Mehr Pflichten, schärfere Haftung: Jetzt kommt die EU-Lieferkettenrichtlinie

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Wäh­rend es in Deutsch­land Über­le­gun­gen gab, das deut­sche Lie­fer­ket­ten­ge­setz aus­zu­set­zen, ist Anfang Juli schon die EU-Lie­fer­ket­ten­richt­li­nie in Kraft getre­ten. Sie ver­langt mehr Umwelt­schutz und dehnt die Lie­fer­ket­te aus. Wel­che Pflich­ten neu sind und wel­che Risi­ken für Lei­tungs­per­so­nal in Unter­neh­men noch grö­ßer wer­den.

 

Konn­ten wir Anfang März nur berich­ten, dass sich die Ver­ab­schie­dung der EU-Richt­li­nie über Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten wohl ver­zö­gern könn­te, ging es in danach plötz­lich doch recht schnell: Die Cor­po­ra­te Sus­taina­bi­li­ty Due Dili­gence Direc­ti­ve (CSDDD) wur­de nach Bera­tun­gen am 24. April im Euro­päi­schen Par­la­ment und am 24. Mai im Euro­päi­schen Rat schließ­lich am 13. Juni ver­ab­schie­det. Am 5.Juli 2024 ist sie im Amts­blatt der EU (ABl. L 2024/1760, S. 1ff.) ver­öf­fent­licht wor­den und am 20. Tag nach ihrer Ver­öf­fent­li­chung, also am 3. Juli 2024, in Kraft getre­ten.

Dies bedeu­tet zum einen, dass die EU-Mit­glied­staa­ten die Richt­li­nie nun gemäß Art. 37 Abs. 1 S. 1 der CSDDD bis zum 26. Juli 2026 in natio­na­les Recht umset­zen müs­sen. Zum ande­ren heißt es auch, dass bis zum Ablauf die­ser Umset­zungs­frist kei­ne Rege­lun­gen mehr erlas­sen wer­den dür­fen, die das in der Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­ne Ziel ernst­lich in Fra­ge stel­len könn­ten (die­ses sog. Gebot der effek­ti­ven Umset­zung des EU-Rechts und die ihm imma­nen­te Vor­wir­kung der Richt­li­nie im Ver­hält­nis zwi­schen EU und Mit­glied­staat hat der EuGH in meh­re­ren Urtei­len bestä­tigt, Rs. C‑129/96, Inter-Envi­ron­ne­ment Wal­lo­nie, C‑144/04, Man­gold, C‑246/06, Navar­ro, C‑427/06, Bartsch, C‑555/07, Kücük­de­vici).

Wegen die­ser euro­pa­recht­li­chen Bin­dung ist mit einer Aus­set­zung des deut­schen Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­ge­set­zes (LkSG, umgangs­sprach­lich gern „Lie­fer­ket­ten­ge­setz“ genannt) für die Zeit bis zum 26. Juli 2026 nun nicht mehr zu rech­nen. Dabei gab es sowohl im deut­schen Bun­des­tag als auch im Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um Über­le­gun­gen, das deut­sche LkSG aus­zu­set­zen, da ins­be­son­de­re der Kreis der vom LkSG erfass­ten Unter­neh­men wei­ter ist, als der der Richt­li­nie. Im Raum steht aber nun eine schnel­le­re Anpas­sung des LkSG an die Richt­li­nie und damit qua­si eine „Rück­nah­me“ die­ser über­schie­ßen­den Rege­lun­gen. Die Richt­li­nie selbst sieht nach ihrem Art. 4 nur eine Min­dest­har­mo­ni­sie­rung vor.

