Brauchen wir mehr persönliche Haftung von Unternehmern?

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Gesellschaftsrecht | 5. September 2024
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„Die Entschei­dungsträger müssen wieder in die Haf­tung“, sagte der Fam­i­lienun­ternehmer Wolf­gang Grupp kurz vor seinem Rück­zug als Chef von TRIGEMA, die Fam­i­lie führt das Tex­tilun­ternehmen per­sön­lich haf­tend weit­er. Doch ist die per­sön­liche Haf­tung für jeden Unternehmer das Richtige?

 

Wolf­gang Grupp ist ein bekan­nter deutsch­er Unternehmer und ehe­ma­liger Inhab­er von TRIGEMA W. Grupp KG (ehe­mals TRIGEMA Inh. W. Grupp e.K.). Trige­ma ist ein deutsches Tex­tilun­ternehmen, das vor allem dafür bekan­nt ist, dass es auss­chließlich in Deutsch­land pro­duziert. Bekan­nt gewor­den ist Grupp durch seine starke Per­sön­lichkeit und seine klaren Prinzip­i­en, vor deut­lichen Worten scheut er sich auch öffentlich nicht.

In den 70-er Jahren des ver­gan­genen Jahrhun­derts hat­te er das Unternehmen, das damals noch als GmbH geführt wurde, von seinem Vater über­nom­men. Doch er ist ein Ver­fechter des Prinzips, dass Unternehmer per­sön­lich haften müssten. Um dieses Prinzip auch zu leben, wan­delte er das Unternehmen um und führte es als einge­tra­gen­er Kauf­mann (eK) fort. Auch seit seinem Auss­chei­den Ende des Jahres 2023 wird es von sein­er Fam­i­lie als Kom­man­dit­ge­sellschaft inklu­sive per­sön­lich­er Haf­tung weit­erge­führt. Sein Sohn Wolf­gang Grupp jun. übern­immt dabei die Rolle des per­sön­lich haf­ten­den Gesellschafters (Kom­ple­men­tär), seine Frau Elis­a­beth Grupp und Tochter Boni­ta Grupp sind Kom­man­di­tis­ten mit beschränk­ter Haf­tung.

Die Debat­te über die per­sön­liche Haf­tung von Unternehmern sorgt immer wieder für Kon­tro­ver­sen. Während Befür­worter argu­men­tieren, dass per­sön­liche Haf­tung Diszi­plin und Ver­ant­wor­tung in der Geschäftswelt fördert, war­nen Geg­n­er vor den poten­ziell ver­heeren­den Auswirkun­gen auf Inno­va­tion und unternehmerischen Mut. Bevor ich einige wichtige Argu­mente für und gegen die per­sön­liche Haf­tung von Gesellschaftern in Unternehmen genauer betra­chte, gibt es ein wenig rechtlichen Kon­text zum The­ma.

 

Rechtliche Rah­menbe­din­gun­gen

Wer zivil­rechtlich einen Ver­trag abschließt und eine Leis­tung ver­spricht, haftet auch wirtschaftlich für diese Leis­tung und Schä­den, die dadurch eventuell entste­hen.

 

1. Einzelun­ternehmer und Kau­fleute

Die sim­pel­ste Form der wirtschaftlichen Betä­ti­gung natür­lich­er Per­so­n­en ist das Einzelun­ternehmen, da es sich dabei ein­fach um eine Per­son han­delt, die am Wirtschaft­sleben ohne beson­dere Rechts­form teil­nimmt. Lässt sich diese Per­son in das Han­del­sreg­is­ter ein­tra­gen, wird sie zum einge­tra­ge­nen Kauf­mann oder einge­tra­gen­er Kauf­frau. Einzelun­ternehmer und Kau­fleute haften den Gläu­bigern direkt mit ihrem Pri­vatver­mö­gen.

Einzelun­ternehmer oder Kauf­mann heißt dabei jedoch nicht, dass diese Per­so­n­en keine Arbeit­nehmer beschäfti­gen  kön­nten. Wie jedes andere Unternehmen kön­nen auch Einzelun­ternehmer­fes­tangestellte Mitar­beit­er haben.

