver­mehrt medi­en­wirk­sam dis­ku­tiert. Eine neue Rechts­form wur­de vor­ge­schla­gen, da die bestehen­den Stif­tungs­lö­sun­gen recht­lich etwas umständ­lich wir­ken und teil­wei­se mit hohen Kos­ten sowie Ver­wal­tungs­auf­wand ver­bun­den sind. Vor allem klei­ne Unter­neh­men und Start-ups nutz­ten sie bis­lang bis­lang eher sel­ten.

Anfang 2021 leg­te ein Team aus fünf Pro­fes­so­rin­nen und Pro­fes­so­ren und einem Rechts­an­walt mit Unter­stüt­zung der Stif­tung Ver­ant­wor­tungs­ei­gen­tum einen aus­for­mu­lier­ten Vor­schlag für eine Gesell­schaft mit beschränk­ter Haf­tung mit gebun­de­nem Ver­mö­gen (GmbH-gebV) vor.  Auch im Koali­ti­ons­ver­trag der Ampel-Regie­rung fin­det sich die For­mu­lie­rung: „Zu einer moder­nen Unter­neh­mens­kul­tur gehö­ren auch neue For­men wie Sozi­al­un­ter­neh­men, oder Gesell­schaf­ten mit gebun­de­nem Ver­mö­gen. Wir erar­bei­ten eine natio­na­le Stra­te­gie für Sozi­al­un­ter­neh­men, um gemein­wohl­ori­en­tier­te Unter­neh­men und sozia­le Inno­va­tio­nen stär­ker zu unter­stüt­zen.“

Doch seit­dem ist es still gewor­den um die neue Rechts­form. Die Legis­la­tur­pe­ri­ode hat gera­de erst begon­nen und die durch­aus nicht unum­strit­te­ne Reform steht aktu­ell wohl auch nicht beson­ders weit oben auf der Prio­ri­tä­ten­lis­te der Bun­des­re­gie­rung.

Schon heute nachhaltig für morgen aufstellen

Unter­neh­men, die sich ver­ant­wor­tungs­voll auf­stel­len möch­ten, müs­sen dar­auf aber nicht war­ten. Abseits der Stif­tungs­mo­del­le gibt es schon jetzt gang­ba­re Alter­na­ti­ven auch für klei­ne Unter­neh­men und Start-ups, die ihre Vor­stel­lun­gen von einer nach­hal­ti­ge­ren Unter­neh­mens­füh­rung ver­wirk­li­chen wol­len.

Möch­te man ledig­lich das Gewinn­stre­ben von Gesell­schaf­tern redu­zie­ren und etwas Gutes bewir­ken, kann man eine gemein­nüt­zi­ge GmbH grün­den.  Eine gGmbH ver­folgt aus­schließ­lich gemein­nüt­zi­ge Zwe­cke im Sin­ne der Abga­ben­ord­nung und genießt dadurch Steu­er­pri­vi­le­gi­en. Es han­delt sich aber nicht um eine eigen­stän­di­ge Rechts­form, son­dern um eine regu­lä­re GmbH mit eini­gen Beson­der­hei­ten in der Sat­zung. Sie eig­net sich für kari­ta­ti­ve Unter­neh­men, deren Gesell­schaf­ter aus der Unter­neh­mung kei­nen Pro­fit gene­rie­ren wol­len.

„Purpose“-Unternehmen kön­nen gemein­wohl­ori­en­tiert sein, müs­sen es aber nicht. Der Fokus liegt nicht auf einem kari­ta­ti­ven Zweck, son­dern auf der nach­hal­ti­gen Unter­neh­mens­füh­rung an sich. Jeder Gesell­schafts­zweck ist mög­lich.

Die Trennung von Stimmrecht und Gewinn

Die ange­dach­te GmbH-gebV zeich­net sich durch ihre Selbst­be­stim­mung, eine Beschrän­kung des Gesell­schaf­ter­krei­ses (Share­hol­der Lock) und Ver­mö­gens­bin­dung (Asset Lock) aus. Die­se Cha­rak­te­ris­ti­ka kann man durch geschick­te recht­li­che Gestal­tung aber auch nach gel­ten­dem Recht prak­ti­ka­bel umset­zen.