 

Zen­tra­le Unter­schie­de zwi­schen LkSG und der CSDDD

I. Kon­kre­te­re Sorg­falts­pflich­ten

Auf­bau­end auf einem risi­ko­ba­sier­ten Ansatz eta­bliert Art. 5 der CSDDD die bereits aus dem LkSG bekann­ten Bemü­hens­pflich­ten: Die Geschäfts­lei­ter schul­den nicht den unmit­tel­ba­ren Erfolg der Com­pli­ance-Maß­nah­men, aber sie müs­sen sich dar­um bemü­hen. Die Richt­li­nie gibt – anders als bis­her im deut­schen und euro­päi­schen Akti­en- und Gesell­schafts­recht vor­ge­se­hen – kei­nen wei­ten Ermes­sens­spiel­raum bei der Aus­ge­stal­tung von Com­pli­ance-Sys­te­men mehr, son­dern sieht kon­kre­te Maß­nah­men für den Bereich der Men­schen­rechts- und Lie­fer­ket­ten-Com­pli­ance vor.

Die­se umfas­sen:

  1. die Ein­füh­rung einer Stra­te­gie zur Erfül­lung der Sorg­falts­pflich­ten, ihre Ein­be­zie­hung in die Unter­neh­mens­po­li­tik und in die Risi­ko­ma­nage­ment­sys­te­me mit einer lang­fris­ti­gen Kon­zep­ti­on des Unter­neh­mens, einen Ver­hal­tens­ko­dex und die Umset­zungs­maß­nah­men dazu (Art. 7 Abs. 1 CSDDD);
  2. die regel­mä­ßi­ge Ermitt­lung, Bewer­tung und Prio­ri­sie­rung poten­zi­el­ler / tat­säch­li­cher nega­ti­ver Aus­wir­kun­gen, d.h. Risi­ko­ana­ly­sen (Art. 8, Art. 9 CSDDD);
  3. die Ver­hin­de­rung und Mil­de­rung poten­zi­el­ler nega­ti­ver Aus­wir­kun­gen, d.h. Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men auch zur Ver­mei­dung von man­gel­haf­ter Prä­ven­ti­on, z.B. durch ver­trag­li­che Zusi­che­run­gen von z.B. mit­tel­ba­ren Zulie­fe­rern (Art. 10 CSDDD);
  4. die Been­di­gung und Mil­de­rung von und die Abhil­fe bei tat­säch­li­chen nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen (Art. 11 und 12 CSDDD);
  5. die Imple­men­tie­rung von Maß­nah­men zur Ein­be­zie­hung von Stake­hol­dern mit Vor­ga­ben zu umfas­sen­den Infor­ma­ti­ons- und Kon­sul­ta­ti­ons­pflich­ten (Art. 13 CSDDD);
  6. die Ein­rich­tung eines Beschwer­de-Mecha­nis­mus, der dafür sorgt, dass im Ein­zel­fall sofort die Pflich­ten zum Ergrei­fen von Prä­ven­tiv- und Abhil­fe­maß­na­hem aus­ge­löst wer­den (Art. 14 CSDDD);
  7. ein all­ge­mei­nes, regel­mä­ßi­ges Moni­to­ring der Sorg­falts­pflich­ten­pro­gram­me (Art 15 CSDDD).

Zwar sind vie­le der vor­ge­nann­ten Sorg­falts­pflich­ten aus dem LkSG dem Grund­satz nach bekannt, doch sind die Pflich­ten der Unter­neh­men in der CSDDD deut­lich kon­kre­ter und prä­zi­ser defi­niert, was einer­seits die Beach­tung, ande­rer­seits auch bei Pflicht­ver­let­zun­gen die Ahn­dung erleich­tert. Par­al­lel dazu sind auch die bei Pflicht­ver­stö­ßen ein­grei­fen­den Fol­gen in der Richt­li­nie bestimmt: Es wer­den kon­kre­te ver­trag­li­che Pflich­ten auf­er­legt, die gegen­über den Zulie­fe­rern durch­zu­set­zen sind und die am Ende auch auf die Been­di­gung der Geschäfts­be­zie­hun­gen ver­wei­sen.


