Wettbewerbsregister für öffentliche Aufträge: Öffentliche Auftraggeber müssen abfragen, Unternehmen dürfen Auskunft verlangen

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Seit dem 1. Juni müssen öffentliche Auf­tragge­ber das Wet­tbe­werb­sreg­is­ter kon­sul­tieren, wenn sie Aufträge auss­chreiben. Wann sie Unternehmen, die dort wegen Fehlver­hal­tens gelis­tet sind, auss­chließen müssen und was die Unternehmen gegen eine Ein­tra­gung tun kön­nen, zeigen Diana Felsen­stein und Dr. Wolf­gang Heinze.

Unternehmen, die wegen Wirtschafts­de­lik­ten oder ander­er erhe­blich­er Straftat­en oder Ver­fehlun­gen recht­skräftig verurteilt wor­den sind, sind nach gel­ten­dem Ver­gaberecht grund­sät­zlich von öffentlichen Auss­chrei­bun­gen auszuschließen (§§ 123, 124 des Geset­zes gegen Wet­tbe­werb­s­beschränkun­gen, GWB). Ob Bieterun­ternehmen solche Ver­fehlun­gen began­gen haben, kön­nen öffentliche Auf­tragge­ber seit Dezem­ber 2021 dem sog. Wet­tbe­werb­sreg­is­ter ent­nehmen.

Seit dem 1. Dezem­ber 2021 müssen alle Strafver­fol­gungs­be­hör­den sowie zur Ver­fol­gung von Ord­nungswidrigkeit­en berufene Behör­den reg­is­ter­rel­e­vante Straftat­en und Ord­nungswidrigkeit­en von Unternehmen und ihrem ver­ant­wortlichen Per­son­al melden, öffentliche Auf­tragge­ber kön­nen das Wet­tbe­werb­sreg­is­ter seit­dem ein­se­hen. Nun wird aus dieser Möglichkeit eine Pflicht für die öffentliche Hand.

Seit dem 1. Juni 2022 müssen

  • öffentliche Auf­tragge­ber ab einem Auf­tragswert von € 30.000,00,
  • Sek­tore­nauf­tragge­ber und Konzes­sion­s­ge­ber ab Erre­ichen der EU-Schwellen­werte

das Wet­tbe­werb­sreg­is­ter abfra­gen, bevor sie den Zuschlag in Ver­gabev­er­fahren erteilen (§ 6 Abs. 1 Wet­tbe­werb­sreg­is­terge­setz (WRegG). Für Auf­tragge­ber wie auch für betrof­fene Unternehmen gilt es nun einiges zu beacht­en.

Was das Wettbewerbsregister ist

Das Wet­tbe­werb­sreg­is­ter ist eine elek­tro­n­is­che Daten­bank, die vom Bun­deskartel­lamt bun­desweit geführt wird. Dort wer­den Unternehmen einge­tra­gen, denen Wirtschaftsstraftat­en zugerech­net wer­den kön­nen. So soll der faire Wet­tbe­werb im Rah­men von Ver­gabev­er­fahren für öffentliche Aufträge und Konzes­sio­nen geschützt wer­den.

Das Reg­is­ter soll zur Kor­rup­tion­spräven­tion und zur Eindäm­mung von Wirtschaftsstraftat­en beitra­gen. Öffentliche Auf­tragge­ber wie Gemein­den oder Lan­des- und Bun­des­be­hör­den müssen durch Abfrage des Reg­is­ters Ein­tra­gun­gen bei ihrer Ver­gabeentschei­dung berück­sichti­gen. So soll ver­mieden wer­den, dass Unternehmen, denen Rechtsver­stöße zugerech­net wer­den kön­nen, öffentliche Aufträge erhal­ten.

Wer ins Wettbewerbsregister kommt

In das Wet­tbe­werb­sreg­is­ter wer­den Unternehmen einge­tra­gen, denen bes­timmte Wirtschafts­de­lik­te zuzurech­nen sind, über die eine recht­skräftige Entschei­dung deutsch­er Gerichte oder Behör­den ergan­gen ist. Einge­tra­gen wer­den also strafgerichtliche Verurteilun­gen von Per­so­n­en, die für das Unternehmen han­deln, Straf­be­fehle gegen diese sowie Bußgeldentschei­dun­gen, die gegen das Unternehmen erlassen wur­den.