Das GmbH-Gesetz kennt ledig­lich „Geschäfts­an­tei­le“ (§ 5 Abs. 2 GmbHG) mit glei­chen Rech­ten und Pflich­ten. In der GmbH-Sat­zung kön­nen jedoch ver­schie­de­ne Anteils­ka­te­go­rien defi­niert und geschaf­fen wer­den. Für die Umset­zung des Ver­ant­wor­tungs­ei­gen­tums kann man Geschäfts­an­tei­le der Kate­go­rie A und B schaf­fen. A‑Geschäftsanteile haben zwar Stimm­rech­te, jedoch haben die Gesell­schaf­ter, wel­che die­se hal­ten, kein Gewinn­be­zugs­recht. Für B‑Anteile gilt der umge­kehr­te Fall: Die­se haben Gewinn­rech­te ohne kor­re­spon­die­ren­de Stimm­rech­te. Auch kann der Ver­bleib von Gewin­nen im Unter­neh­men vor­ge­schrie­ben und die Ver­äu­ße­rung der Antei­le beschränkt wer­den.

Die­se Tren­nung von Stimm­recht und Gewinn­be­zugs­recht soll einen Inter­es­sen­kon­flikt ver­mei­den: Gesell­schaf­ter mit Gewinn­be­zugs­rech­ten haben kei­nen Ein­fluss mehr auf die Geschi­cke des Unter­neh­mens. Die­se wer­den bestimmt von Gesell­schaf­tern, die – frei von mone­tä­ren Hin­ter­ge­dan­ken – ihre Ent­schei­dun­gen am Wohl des Unter­neh­mens und nicht an den eige­nen Inter­es­sen aus­rich­ten.

Auch für Startups gut machbar: Anteile an die Purpose Stiftung gGmbH

Die­se Tren­nung soll bes­ten­falls dau­er­haft und über meh­re­re Gene­ra­tio­nen hin­weg erhal­ten blei­ben. Aus die­sem Grund grün­den gro­ße Unter­neh­men wie Zeiss Stif­tun­gen, die einen Teil der Antei­le hal­ten. Für klei­ne­re Unter­neh­men ohne eige­ne Stif­tung besteht die Mög­lich­keit, der Pur­po­se Stif­tung gGmbH Antei­le zu über­tra­gen. Dabei han­delt es sich zwar nicht um eine Stif­tung im Rechts­sin­ne, doch die­se gemein­nüt­zi­ge GmbH erfüllt die glei­che Funk­ti­on wie die Stif­tun­gen der gro­ßen Fami­li­en­un­ter­neh­men. Gestal­tet man die Sat­zung ent­spre­chend, kann bereits ein Anteil (Veto Share) am Unter­neh­men aus­rei­chen, um Sat­zungs­än­de­run­gen zu ver­hin­dern und so die Wert­ori­en­tie­rung auch für die Zukunft dau­er­haft zu zemen­tie­ren.

Im Gesamt­pa­ket kommt man so mit ver­hält­nis­mä­ßig gerin­gem Auf­wand an die Kon­struk­ti­on der ange­dach­ten GmbH-gebV schon recht nah her­an. Die Umset­zung ist auch für Start-ups ein gut gang­ba­rer Weg, um Wert­ori­en­tie­rung und Nach­hal­tig­keit auch für mor­gen schon heu­te im Unter­neh­men zu ver­an­kern.

Andre­as Lieb berät mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men und Start-ups im Han­dels- und Gesell­schafts­recht. Dabei unter­stützt er bei der Grün­dung von Gesell­schaf­ten, Kapi­tal­maß­nah­men, Struk­tu­rie­run­gen, Finan­zie­run­gen und Erstel­lung von Betei­li­gungs­ver­trä­gen sowie bei Unter­neh­mens­käu­fen. https://de.linkedin.com/in/andreaslieb 

Richard Rum­mel berät und ver­tritt mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men – vom Ein­zel­kauf­mann bis zur Akti­en­ge­sell­schaft – im Gesell­schafts­recht, ins­be­son­de­re bei Unter­neh­mens­käu­fen und Umstruk­tu­rie­run­gen. Er berät bei der Grün­dung von allen Arten von (Tochter-)Gesellschaften und der Schaf­fung von Gesell­schafts­struk­tu­ren bis hin zur Umset­zung von Unter­neh­mens­stra­te­gien.

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