II. Erwei­ter­te Sorg­falts­pflich­ten

Unter­neh­men müs­sen nun noch stär­ker auch die Ent­sor­gungs­we­ge für Pro­duk­te in den Blick neh­men.

Denn die Sorg­falts­pflich­ten nach der CSDDD erstre­cken sich auf die gesam­te Wert­schöp­fungs­ket­te. Sie erfas­sen somit nicht nur, wie beim LkSG, die vor­ge­la­ger­ten Geschäfts­part­ner im Zusam­men­hang mit der Her­stel­lung von Waren oder der Erbrin­gung von Dienst­leis­tun­gen (Art. 3 Abs. 1 lit. g (i) CSDDD), son­dern auch die nach­ge­la­ger­ten Geschäfts­part­ner (Art. 3 Abs. 1 lit. g (ii) CSDDD), wenn die­se pro­dukt­be­zo­ge­ne Dienst­leis­tun­gen erbrin­gen und für das ver­pflich­te­te Unter­neh­men oder in des­sen Namen han­deln.

Dar­über hin­aus muss das ver­pflich­te­te Unter­neh­men die indi­rek­ten Geschäfts­part­ner prü­fen, d.h. die­je­ni­gen, die kei­ne direk­te ver­trag­li­che Bezie­hung zu ihm unter­hal­ten, aber mit den Tätigkeiten/ Pro­duk­ten etc. des ver­pflich­te­ten Unter­neh­mens in Zusam­men­hang ste­hen. Das wei­tet die Pflich­ten der Unter­neh­men erheb­lich aus und wird sich auch auf die nicht-ver­pflich­te­ten Zulie­fe­rer aus­wir­ken. Auf sie wird über Ver­hal­tens­ko­di­ces und Ver­trä­ge Druck aus­ge­übt, ent­spre­chen­de Prüf­pflich­ten zu über­neh­men und zu akzep­tie­ren.

Wie die­ser Wider­spruch zum Wil­len auch des Richt­li­ni­en-Gebers, die Bedürf­nis­se von KMU zu berück­sich­ti­gen, auf­ge­löst wer­den kann, lässt die Richt­li­nie bis­lang offen. Inhalt­lich bezieht die CSDDD sich im Ver­gleich zum LkSG zudem auf noch mehr inter­na­tio­na­le Abkom­men zum Schutz der Men­schen­rech­te und der Umwelt, so dass sich die Sorg­falts­pflich­ten inso­weit deut­lich erwei­tern.

 

III.        Kli­ma­schutz­plä­ne mit mehr Haf­tungs­ri­si­ken für Lei­tungs­per­so­nal

Art. 22 CSDDD schreibt – anders als das LkSG – die Pflicht der Unter­neh­men vor, sog. Über­gangs­plä­ne für den Kli­ma­schutz auf­zu­stel­len. Die­se müs­sen gewähr­leis­ten, dass das Geschäfts­mo­dell und die Stra­te­gie des Unter­neh­mens mit dem Über­gang zu einer nach­hal­ti­gen Wirt­schaft, dem 1,5‑Grad-Ziel des Pari­ser Kli­ma­schutz­ab­kom­mens und dem Ziel über­ein­stimmt, Kli­ma­neu­tra­li­tät bis 2050 zu errei­chen. Art. 22 Abs. 2 CSDDD gibt dazu kon­kre­te ein­zel­ne Anfor­de­run­gen an die­se Plä­ne vor.