 

2. Per­so­n­enge­sellschaften

Sind an der Unternehmung mehrere Per­so­n­en als Inhab­er beteiligt, spricht man von ein­er Gesellschaft. Wir unter­schei­den zwis­chen Per­so­n­enge­sellschaften und Kap­i­talge­sellschaften.

Bei Per­so­n­enge­sellschaften ste­hen die Per­so­n­en im Vorder­grund. Bei ihnen find­et die Besteuerung mit dem per­sön­lichen Steuer­satz statt.

Natür­lich haftet die Gesellschaft den Gläu­bigern mit ihrem Gesellschaftsver­mö­gen. Aber auch die Gesellschafter haften im Außen­ver­hält­nis neben der Gesellschaft für rechts­geschäftlich begrün­dete oder geset­zliche Verbindlichkeit­en selb­st, unmit­tel­bar und mit ihrem Pri­vatver­mö­gen. Die Haf­tung trifft  jeden Gesellschafter voll, Gläu­biger müssen nicht erst die Gesellschaft oder auch andere Mit­ge­sellschafter in Anspruch nehmen. Er kann danach zwar Regres­sansprüche gel­tend machen, jedoch helfen diese nicht viel, wenn bei der Gesellschaft und den Mit­ge­sellschaftern nichts zu holen ist.

Die bekan­ntesten For­men der Per­so­n­enge­sellschaft sind die Gesellschaft bürg­er­lichen Rechts (GbR), die offene Han­dels­ge­sellschaft (OHG) und die Kom­man­dit­ge­sellschaft (KG).

 

3. Kap­i­talge­sellschaften

Von den Per­so­n­enge­sellschaften wer­den Kap­i­talge­sellschaften unter­schieden. Bei diesen verselb­st­ständigt sich das Unternehmen zum Teil von den Gesellschaftern dahin­ter. Es existiert eine juris­tis­che Per­son, die ein eigenes Rechts- und Steuer­sub­jekt ist.

Der Vorteil dieser juris­tis­chen Per­so­n­en ist, dass ihren Gläu­bigern nur die Kap­i­talge­sellschaft mit ihrem eige­nen Ver­mö­gen haftet. Dies ste­ht auch jew­eils für die Gesellschafts­form im Gesetz: Für die Verbindlichkeit­en der Gesellschaft haftet den Gläu­bigern der­sel­ben nur das Gesellschaftsver­mö­gen.“, heißt es sowohl in § 13 Abs. 2 GmbH-Gesetz als auch in § 1 Abs. 1 S. 1 Aktienge­setz.

Die Gesellschafter haften — unab­hängig von der Höhe ihrer Beteili­gung – somit nicht für Verbindlichkeit­en ihrer Gesellschaft.

Die bekan­ntesten For­men der Kap­i­talge­sellschaft sind die Gesellschaft mit beschränk­ter Haf­tung (GmbH), die Unternehmerge­sellschaft (UG) als kleine Schwest­er der GmbH und die Aktienge­sellschaft (AG), die auch den Han­del von Aktien an Börsen möglich macht.

 

Durch­griff­shaf­tung

Doch selb­st mit ein­er Kap­i­talge­sellschaft ist man vor Haf­tungsansprüchen nicht vol­lkom­men geschützt. Es existieren dur­chaus Kon­stel­la­tio­nen, in denen es zur Durch­griff­shaf­tung kom­men kann.

Ein Klas­sik­er ist die Haf­tung der Geschäfts­führer für Pflichtver­let­zun­gen gegenüber der Gesellschaft gegenüber nach § 43 Abs. 2 Gmb­HG. Ist ein­er der Gesellschafter gle­ichzeit­ig Geschäfts­führer, muss er für seine Hand­lun­gen als Geschäfts­führer auch mit seinem pri­vat­en Ver­mö­gen haften.