Einge­tra­gen wer­den gem. § 2 Abs. 1 und 2 WRegG unter anderem:

  • Betrug und Sub­ven­tions­be­trug nach §§ 263, 264 Strafge­set­zbuch (StGB), soweit sich die Straftat gegen öffentliche Haushalte richtete,
  • wet­tbe­werb­s­beschränk­ende Absprachen bei Auss­chrei­bun­gen nach § 298 StGB,
  • außer­dem die in § 123 GWB genan­nten Straftat­en, wie z.B. die Bil­dung ter­ror­is­tis­ch­er Vere­ini­gun­gen, Ter­ror­is­mus­fi­nanzierung, Geld­wäsche, Bestech­lichkeit und Bestechung und Men­schen­han­del (zwin­gende Auss­chlussgründe), sowie
  • Steuer­hin­terziehung gem. § 370 Abgabenord­nung (AO),
  • Voren­thal­ten und Verun­treuen von Arbeit­sent­gelt gem. § 266a StGB sowie
  • son­stige kartell­rechtliche Ord­nungswidrigkeit­en gem. § 81 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 1 GWB.

Was ins Wettbewerbsregister kommt

Einge­tra­gen wer­den in das Reg­is­ter wer­den zum einen Details der Entschei­dung, die zur Ein­tra­gung führt, u.a. der ver­wirk­lichte Straftatbe­stand, rel­e­vante Dat­en zur Recht­skraft und zu den ver­hängten Sank­tio­nen. Dort find­en sich aber auch per­so­n­en­be­zo­gene Dat­en der ver­ant­wortlichen Per­son, gegen die sich die Entschei­dung richtet, sowie Infor­ma­tio­nen zur Zurech­nung ihrer Tat an das Unternehmen.

Weit­er enthält eine Ein­tra­gung die Iden­ti­fizierungsmerk­male des betrof­fe­nen Unternehmens, u.a. Anschrift, Han­del­sreg­is­ter­num­mer und Umsatzs­teuer-ID.

Wann Unternehmen eine Eintragung verhindern können

Vor der Ein­tra­gung in das Wet­tbe­werb­sreg­is­ter informiert die Reg­is­ter­be­hörde das betrof­fene Unternehmen über den Inhalt der geplanten Ein­tra­gung. Das Unternehmen kann sich dann bin­nen zwei Wochen zu der geplanten Ein­tra­gung äußern.

Kann das Unternehmen nach­weisen, dass die über­mit­tel­ten Dat­en fehler­haft sind oder es sich ein Fehlver­hal­ten von Führungsper­son­al nicht zurech­nen lassen muss, erfol­gt entwed­er keine Ein­tra­gung oder bere­its vorhan­dene fehler­hafte Dat­en wer­den kor­rigiert (§ 5 Abs. 1 S. 1, 2 WRegG).

Wer das Register abfragen darf

Da die Dat­en im Wet­tbe­werb­sreg­is­ter ver­traulich sind, dür­fen Auskün­fte nur gegenüber Bedi­en­steten des öffentlichen Auf­tragge­bers erteilt (§ 6 Abs. 4 WRegG) und nur für die konkrete Ver­gabeentschei­dung ver­wen­det wer­den. Deshalb müssen öffentliche Auf­tragge­ber sich vor­ab reg­istri­eren. Das Bun­deskartel­lamt als Reg­is­ter­be­hörde hat hier­für einen Leit­faden entwick­elt, auch das Vorge­hen bei der Abfrage des Reg­is­ters erk­lärt das Kartel­lamt in einem weit­eren Leit­faden.

Unternehmen haben gem. § 5 Abs. 2 S. 1 WRegG einen Anspruch auf Selb­stauskun­ft, den Antrag kön­nen sie schriftlich oder elek­tro­n­isch stellen. Für die Auskun­ft wird eine Gebühr von € 20,00 erhoben. Pro Jahr kann jedes Unternehmen einen Antrag stellen (§ 5 Abs. 2 S. 2 WRegG).

