Werden Ihre GmbH-Geschäftsführer nicht als abhängig Beschäftigte eingestuft? Schon ein kleiner Fehler kann hohe Nachzahlungen bedeuten. Jetzt die Kapital- und Stimmrechtsverhältnisse präzise prüfen und Gesellschaftsvertrag sowie Unternehmertestament anpassen!
Teurer Streitpunkt in GmbH-Sozialversicherungsprüfungen ist regelmäßig die Sozialversicherungspflicht von geschäftsführenden Gesellschaftern. Für Unternehmen ist es essenziell, die Kapital- und Stimmrechtsverhältnisse ihrer Geschäftsführer präzise zu prüfen, um mögliche sozialversicherungsrechtliche Verpflichtungen korrekt einzuschätzen und zu erfüllen. Werden Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert, weil der Geschäftsführer fälschlich als selbständig eingestuft worden war, können diese bis zu vier Jahre rückwirkend erhoben werden.
Bei einem Jahresgehalt von 60.000 Euro kann dies eine Nachzahlung von ebenfalls 60.000 Euro sein, für die neben der GmbH der Gesellschafter-Geschäftsführer mit seinem privaten Vermögen persönlich haftet. Besonders gefährlich sind Altfälle, bei denen die Sozialversicherung nie an eine inzwischen geänderte Rechtsprechung angepasst wurde und die erst jetzt von der Betriebsprüfung aufgegriffen werden.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Gesellschafter-Geschäftsführer gleichberechtigt beteiligt ist, sondern darauf, ob er ihm nicht genehme Entscheidungen und Weisungen der Gesellschafterversammlung an sich verhindern kann. Deshalb gelten Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH als abhängig Beschäftigte, wenn sie nicht über eine Kapitalbeteiligung von mindestens 50 % verfügen oder ihnen keine umfassende Sperrminorität eingeräumt ist, die es ihnen erlaubt, maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft auszuüben. Die Sperrminorität muss sich im Gesellschaftsvertrag finden, spätere Beschlüsse oder eine ständig geübte Einstimmigkeit reichen nicht.
Die Sperrminorität von der Zweier-GmbH bis zum Familienunternehmen
Sind beispielsweise zwei Gesellschafter-Geschäftsführer gleich (jeweils 50,0 %) an einer GmbH beteiligt und werden die Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst, sind beide sozialversicherungsfrei, da nicht abhängig beschäftigt. Sind aber drei Gesellschafter-Geschäftsführer zu gleichen Teilen (jeweils 33,33 %) an einer GmbH beteiligt und werden die Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst, stehen alle drei in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, sofern jeder Geschäftsanteil dasselbe Stimmrecht gewährt.
Die minderheitlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer unterliegen in der Regel der Sozialversicherungspflicht und sind davon nur dann ausnahmsweise ausgenommen, wenn sie satzungsgemäß über eine Sperrminorität verfügen, welche die gesamte Unternehmenstätigkeit erfasst. So etwa, wenn der Gesellschaftsvertrag eine Sperrminorität von zum Beispiel 25 % vorsieht und der geschäftsführende Gesellschafter über eine Beteiligung von 25,1 % verfügt, die reicht, um die Sperrminorität auszuüben.
Ein Gesellschafter, der nicht Geschäftsführer, sondern Arbeitnehmer ist, muss sogar mit mehr als 50 % beteiligt sein, um sozialversicherungsfrei zu bleiben. Denn ihm genügt es nicht, in der Gesellschafterversammlung Weisungen an den Geschäftsführer verhindern zu können, sondern er muss dem Geschäftsführer anweisen können, ihn als Arbeitnehmer in Ruhe zu lassen.
Damit wird in Familiengesellschaften ein Fall aktuell, der lange Zeit gelöst erschien: Beerbt eine betagte Witwe den Unternehmer allein und beteiligt ihren Sohn nicht mindestens mit 50 %, wird dieser zwingend sozialversicherungspflichtig – auch wenn er als Kopf und Seele des Unternehmens allein die Geschäfte führt. Haben wir immer so gemacht, wird dann auch für Steuerberater zur bösen Haftungsfalle: Die einmal eingerichtete Lohnabrechnung wird nie wieder kontrolliert und läuft sozialversicherungsfrei weiter, obwohl sich die Rechtsprechung geändert hat. Die Betriebsprüfungen greifen dies verstärkt auf.
Rechtsmacht in der Holding
Bei Holdingstrukturen steht dagegen im Mittelpunkt, ob für die Sozialversicherung nur die Verhältnisse in der Gesellschafterversammlung der Tochtergesellschaft oder die der übergeordneten Holding maßgeblich sind. Das Bundessozialgericht meint, dass eine selbständige Tätigkeit eines Geschäftsführers innerhalb einer Holdingstruktur möglich ist. Entscheidend sei dabei, ob der Geschäftsführer durch kapital- oder satzungsmäßige Befugnisse in der Lage ist, in die Tochtergesellschaft „durchzuregieren“. Dies kann auch bei Fremdgeschäftsführern der Fall sein, wenn sie aufgrund einer Beteiligung an der Muttergesellschaft in der Lage sind, Weisungen an sich selbst als Fremdgeschäftsführer der Tochtergesellschaft zu verhindern.
Konkret bedeutet dies, dass ein Geschäftsführer, der nicht Gesellschafter der Tochter-GmbH, aber in der übergeordneten Gesellschafterin (Holding oder Muttergesellschaft) beherrschend ist, durch diese Beteiligung eine abhängige Beschäftigung vermeiden kann. Diese Rechtsmacht in der Holding ermöglicht es ihm, maßgeblichen Einfluss auf die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der GmbH zu nehmen, weil er aufgrund seiner Beteiligung an der Muttergesellschaft dortige Beschlüsse über das Abstimmungsverhalten im Rahmen der Gesellschafterversammlung der Tochtergesellschaft beeinflussen und damit unerwünschte Beschlussfassungen auf Ebene der Tochtergesellschaft verhindern kann. Dafür muss die Muttergesellschaft ihrerseits mindestens 50 % der Anteile an der Tochtergesellschaft halten.
Um gleich Rechtssicherheit zu erhalten und womöglich erhebliche Beitragsnachforderungen zu vermeiden, können Gesellschafter-Geschäftsführer ein Statusfeststellungsverfahren bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund durchführen lassen, wenn nicht die Krankenkasse als Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet hat. Die Einschätzung des Steuerberaters entlastet hier nicht, weil das Steuerberatungsgesetz im zwar die Abrechnung der Löhne erlaubt, nicht aber die rechtliche Beurteilung sozialversicherungsrechtlicher Fragen. Gefährlich auch für den Steuerberater, wenn die eigene Haftpflichtversicherung das mit diesem Argument nicht decken will.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Zertifizierter Berater Steuerrecht für mittelständische Unternehmen (DASV e.V.)
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