Ähn­lich­es gilt bei der Auf­nahme von Fremd­kap­i­tal. Möchte man für das Unternehmen einen Kred­it aufnehmen, wird sich die Bank nicht auf das Gesellschaftsver­mö­gen ver­lassen, son­dern daneben noch eine zusät­zliche Absicherung (in der Regel durch Bürgschaft, § 765 BGB) von den Gesellschaftern ein­holen. Da mit­tel­ständis­che Unternehmen in Deutsch­land zu weit­en Teilen banken­fi­nanziert sind, kann man davon aus­ge­hen, dass viele Gesellschafter – zumin­d­est der Bank gegenüber – voll per­sön­lich haften, sofern das Unternehmen nicht andere Sicher­heit­en (wie zum Beispiel Grund­schulden auf Immo­bilien) stellen kann.

 

In der Prax­is wird es häu­fig eine GmbH

In der Prax­is hat sich die GmbH als Stan­dard-Rechts­form etabliert. Auch ich empfehle sie häu­fig in der Beratung aus ver­schiede­nen Grün­den:

» Flex­i­bil­ität: Eine GmbH ist viel­seit­ig und kann für nahezu jeden Geschäft­szweck, sog­ar für gemein­nützige Zwecke, genutzt wer­den.

» Steuergestal­tung: Es gibt vielfältige steuer­liche Gestal­tungsmöglichkeit­en. Zahlun­gen an Gesellschafter kön­nen beispiel­sweise über Geschäfts­führer-Gehäl­ter und Gewin­nauss­chüt­tun­gen erfol­gen, was Vorteile bei der Steuer­be­las­tung haben kann. Gewinne kön­nen the­sauri­ert und erst später aus­geschüt­tet wer­den, der Auf­bau ein­er Hold­ing-Struk­tur kann in bes­timmten Kon­stel­la­tio­nen zu ein­er Steuer­stun­dung oder ein­er steuer­lich vorteil­haften Rein­vesti­tion führen.

» Mit­ge­sellschafter: Die Auf­nahme neuer Gesellschafter ist in der GmbH durch die notarielle Beurkun­dungspflicht bei Anteil­süber­tra­gun­gen zwar aufwändi­ger, aber neue Gesellschafter gehen durch die Haf­tungs­beschränkung weniger Risiko in Bezug auf Altverbindlichkeit­en ein.

» Verkauf und Nach­folge: Bei ein­er GmbH kann ein Verkauf durch Über­tra­gung von Geschäft­san­teilen (sog. Share Deal) erfol­gen. Im Gegen­satz dazu gibt es an einem Einzelun­ternehmen keine Anteile, so dass die Ver­mö­genswerte einzeln über­tra­gen wer­den müssen (sog. Asset Deal). Das kann in manchen Sit­u­a­tio­nen zwar auch vorteil­haft sein, birgt aber auch gewisse Risiken wie den Über­gang von wichti­gen Verträ­gen.

» Haf­tungs­beschränkung: Let­ztlich ist es aber meis­tens doch die Haf­tungs­beschränkung auf die Höhe des Stammkap­i­tals, die Unternehmer von der GmbH überzeugt.

 

Betrieb­swirtschaftliche und wirtschaft­spoli­tis­che Aspek­te der per­sön­lichen Haf­tung

Es gibt also Rechts­for­men mit per­sön­lich­er Haf­tung und Rechts­for­men ohne per­sön­liche Haf­tung. So weit, so ein­fach. Welche Rechts­form zum eige­nen Unternehmen passt, ist hinge­gen eine sehr kom­plexe und indi­vidu­elle Entschei­dung.

Betrieb­swirtschaftlich und auch wirtschaft­spoli­tisch darf man dur­chaus die Frage stellen, welche Auswirkun­gen eine Haf­tungs­beschränkung auf die Unternehmensführung hat und ob die per­sön­liche Haf­tung eher wün­schenswert ist oder dem Unternehmen schaden kön­nte. Für bei­des gibt es gute Argu­mente, die keinen Anspruch auf Voll­ständigkeit erheben.