Bevollmächtigte Recht­san­wälte der Unternehmen, die in das Wet­tbe­werb­sreg­is­ter einge­tra­gen sind oder von ein­er geplanten Ein­tra­gung betrof­fen sind, haben wiederum ein Recht auf unbeschränk­te Aktenein­sicht gem. § 5 Abs. 6 WRegG.

Wann eine Eintragung zum Ausschluss von Vergabeverfahren führt

Erfol­gt eine Ein­tra­gung im Wet­tbe­werb­sreg­is­ter, kön­nen öffentliche Auf­tragge­ber von den Infor­ma­tio­nen erfahren, die nach §§ 124, 124 GWB zu einem Auss­chluss von Ver­gabev­er­fahren führen kön­nen. Das  führt jedoch nicht automa­tisch zum Auss­chluss des Unternehmens und auch nicht zu ein­er generellen Ver­gabe­sperre für einen bes­timmten Zeitraum.

Der öffentliche Auf­tragge­ber entschei­det vielmehr eigen­ver­ant­wortlich nach eigen­em Ermessen darüber, ob er das Unternehmen von der Teil­nahme an einem Ver­gabev­er­fahren auss­chließen will (§ 6 Abs. 5 WRegG), trifft also eine Einzelfal­l­entschei­dung. Verneint er wegen ein­er Ein­tra­gung die Eig­nung eines Bieters und schließt diesen deshalb vom Ver­gabev­er­fahren aus, kann der Bieter das bei Ober­schwellen-Ver­gaben rügen und einen Nach­prü­fungsantrag bei der zuständi­gen Ver­gabekam­mer stellen.

Ein echt­es Entschei­dungser­messen hat der Auf­tragge­ber allerd­ings nur, wenn für das betrof­fene Unternehmen nur ein fakul­ta­tiv­er Auss­chlussgrund nach § 124 GWB gegeben ist. Ein fakul­ta­tiv­er Auss­chlussgrund gem. § 124 Abs. 1 GWB liegt z.B. unter anderem vor,

  • wenn das Unternehmen bei der Aus­führung öffentlich­er Aufträge nach­weis­lich gegen gel­tende umwelt‑, sozial- oder arbeit­srechtliche Verpflich­tun­gen ver­stoßen hat, Nr. 1,
  • das Unternehmen zahlung­sun­fähig ist, über das Ver­mö­gen des Unternehmens ein Insol­ven­zver­fahren beantragt oder eröffnet wor­den ist, Nr. 2, oder
  • der öffentliche Auf­tragge­ber über hin­re­ichende Anhalt­spunk­te ver­fügt, dass das Unternehmen mit anderen Unternehmen Vere­in­barun­gen getrof­fen oder Ver­hal­tensweisen aufeinan­der abges­timmt hat, die eine Ver­fälschung des Wet­tbe­werbs bewirken, Nr. 4

Wann Auftraggeber Unternehmen ausschließen müssen

Stellt eine Ein­tra­gung hinge­gen einen zwin­gen­den Auss­chlussgrund i.S.d. § 123 GWB dar, muss der Auf­tragge­ber das Unternehmen in der Regel von dem Ver­gabev­er­fahren auss­chließen.

Ein zwin­gen­der Auss­chlussgrund in diesem Sinne liegt bei recht­skräfti­gen Verurteilun­gen des Führungsper­son­als eines Unternehmens vor oder wenn gegen das Unternehmen recht­skräftig eine Geld­buße gem. § 30 OWiG fest­ge­set­zt wor­den ist. Als Straftatbestände, aus denen ein solch­er Auss­chlussgrund fol­gt, nen­nt § 123 Abs. 1 GWB unter anderem die Bil­dung krim­ineller Vere­ini­gun­gen, § 129 StGB, Geld­wäsche, § 261 StGB, Betrug, § 263 StGB und diverse Bestechungs­de­lik­te, §§ 299 ff. StGB.

Trotz­dem vom Auss­chluss abse­hen kön­nten Auf­tragge­ber nur in den Aus­nah­me­fällen des § 123 Abs. 5 GWB, wenn eine Beteili­gung des Unternehmens also trotz dessen Fehlver­hal­tens aus zwin­gen­den Grün­den des öffentlichen Inter­ess­es geboten ist.

