„Die Entscheidungsträger müssen wieder in die Haftung“, sagte der Familienunternehmer Wolfgang Grupp kurz vor seinem Rückzug als Chef von TRIGEMA, die Familie führt das Textilunternehmen persönlich haftend weiter. Doch ist die persönliche Haftung für jeden Unternehmer das Richtige?
Wolfgang Grupp ist ein bekannter deutscher Unternehmer und ehemaliger Inhaber von TRIGEMA W. Grupp KG (ehemals TRIGEMA Inh. W. Grupp e.K.). Trigema ist ein deutsches Textilunternehmen, das vor allem dafür bekannt ist, dass es ausschließlich in Deutschland produziert. Bekannt geworden ist Grupp durch seine starke Persönlichkeit und seine klaren Prinzipien, vor deutlichen Worten scheut er sich auch öffentlich nicht.
In den 70-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte er das Unternehmen, das damals noch als GmbH geführt wurde, von seinem Vater übernommen. Doch er ist ein Verfechter des Prinzips, dass Unternehmer persönlich haften müssten. Um dieses Prinzip auch zu leben, wandelte er das Unternehmen um und führte es als eingetragener Kaufmann (eK) fort. Auch seit seinem Ausscheiden Ende des Jahres 2023 wird es von seiner Familie als Kommanditgesellschaft inklusive persönlicher Haftung weitergeführt. Sein Sohn Wolfgang Grupp jun. übernimmt dabei die Rolle des persönlich haftenden Gesellschafters (Komplementär), seine Frau Elisabeth Grupp und Tochter Bonita Grupp sind Kommanditisten mit beschränkter Haftung.
Die Debatte über die persönliche Haftung von Unternehmern sorgt immer wieder für Kontroversen. Während Befürworter argumentieren, dass persönliche Haftung Disziplin und Verantwortung in der Geschäftswelt fördert, warnen Gegner vor den potenziell verheerenden Auswirkungen auf Innovation und unternehmerischen Mut. Bevor ich einige wichtige Argumente für und gegen die persönliche Haftung von Gesellschaftern in Unternehmen genauer betrachte, gibt es ein wenig rechtlichen Kontext zum Thema.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Wer zivilrechtlich einen Vertrag abschließt und eine Leistung verspricht, haftet auch wirtschaftlich für diese Leistung und Schäden, die dadurch eventuell entstehen.
1. Einzelunternehmer und Kaufleute
Die simpelste Form der wirtschaftlichen Betätigung natürlicher Personen ist das Einzelunternehmen, da es sich dabei einfach um eine Person handelt, die am Wirtschaftsleben ohne besondere Rechtsform teilnimmt. Lässt sich diese Person in das Handelsregister eintragen, wird sie zum eingetragenen Kaufmann oder eingetragener Kauffrau. Einzelunternehmer und Kaufleute haften den Gläubigern direkt mit ihrem Privatvermögen.
Einzelunternehmer oder Kaufmann heißt dabei jedoch nicht, dass diese Personen keine Arbeitnehmer beschäftigen könnten. Wie jedes andere Unternehmen können auch Einzelunternehmerfestangestellte Mitarbeiter haben.
2. Personengesellschaften
Sind an der Unternehmung mehrere Personen als Inhaber beteiligt, spricht man von einer Gesellschaft. Wir unterscheiden zwischen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften.
Bei Personengesellschaften stehen die Personen im Vordergrund. Bei ihnen findet die Besteuerung mit dem persönlichen Steuersatz statt.
Natürlich haftet die Gesellschaft den Gläubigern mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Aber auch die Gesellschafter haften im Außenverhältnis neben der Gesellschaft für rechtsgeschäftlich begründete oder gesetzliche Verbindlichkeiten selbst, unmittelbar und mit ihrem Privatvermögen. Die Haftung trifft jeden Gesellschafter voll, Gläubiger müssen nicht erst die Gesellschaft oder auch andere Mitgesellschafter in Anspruch nehmen. Er kann danach zwar Regressansprüche geltend machen, jedoch helfen diese nicht viel, wenn bei der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern nichts zu holen ist.
Die bekanntesten Formen der Personengesellschaft sind die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die offene Handelsgesellschaft (OHG) und die Kommanditgesellschaft (KG).