 

Pro per­sön­liche Haf­tung

» Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein und Sorgfalt­spflicht: Wenn Unternehmer per­sön­lich haften, sind sie stärk­er motiviert, sorgfältig und ver­ant­wor­tungsvoll zu han­deln. Die Angst vor per­sön­lichen finanziellen Ver­lus­ten kann dazu führen, dass Entschei­dun­gen mit mehr Bedacht und unter Berück­sich­ti­gung aller Risiken getrof­fen wer­den.

» Schutz der Gläu­biger: Eine per­sön­liche Haf­tung der Gesellschafter kann den Schutz der Gläu­biger verbessern. Ins­beson­dere in Krisen­zeit­en oder bei Insol­ven­zen haben Gläu­biger bessere Chan­cen, Zahlun­gen auf ihre Forderun­gen zu erhal­ten.

» Ver­trauen im Markt: Unternehmen, deren Eigen­tümer per­sön­lich haften, kön­nten auf dem Markt als ver­trauenswürdi­ger wahrgenom­men wer­den. Dies kön­nte zu besseren Geschäfts­beziehun­gen und möglicher­weise gün­stigeren Kred­itkon­di­tio­nen führen.

 

Con­tra per­sön­liche Haf­tung

» Hemm­nis für Inno­va­tion und Unternehmer­tum: Die Aus­sicht auf per­sön­liche Haf­tung kön­nte viele poten­zielle Unternehmer davon abhal­ten, ein Unternehmen zu grün­den. Das Risiko, per­sön­lich haft­bar gemacht zu wer­den, kön­nte inno­v­a­tive Ideen und neue Geschäftsvorhaben im Keim erstick­en.

» Ein­schränkung des Wach­s­tums: Unternehmer kön­nten zöger­lich sein, Risiken einzuge­hen, die für das Wach­s­tum und den Erfolg eines Unternehmens notwendig sind. Dies kön­nte dazu führen, dass Unternehmen stag­nieren und im (inter­na­tionalen) Wet­tbe­werb zurück­bleiben.

» Kom­plex­ität und Bürokratie: Per­sön­liche Haf­tung kön­nte zusät­zliche admin­is­tra­tive Hür­den und rechtliche Kom­plex­itäten mit sich brin­gen. Unternehmen müssten umfan­gre­iche Com­pli­ance-Maß­nah­men ergreifen, um sicherzustellen, dass alle geset­zlichen Vor­gaben einge­hal­ten wer­den. Das Argu­ment ist zugegeben­er­maßen recht schwach, da wir ohne­hin umfan­gre­iche Reg­ulierung haben, die weitre­ichende Com­pli­ance-Maß­nah­men erfordert.

 

Und nun?

Über­raschung: Bei der Frage der per­sön­lichen Haf­tung gibt es keinen klaren Gewin­ner oder Ver­lier­er.

Die Diskus­sion über die per­sön­liche Haf­tung von Unternehmern ist kom­plex und vielschichtig. Während sie eine stärkere Ver­ant­wor­tung und einen besseren Schutz für Gläu­biger fördern kön­nte, birgt sie gle­ichzeit­ig das Risiko, Inno­va­tion und unternehmerisches Wach­s­tum zu hem­men.

Natür­lich möcht­en sich Unternehmer so gut wie möglich absich­ern und Recht­san­wälte möcht­en ihren Man­dan­ten immer die Lösung ohne Haf­tung vorschla­gen. Aber ger­ade auch bei der Rechts­formwahl gibt es keine One-fits-all-Lösung.

 

Für Wolf­gang Grupp war die per­sön­liche Haf­tung für „sein“ Unternehmen sicher­lich die richtigte. Ich hat­te die Freude, diese Unternehmer­per­sön­lichkeit beim Käpse­le Inno­va­tion Fes­ti­val in Freiburg ken­nen­zuler­nen. Mein darauf basieren­der LinkedIn-Beitrag hat eine leb­hafte Diskus­sion zum The­ma her­vorgerufen, deren Lek­türe ich Ihnen drin­gend ans Herz leg­en möchte. Und natür­lich gilt: Disku­tieren Sie gern mit!

 

 

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