BAG zur Urlaubsabgeltung: Ansprüche bei Elternzeit besser rechtzeitig kürzen

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Arbeitsrecht | 25. Oktober 2024
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Arbeit­ge­ber kön­nen den Erhol­ung­surlaub von Mitar­beit­ern und Mitar­bei­t­erin­nen in Elternzeit für jeden vollen Monat der Elternzeit um 1/12 kürzen. Von dieser Möglichkeit müssen sie aber aktiv und rechtzeit­ig Gebrauch machen. Das Bun­de­sar­beits­gericht stellt in einem aktuellen Urteil klar, wie und wann die Kürzung erfol­gen muss – und wann sie zu spät ist.

 

In dem Fall, über den das Bun­de­sar­beits­gericht zu entschei­den hat­te (BAG, Urt. vom 16.04.2024, Az. 9 AZR 165/23) musste der Arbeit­ge­ber nach der Beendi­gung des Arbeitsver­hält­niss­es ein­er Arbeit­nehmerin 146 Urlaub­stage abgel­ten. Knapp 25.000 Euro zuzüglich Zin­sen wur­den fäl­lig, obwohl die Arbeit­nehmerin nur noch einen Tag Resturlaub hat­te, als sie in den Mut­ter­schutz gegan­gen war und dann bis zum Ende des Arbeitsver­hält­niss­es nicht mehr gear­beit­et hat­te.

Es ging um eine Kon­stel­la­tion, die so oder so ähn­lich häu­fig vorkom­men dürfte: Die Arbeit­nehmerin hat­te Anspruch auf 29 Urlaub­stage im Jahr. Mit ihrem ersten Kind war sie ab Ende August 2015 im Mut­ter­schutz. Im Anschluss an die mut­ter­schutzrechtlichen Beschäf­ti­gungsver­bote ging sie in Elternzeit. Sie wurde – noch in der Elternzeit für das erste Kind — erneut schwanger und nahm für das zweite Kind Elternzeit bis zum Ende des Arbeitsver­hält­niss­es am 25. Novem­ber 2020. Danach ver­langte sie Urlaub­sabgel­tung für 146 Tage.

Das BAG gab ihr – so wie schon die Vorin­stanzen – Recht: Der Arbeit­ge­ber hat­te von sein­er Kürzungsmöglichkeit für die Elternzeit nicht rechtzeit­ig Gebrauch gemacht. Der Anspruch der ehe­ma­li­gen Arbeit­nehmerin war auch noch nicht ver­jährt. Als Ent­gelt war das durch­schnit­tliche Ent­gelt der let­zten 13 Wochen vor Beendi­gung des Arbeitsver­hält­niss­es zugrunde zu leg­en. Die Elternzeit bleibt außen vor.

 

Erhol­ung­surlaub in Mut­ter­schutz und Elternzeit

Auch während eines mut­ter­schutzrechtlichen Beschäf­ti­gungsver­bots erwer­ben Arbeit­nehmerin­nen Urlaub­sansprüche. Soweit eine Frau ihren Urlaub wegen des Mut­ter­schutzes nicht voll­ständig nehmen kann, kann sie das im laufend­en oder darauf fol­gen­den Urlaub­s­jahr nach­holen, § 24 MuSchG. Der Urlaub ver­fällt also nicht nach der all­ge­meinen Regel des § 7 Abs. 3 BUrlG zum 31. März des Fol­ge­jahres.

Eine ähn­liche Regelung gilt für die Elternzeit, § 17 Abs. 2 BEEG. Dann kann der Arbeit­ge­ber allerd­ings — anders als bei Beschäf­ti­gungsver­boten nach dem MuSchG – für jeden vollen Monat der Elternzeit den Erhol­ung­surlaub um jew­eils 1/12 kürzen, § 17 Abs. 1 BEEG. Er muss die Kürzung nicht aus­drück­lich erk­lären, auch eine schlüs­sige oder stillschweigende Erk­lärung kann aus­re­ichen, wenn sich daraus der Kürzungswille objek­tiv und deut­lich ergibt, etwa indem er nur einen gekürzten Urlaub gewährt (BAG, Urt. v. 05.07.2022, Az. 9 AZR 341/21).