Die­se Pflicht, Über­gangs­plä­ne auf­zu­stel­len, erwei­tert die zwin­gend ein­zu­hal­ten­den Pflich­ten und damit die Haf­tungs­ri­si­ken von Geschäfts­lei­tern erheb­lich. Für Gesell­schaf­ter und Auf­sichts­or­ga­ne besteht Über­prü­fungs- und Hand­lungs­be­darf nicht nur hin­sicht­lich der Plan­auf­stel­lung selbst, son­dern auch mit Blick auf die Ver­gü­tungs­po­li­tik, denn Art. 22 Abs. 1 lit. d CSDDD ver­langt, dass im Kli­ma­schutz­plan auch die Rol­le der Verwaltungs‑, Lei­tungs- und Auf­sichts­or­ga­ne im Zusam­men­hang mit dem Plan beschrie­ben wird. Dies ver­pflich­tet dazu, sich auch mit der Aus­rich­tung der Geschäfts­füh­rer-/ Vor­stands-Ver­gü­tung an die­sen Zie­len aus­ein­an­der­zu­set­zen.

Aller­dings bezieht sich zumin­dest die in Art. 29 CSDDD nun neu gere­gel­te zivil­recht­li­che Haf­tung der ver­pflich­te­ten Unter­neh­men nicht auf die Kli­ma­schutz­plä­ne, son­dern ent­steht nur bei Ver­stoß gegen die Pflich­ten, nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen der eige­nen Geschäfts­tä­tig­keit zu behe­ben und Abhil­fe zu leis­ten (Art. 11, 12 CSDDD).

 

Aus­blick

Die deut­lich kon­kre­te­re Fas­sung der Sorg­falts­pflich­ten, die die Unter­neh­mens­or­ga­ne ein­hal­ten müs­sen, in der CSDDD – auch im Hin­blick auf die Kli­ma­schutz­plä­ne – schrän­ken den Umset­zungs­spiel­raum der natio­na­len Gesetz­ge­ber erheb­lich ein. Wie auch bei ande­ren euro­päi­schen Richt­li­ni­en ist mit einer weit­ge­hend wört­li­chen Über­nah­men der Rege­lun­gen aus der CSDDD zu rech­nen.

Die spe­zi­fisch beschrie­be­nen Sorg­falts­pflich­ten ver­schär­fen zudem die Haf­tungs­ri­si­ken für die Unter­neh­men, da Art. 29 CSDDD anders als das LkSG eine Haf­tung bei Ver­let­zung der Bemü­hens­pflich­ten vor­sieht. Anders als das deut­sche Lie­fer­ket­ten­ge­setz will die CSDDD nicht nur etwa­ig ent­stan­de­ne Schä­den aus­glei­chen, son­dern gera­de auch das Ver­hal­ten der Unter­neh­mens­lei­tun­gen steu­ern und die­se abschre­cken.

Gestärkt wird – auch das eine Neue­rung – die Posi­ti­on des Geschä­dig­ten auch im Bereich des Zivil­pro­zes­ses: Art. 29 Abs. 3 lit. a CSDDD ver­langt eine natio­na­le Bestim­mung für das Gerichts­ver­fah­ren, die es den Gerich­ten erlaubt, gegen­über einem beklag­ten Unter­neh­men anzu­ord­nen, dass es Beweis­mit­teln offen­le­gen muss, die in sei­ner Ver­fü­gungs­ge­walt sind. Dazu muss ein ver­meint­lich geschä­dig­ter Klä­ger nur schlüs­sig vor­tra­gen und auf sol­che zusätz­li­chen Beweis­mit­tel beim Unter­neh­men hin­wei­sen. Der deut­sche Gesetz­ge­ber wird prü­fen, ob die aktu­el­len Mög­lich­kei­ten der §§ 421ff., 142 Zivil­pro­zess­ord­nung vor dem Hin­ter­grund der bis­lang eher zurück­hal­ten­den Anwen­dungs­pra­xis deut­scher Gerich­te zu die­sen Bestim­mun­gen aus­rei­chen. Gelei­tet von dem Gedan­ken einer effek­ti­ven Umset­zung der euro­päi­schen Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten für Unter­neh­men könn­te inso­weit ein deut­li­cher Wan­del der deut­schen zivil­pro­zes­sua­len Pra­xis dro­hen und den Unter­neh­men die Abwehr von Kla­gen deut­lich erschwert wer­den.

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