3. Kapitalgesellschaften
Von den Personengesellschaften werden Kapitalgesellschaften unterschieden. Bei diesen verselbstständigt sich das Unternehmen zum Teil von den Gesellschaftern dahinter. Es existiert eine juristische Person, die ein eigenes Rechts- und Steuersubjekt ist.
Der Vorteil dieser juristischen Personen ist, dass ihren Gläubigern nur die Kapitalgesellschaft mit ihrem eigenen Vermögen haftet. Dies steht auch jeweils für die Gesellschaftsform im Gesetz: „Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern derselben nur das Gesellschaftsvermögen.“, heißt es sowohl in § 13 Abs. 2 GmbH-Gesetz als auch in § 1 Abs. 1 S. 1 Aktiengesetz.
Die Gesellschafter haften — unabhängig von der Höhe ihrer Beteiligung – somit nicht für Verbindlichkeiten ihrer Gesellschaft.
Die bekanntesten Formen der Kapitalgesellschaft sind die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die Unternehmergesellschaft (UG) als kleine Schwester der GmbH und die Aktiengesellschaft (AG), die auch den Handel von Aktien an Börsen möglich macht.
Durchgriffshaftung
Doch selbst mit einer Kapitalgesellschaft ist man vor Haftungsansprüchen nicht vollkommen geschützt. Es existieren durchaus Konstellationen, in denen es zur Durchgriffshaftung kommen kann.
Ein Klassiker ist die Haftung der Geschäftsführer für Pflichtverletzungen gegenüber der Gesellschaft gegenüber nach § 43 Abs. 2 GmbHG. Ist einer der Gesellschafter gleichzeitig Geschäftsführer, muss er für seine Handlungen als Geschäftsführer auch mit seinem privaten Vermögen haften.
Ähnliches gilt bei der Aufnahme von Fremdkapital. Möchte man für das Unternehmen einen Kredit aufnehmen, wird sich die Bank nicht auf das Gesellschaftsvermögen verlassen, sondern daneben noch eine zusätzliche Absicherung (in der Regel durch Bürgschaft, § 765 BGB) von den Gesellschaftern einholen. Da mittelständische Unternehmen in Deutschland zu weiten Teilen bankenfinanziert sind, kann man davon ausgehen, dass viele Gesellschafter – zumindest der Bank gegenüber – voll persönlich haften, sofern das Unternehmen nicht andere Sicherheiten (wie zum Beispiel Grundschulden auf Immobilien) stellen kann.
In der Praxis wird es häufig eine GmbH
In der Praxis hat sich die GmbH als Standard-Rechtsform etabliert. Auch ich empfehle sie häufig in der Beratung aus verschiedenen Gründen:
» Flexibilität: Eine GmbH ist vielseitig und kann für nahezu jeden Geschäftszweck, sogar für gemeinnützige Zwecke, genutzt werden.
» Steuergestaltung: Es gibt vielfältige steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten. Zahlungen an Gesellschafter können beispielsweise über Geschäftsführer-Gehälter und Gewinnausschüttungen erfolgen, was Vorteile bei der Steuerbelastung haben kann. Gewinne können thesauriert und erst später ausgeschüttet werden, der Aufbau einer Holding-Struktur kann in bestimmten Konstellationen zu einer Steuerstundung oder einer steuerlich vorteilhaften Reinvestition führen.
» Mitgesellschafter: Die Aufnahme neuer Gesellschafter ist in der GmbH durch die notarielle Beurkundungspflicht bei Anteilsübertragungen zwar aufwändiger, aber neue Gesellschafter gehen durch die Haftungsbeschränkung weniger Risiko in Bezug auf Altverbindlichkeiten ein.
» Verkauf und Nachfolge: Bei einer GmbH kann ein Verkauf durch Übertragung von Geschäftsanteilen (sog. Share Deal) erfolgen. Im Gegensatz dazu gibt es an einem Einzelunternehmen keine Anteile, so dass die Vermögenswerte einzeln übertragen werden müssen (sog. Asset Deal). Das kann in manchen Situationen zwar auch vorteilhaft sein, birgt aber auch gewisse Risiken wie den Übergang von wichtigen Verträgen.