 

Wann muss der Arbeit­ge­ber aktiv wer­den?

Wichtig ist der Zeit­punkt, zu dem der Arbeit­ge­ber die Kürzung erk­lärt: Im laufend­en Arbeitsver­hält­nis kann dies vor, während oder nach Ablauf der Elternzeit geschehen, jedoch früh­estens dann, wenn der Arbeit­nehmer oder die Arbeit­nehmerin eine konkrete Elternzeit ver­langt. Denn erst dann weiß der Arbeit­ge­ber über­haupt, wie lange Elternzeit genom­men wird und auf welchen Zeitraum sich eine Kürzung erstreck­en kann. Die Kürzung kann sich nur auf eine bes­timmte Elternzeit beziehen, also nicht pauschal „im Voraus“ erk­lärt wer­den (BAG, Urt. v. 19.03.2019, Az. 9 AZR 495/17).

Ist das Arbeitsver­hält­nis been­det, wan­delt sich der Urlaub­sanspruch in einen Abgel­tungsanspruch um, § 7 Abs. 4 BUrlG. Dieser kann nicht mehr gekürzt wer­den. Darauf weist das BAG in sein­er aktuellen Entschei­dung aus­drück­lich hin. Endet das Arbeitsver­hält­nis, ist also keine rück­wirk­ende Kürzung mehr möglich.

 

Noch nicht fäl­liger Urlaub kann wed­er ver­fall­en noch ver­jähren

Im Fall des BAG kon­nte sich der Arbeit­ge­ber auch nicht auf Ver­jährung berufen: Vor Ablauf der zweit­en Elternzeit war der Urlaub­sanspruch wegen der Regelun­gen in § 24 MuSchG bzw. § 17 Abs. 1 BEEG noch nicht ein­mal fäl­lig. Er kon­nte deshalb auch noch nicht ver­jähren, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

Da kam es schon nicht mehr darauf an, dass der Arbeit­ge­ber sein­er Mitwirkung­sobliegen­heit in dem Fall nicht nachgekom­men war. Er hat­te die Arbeit­nehmerin näm­lich auch nicht rechtzeit­ig aufge­fordert, ihren Urlaub zu nehmen.

 

Rechtzeit­ig richtig reagieren

Der Arbeit­ge­ber ver­suchte sich noch mit dem Argu­ment zu vertei­di­gen, dass das Urlaub­sent­gelt mit „Null“ anzuset­zen sei, weil die ehe­ma­lige Arbeit­nehmerin während der Elternzeit kein Gehalt bezo­gen habe. Dass er die Gerichte mit diesem Argu­ment nicht überzeu­gen kon­nte, war abse­hbar: Ver­di­en­stkürzun­gen wegen unver­schulde­ter Arbeitsver­säum­nis wirken sich auf die Höhe des Urlaub­sent­geltes nicht aus, § 11 Abs. 1 S. 3 BurlG, und Elternzeit in Anspruch zu nehmen, ist wed­er rechtswidrig noch schuld­haft.

Die Kürzung des Erhol­ung­surlaubs während der Elternzeit darf also nicht zu früh und nicht zu spät erk­lärt wer­den. Am besten soll­ten Unternehmen dies in dem Schreiben tun, mit dem sie die Inanspruch­nahme von Elternzeit bestäti­gen. Das erspart bei­den Seit­en böse Über­raschun­gen. Eine Kopie mit Emp­fangsquit­tung durch den Arbeit­nehmer bzw. die Arbeit­nehmerin sollte zu Doku­men­ta­tion­szweck­en zur Per­son­alak­te genom­men wer­den.

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