Diese Aus­nah­mevorschrift ist eng auszule­gen. Dafür reicht es nicht aus, dass die Teil­nahme des Unternehmens sin­nvoll erscheint, dieses den gün­stig­sten Preis ange­boten hat oder über­haupt der einzige Bieter in einem Ver­gabev­er­fahren ist. Die Geset­zes­be­grün­dung nen­nt als mögliche Aus­nahme, die es aus­nahm­sweise recht­fer­ti­gen kön­nte, ein zwin­gend auszuschließen­des Unternehmen weit­er­hin als Bieter zuzu­lassen, dass nur dieses Unternehmen drin­gend benötigte Impf­stoffe beschaf­fen kön­nte.  Das Beispiel zeigt, dass diese Aus­nah­men in aller Regel nicht greifen wer­den.

Wie Unternehmen aus dem Wettbewerbsregister rauskommen

Die Ein­tra­gun­gen bleiben nicht auf ewig im Wet­tbe­werb­sreg­is­ter. Sie müssen bei zwin­gen­den Auss­chlussgrün­den fünf Jahre nach der recht­skräfti­gen Verurteilung, bei fakul­ta­tiv­en Grün­den drei Jahre nach dem vor­w­erf­baren Ereig­nis gelöscht wer­den. Für betrof­fene Unternehmen emp­fiehlt es sich, die Fris­ten zu kon­trol­lieren und nach Fristablauf die Löschung zu beantra­gen.

Vor Ablauf dieser Fris­ten kön­nen Unternehmen die Berich­ti­gung oder Löschung im Reg­is­ter anre­gen, wenn die Ein­tra­gung offen­sichtlich fehler­haft ist (§ 4 Abs. 2 S. 2 WRegG).

Auch wenn Unternehmen eine Selb­streini­gung nach­weisen kön­nen, die den ver­gaberechtlichen Anforderun­gen genügt (§ 123 Abs. 2 S. 2, § 125 GWB), kön­nen sie die vorzeit­ige Löschung der Ein­tra­gung beantra­gen (§§ 8, 10 WRegG) und ggf. gerichtlich durch­set­zen, falls sie abgelehnt wird. Mit Blick auf die erhe­bliche wirtschaftliche Bedeu­tung eines Auss­chlusses von der Teil­nahme an Ver­gabev­er­fahren ist eine Beschw­erde beim Ober­lan­des­gericht Düs­sel­dorf möglich.

  • Tipp: Das Vorge­hen gegen eine unrichtige Ein­tra­gung hat mit der Entschei­dung eines öffentlichen Auf­tragge­bers in einem laufend­en Ver­gabev­er­fahren nichts zu tun. Unternehmen müssen deshalb zur Absicherung ihrer Recht­spo­si­tion eventuell par­al­lel zwei Rechts­be­helfe ein­le­gen: die Beschw­erde gegen die unter­lassene Löschung und einen Nach­prü­fungsantrag gegen die neg­a­tive Entschei­dung des Auf­tragge­bers. Bei­de sind nur bin­nen enger, nicht ver­länger­bar­er Fris­ten möglich, so dass Unternehmen das Wet­tbe­werb­sreg­is­ter und ihre Ein­tra­gung dort aktiv begleit­en soll­ten.

Diana Felsen­stein berät sowohl Unternehmen als auch Kom­munen und Pri­vat­per­so­n­en im Öffentlichen Recht. Sie ver­tritt ihre Man­dan­ten außerg­erichtlich sowie vor Gericht. Zu ihren Schw­er­punk­ten gehört u.a. die Beratung und Vertre­tung von öffentlichen Auf­tragge­bern oder Auf­trag­nehmern bei der Gestaltung/Durchführung von bzw. der Teil­nahme an Ver­gabev­er­fahren.

Dr. Wolf­gang Heinze ist Part­ner bei SNP Schlaw­ien Recht­san­wälte. Der Fachan­walt für Han­dels- und Gesellschaft­srecht sowie für Ver­gaberecht berät schw­er­punk­t­mäßig mit­tel­ständis­che Unternehmen sowie Tochterge­sellschaften und Nieder­las­sun­gen deutsch­er und aus­ländis­ch­er Konz­erne in allen Fra­gen des Han­dels- und Gesellschaft­srechtshttps://de.linkedin.com/in/wolfgang-heinze-a935a324

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