» Haftungsbeschränkung: Letztlich ist es aber meistens doch die Haftungsbeschränkung auf die Höhe des Stammkapitals, die Unternehmer von der GmbH überzeugt.
Betriebswirtschaftliche und wirtschaftspolitische Aspekte der persönlichen Haftung
Es gibt also Rechtsformen mit persönlicher Haftung und Rechtsformen ohne persönliche Haftung. So weit, so einfach. Welche Rechtsform zum eigenen Unternehmen passt, ist hingegen eine sehr komplexe und individuelle Entscheidung.
Betriebswirtschaftlich und auch wirtschaftspolitisch darf man durchaus die Frage stellen, welche Auswirkungen eine Haftungsbeschränkung auf die Unternehmensführung hat und ob die persönliche Haftung eher wünschenswert ist oder dem Unternehmen schaden könnte. Für beides gibt es gute Argumente, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.
Pro persönliche Haftung
» Verantwortungsbewusstsein und Sorgfaltspflicht: Wenn Unternehmer persönlich haften, sind sie stärker motiviert, sorgfältig und verantwortungsvoll zu handeln. Die Angst vor persönlichen finanziellen Verlusten kann dazu führen, dass Entscheidungen mit mehr Bedacht und unter Berücksichtigung aller Risiken getroffen werden.
» Schutz der Gläubiger: Eine persönliche Haftung der Gesellschafter kann den Schutz der Gläubiger verbessern. Insbesondere in Krisenzeiten oder bei Insolvenzen haben Gläubiger bessere Chancen, Zahlungen auf ihre Forderungen zu erhalten.
» Vertrauen im Markt: Unternehmen, deren Eigentümer persönlich haften, könnten auf dem Markt als vertrauenswürdiger wahrgenommen werden. Dies könnte zu besseren Geschäftsbeziehungen und möglicherweise günstigeren Kreditkonditionen führen.
Contra persönliche Haftung
» Hemmnis für Innovation und Unternehmertum: Die Aussicht auf persönliche Haftung könnte viele potenzielle Unternehmer davon abhalten, ein Unternehmen zu gründen. Das Risiko, persönlich haftbar gemacht zu werden, könnte innovative Ideen und neue Geschäftsvorhaben im Keim ersticken.
» Einschränkung des Wachstums: Unternehmer könnten zögerlich sein, Risiken einzugehen, die für das Wachstum und den Erfolg eines Unternehmens notwendig sind. Dies könnte dazu führen, dass Unternehmen stagnieren und im (internationalen) Wettbewerb zurückbleiben.
» Komplexität und Bürokratie: Persönliche Haftung könnte zusätzliche administrative Hürden und rechtliche Komplexitäten mit sich bringen. Unternehmen müssten umfangreiche Compliance-Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Das Argument ist zugegebenermaßen recht schwach, da wir ohnehin umfangreiche Regulierung haben, die weitreichende Compliance-Maßnahmen erfordert.
Und nun?
Überraschung: Bei der Frage der persönlichen Haftung gibt es keinen klaren Gewinner oder Verlierer.
Die Diskussion über die persönliche Haftung von Unternehmern ist komplex und vielschichtig. Während sie eine stärkere Verantwortung und einen besseren Schutz für Gläubiger fördern könnte, birgt sie gleichzeitig das Risiko, Innovation und unternehmerisches Wachstum zu hemmen.
Natürlich möchten sich Unternehmer so gut wie möglich absichern und Rechtsanwälte möchten ihren Mandanten immer die Lösung ohne Haftung vorschlagen. Aber gerade auch bei der Rechtsformwahl gibt es keine One-fits-all-Lösung.
Für Wolfgang Grupp war die persönliche Haftung für „sein“ Unternehmen sicherlich die richtigte. Ich hatte die Freude, diese Unternehmerpersönlichkeit beim Käpsele Innovation Festival in Freiburg kennenzulernen. Mein darauf basierender LinkedIn-Beitrag hat eine lebhafte Diskussion zum Thema hervorgerufen, deren Lektüre ich Ihnen dringend ans Herz legen möchte. Und natürlich gilt: Diskutieren Sie gern mit!
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